Hat der Singener Handel nach der Corona-Pandemie wieder zu alter Stärke zurückgefunden? Andernorts klagen die Einzelhändler über weniger Kunden, vor allem auch aus der Schweiz. Zuletzt hatte ein Artikel in schweizerischen Medien für Aufsehen gesorgt, wo dem Einkaufstourismus in Deutschland abgeschworen wurde. Doch wie ist die Situation in Singen, fehlen dort auch die Kunden aus dem nahen Ausland? Die Händler besorgt eher, dass insgesamt weniger Kunden kommen. Sie äußern sich aber optimistisch: Die Frequenz sei zwar noch nicht auf dem Niveau, wie es vor der Pandemie war. Aber die Kunden kämen zurück.
Seit April geht es wieder bergauf
Laut Stefan Suszek, Geschäftsführer des Modehaus Zinser in Singen, sei die Anzahl der Zinser-Kunden wieder fast auf demselben Niveau wie vor dem Beginn der Pandemie. „Die Menge an Menschen, die zu uns zum Einkaufen kommen, hat sich nahezu normalisiert. Man merkt auch, dass ein hoher Nachholbedarf an festlicher Kleidung besteht. Die Leute gehen wieder mehr auf Hochzeiten oder Abibälle und brauchen dementsprechend Kleider“, sagt er.
Schweizer noch etwas zurückhaltend
Allerdings sei die Kundschaft aus der Schweiz noch etwas zurückhaltend, wie Stefan Suszek berichtet. „Es kommen weniger Schweizer zu uns nach Singen ins Modehaus Zinser, als es vor Corona der Fall war. Doch seit April geht es wieder bergauf“, so der Geschäftsleiter. Momentan sei es wichtig, zu überlegen, wie man die Werbeanzeigen gestalten könne, um den Einkaufstourismus aus der Schweiz wieder anzukurbeln. Stefan Suszek ist außerdem nicht der Meinung, dass die geringe Schweizer Kundschaft etwas mit den steigenden Preisen zu tun habe. „Überall steigen die Preise, dass betrifft Schweizer Kunden genauso wie die aus Deutschland“, sagt er.
Durch die Möglichkeiten des Onlineshoppings kann ebenfalls Kundschaft verloren gehen. Vor allem, da diese Art des Einkaufens während der Corona-Pandemie noch häufiger genutzt wurde. Dieses Problem spricht Otto Schweizer an, er ist Geschäftsinhaber des Intersport Schweizer in Singen: „Es wird noch ewig dauern, bis wir wieder dahin kommen, wo wir vor Corona waren. Trotzdem sind wir nicht unzufrieden“, sagt er. Denn da viele Kunden bevorzugt online einkaufen, habe Intersport Schweizer einen Onlinehandel eingerichtet.
Kunden sind besser informiert als vor zwei Jahren
Laut Otto Schweizer habe sich im Verhalten der Kunden seit den letzten zwei Jahren etwas geändert: „Die Kunden kaufen zielgerichteter und sind besser über die Kleidung informiert“, erklärt er. Darüber hinaus sei die Anzahl der Käufer aus der Schweiz ebenfalls nicht auf derselben Höhe wie vor zwei Jahren, doch der Geschäftsinhaber ist zuversichtlich: „Es werden wieder mehr Schweizer nach Singen kommen. Es wird sich einpendeln, auch wenn es noch eine Weile dauern wird“, so Otto Schweizer.
Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv, hört von den Händlern, dass die Frequenz noch nicht so gut sei, aber die Kunden kämen wieder. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle: An Donnerstagen, Freitagen und Samstagen sei die Stadt zum Beispiel gut besucht. Auch der verkaufsoffene Sonntag sei ein Erfolg gewesen, dieses Angebot hätten auch viele Schweizer wahrgenommen. Eine Rolle spiele ihrer Meinung nach auch, dass Arbeitnehmer nach wie vor im Homeoffice arbeiten. „Da bleibt der schnelle Gang in die Stadt zum Einkaufen aus“, so Kessler-Franzen. Viele Kunden hätten sich während der Corona-Pandemie außerdem an den Online-Einkauf gewöhnt.
Bahnhofvorplatz und Cano gefällt Kunden
In Sachen Kundenfreundlichkeit und Erscheinungsbild habe die Stadt Singen ihre Hausaufgaben gemacht, so Kessler-Franzen. Oberbürgermeister Bernd Häusler unterstütze den Handel in allen Belangen. „Kunden sagen mir, dass mit dem Bahnhofvorplatz und dem Cano ein ganz neues, ansprechendes Quartier entstanden ist“, berichtet sie. Auch in der neu gestalteten Hegaustraße habe sich die Aufenthaltsqualität erheblich verbessert.
Mit verschiedenen Aktionen in der Innenstadt wie zum Muttertag wolle Singen aktiv den Einkauf zum Erlebnis machen und die Menschen in die Stadt bringen. Auch im Sommer plant der Verein ein Programm in der Innenstadt.
Hans Wöhrle, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands, erklärt, dass die Umsätze nicht schlecht seien, an die von vor der Corona-Pandemie kämen sie aber nicht heran. „Es ist noch nicht so, wie es vor drei Jahren war“, erklärt er. Er sehe aber auch, dass nach und nach wieder mehr Kunden kämen. In Bezug auf die Schweiz meint er, dass sich die Schweizer Händler mehr anstrengten, um die Kunden im Land zu halten. Der ständige Wechsel in den Corona-Einschränkungen in Deutschland habe die Schweizer abgeschreckt. Auch die Konkurrenz aus dem Online-Handel sieht er als Problem. Gleichzeitig hätten die lebendigen Einkaufsstädte Singen und Konstanz an Geschäften und Gastronomie viel zu bieten.

Großeinkäufe lohnen sich für Schweizer besonders
Die Suche nach Schweizer Kunden wochentags in der Singener Innenstadt gestaltet sich nicht einfach. Kundin Janine Marti kommt aus dem Umland von Schaffhausen nach Singen zum Einkaufen und ist mit einer Freundin in der Innenstadt unterwegs. Der Einkauf in Deutschland ist für sie attraktiv, wenn sie bestimmte Produkte möchte, die sie in der Schweiz nicht finde.
Auch ein Großeinkauf im Baumarkt lohne sich, denn dann bekomme sie die Mehrwertsteuer erstattet. „Wegen einer Kleinigkeit fahre ich nicht über die Grenze zum Einkaufen“, erklärt sie. Als ihre Kinder noch klein waren, habe sie Kleider gekauft, weil diese günstiger seien. Zum Bummeln oder Einkehren mit Freunden komme sie auch schon mal nach Singen. Die Preissteigerung treffe Deutsche und Schweizer gleichermaßen und sei für sie kein Grund, ihr Kaufverhalten zu ändern.