Stolz stehen die trockenen Sonnenblumen auf dem Blühstreifen beim Überlinger Friedhof. Doch das gefällt nicht jedem. Ob da der Bauer nicht im Herbst vergessen hat, zu mähen – das fragen sich manche Bürger schon. Aber für Insekten und Kleintiere sind solche Flächen gerade auch im Winter ein Segen für ihr Fortbestehen, wie Sindy Bublitz von der Umweltschutzstelle bei einem Termin vor Ort erklärt.

Thomas Brutscher wurde als Pächter schon von Leuten angesprochen, warum das Gras und die vertrockneten Blühstauden da noch stehen. „Haben Sie da nicht vergessen, zu mähen?“, sei er schon gefragt worden. Doch dass die verblühten Pflanzen dort noch stehen – genau das ist Absicht.

„Haben Sie da nicht vergessen zu mähen?“

Anfang 2021 haben fast alle Pächter von landwirtschaftlichen Flächen, die der Stadt gehören, neue Pachtverträge unterzeichnet. Darin ist festgelegt, dass ein bestimmter Prozentsatz bei Ackerflächen mit Blühstreifen oder bei Dauergrünland mit Altgrasstreifen angelegt werden muss. Dies soll die Biodiversität verbessern. Im Gegenzug hatte sich die Stadt verpflichtet, die Pacht auf zehn Jahre nicht zu erhöhen. Auch Sindy Bublitz hört vereinzelt Beschwerden über die bewusst nicht abgemähten Blühstreifen.

Auf dem Blühstreifen neben dem Überlinger Friedhof fallen derzeit die trockenen Sonnenblumen ins Auge. Unter dem welken Gras entdeckt man bei genauem Hinsehen schon die Rosetten von mehrjährigen Blühstauden. Im April 2021 hatte Thomas Brutscher eine mehrjährige Wildblumenmischung für Blühflächen beim Saatgutspezialisten Rieger-Hofmann mit 50 verschiedenen Wild- und Kulturarten bestellt. „Wildstauden wie die Wiesenflockenblume bieten Insekten viele Überwinterungsmöglichkeiten“, erklärt Sindy Bublitz.

Nahrung und Überwinterungsstellen für Tiere

Die Blühstreifen, die erst nach drei Jahren gemäht werden, bieten Winterdeckung, Nahrung und Überwinterungsstellen. So könnten beispielsweise Goldammern, die auf dem Boden brüten, einen Platz für ihr Gelege finden. Von einjährigen Blühstreifen hält Sindy Bublitz nicht so viel. „Wenn Insekten ihre Eier an den Pflanzen ablegen und diese dann im Herbst abgemäht werden, ist das eher eine Falle“, sagt sie.

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Von den 65 Pächtern auf der Gemarkung Singen haben über 40 diese neuen Blüh- oder Altgrasstreifen angelegt. Die Pächter, die nur sehr kleine Flächen bewirtschaften, fallen aus dem Raster. Sie können ihrer Verpflichtung alternativ durch die Pflanzung eines Streuobstbaums nachkommen. Mit dem Konzept der Blüh- und Ackerstreifen können in Singen insgesamt bis zu 12 Hektar neue Blühflächen und 18 Hektar Altgrasstreifen entstehen.

Im Zuge der Maßnahme für mehr Biodiversität plant die Stadt auch ein Monitoring für Wildbienenarten und Heuschrecken. Dafür ist sie schon mit dem Biologen und Mauerbienenexperten Mike Herrmann aus Konstanz in Kontakt.

Unternehmen sollen Artenvielfalt fördern

  • Das Projekt: Unter dem Motto „Unternehmen Artenvielfalt – Firmengelände blühen auf“ findet am Donnerstag, 10. März, von 10 bis 12 Uhr eine Online-Veranstaltung über Zoom statt. Anke Heidemüller, Leiterin des Projekts „UnternehmensNatur“ des NABU in Baden-Württemberg, wird das Vorhaben vorstellen und Anregungen für eine biodiversitätsfördernde naturnahe Gestaltung geben. Unternehmen werden vom NABU kostenfrei beraten. Informationen i Internet zu der Aktion gibt es auf der Webseite www.UnternehmensNatur-BW.de.
  • So macht es Mercedes: Außerdem berichtet Michael Bratenberg, Umweltschutz Mercedes-Benz-AG Sindelfingen, aus der Praxis, denn das Umweltschutzmanagement engagiert sich seit zehn Jahren für die Umsetzung von naturnaher Gestaltung auf dem Werksgelände von Mercedes in Sindelfingen.
  • Anmeldungen nimmt der Standortmarketingverein Singen aktiv unter singen-aktiv@singen.de entgegen. Mitveranstalter ist die Wirtschaftsförderung Radolfzell.