Hier im Hegau würde man sagen: Sebastian Kopitzki ist richtig stinkig. Oder anders formuliert: Der junge Gastronom ist sauer. Wieder einmal haben das Corona-Virus und die damit seit Kurzem geltenden verschärften Maßnahmen den Küchenmeister des Gasthaus Kreuz in Singen ausgebremst. „Die letzte Woche war eine einzige Katastrophe“, sagt er mit Blick auf das jüngste Regelwirrwarr der Pandemie-Bekämpfung. Quasi im Stundentakt hätten Restaurants und Bistros neue Regeln mitgeteilt bekommen. „Ohne Vorlaufzeit und ohne, dass wir uns darauf einstellen konnten“, kritisiert er.

Erst die 2G-Regel, dann die 2G-Plus-Regel. Durch das viele Hin und Her habe die Politik viele Gäste aber auch Gastronomen verunsichert. „Viele Gäste wissen aktuell einfach gar nicht mehr, was sie dürfen und welche Maßgaben für einen Restaurantbesuch gelten. Da blickt einfach keiner mehr durch“, schildert Kopitzki. In einem Brief an die Bundes- und Landespolitik, der auch dem SÜDKURIER vorliegt, macht er seinem Unmut Luft.
Seine Kritik: Nachdem im Gaststättenbereich bereits das Jahr 2020 extrem durch die Pandemie geschädigt wurde, setze sich diese Entwicklung aufgrund der durch die Bund- und Länderregierung verzögerte Gegenmaßnahmen auch in den Monaten seit Oktober fort. Anders als in 2020, in dem die Schließungen der Gaststätten durch ein Bundesgesetz alle betroffen habe, seien die diesjährigen Auflagen nur den Betreibern und den Gästen auferlegt worden.
Das Ergebnis sei für Kopitzki klar: „Die Gäste bleiben weg, weil sie sich größtenteils erst um einen Test bemühen müssen, für den man teilweise lange anstehen muss.“ Die Quittung für die schärferen Maßnahmen habe er nun erhalten: Reservierungen seien reihenweise abgesagt worden. Das gleiche gelte für Weihnachtsfeiern, Familienfeste oder Jubiläen. Ganz wenige Menschen, vor allem Stammgäste, seien bei der Buchung geblieben, aber dies reiche wirtschaftlich bei weitem nicht aus. „Das bedeutet für uns Gastronomen ein Sterben auf Raten“, so Kopitzki weiter. Der Politik fehle der Bezug zur Realität. Viele Maßnahmen seien auf dem Papier umsetzbar, aber in der Praxis fehle oft der Blick auf die Wirtschaftlichkeit.
Laut Kopitzki seien die Reserven der Gastronomen ohnehin schon sehr gering und die teilweise mit großer Verspätung eingetroffenen Mittel aus der Corona-Hilfe bereits im Jahr 2020 aufgebraucht. Auch eine erneute Kurzarbeit zum Jahreswechsel sei deshalb denkbar. „Für uns Gastronomen ist eine rote Linie überschritten“, schreibt er an die Politik. Die Sorge bei Kopitzki wachse, dass kleinere und mittlere Betriebe mit undurchsichtigen Corona-Maßnahmen geradezu in die Insolvenz gedrängt werden. Ihn ärgert, dass im öffentlichen Dienst auf der anderen Seite Corona-Prämien und Gehaltserhöhungen ausgezahlt werden.
Die Angst vor der Pleite geht um
Auch in der Rielasinger Traditionsgaststätte Burg Rosenegg herrscht ob der unsicheren Lage und den ständig wechselnden Corona-Bestimmungen Frust. „Unsere Beschäftigen haben auch Angst, wie es weitergeht“, beschreibt Corina Weiermann-Seidl, die zusammen mit Gatte Roland den Betrieb führt. Die Gäste seien verunsichert, welche Regeln aktuell gelten. „Wir können für einen Besuch unserer eigenen Gaststätten nach einer Schulung bei einer Hilfsorganisation selbst Tests anbieten, wenn beispielweise die zweite Impfung von Gästen länger als ein halbes Jahr vergangen ist.
Durch ständig wechselnde Regelungen haben wir aber sehr viele Gäste verloren. Das ist sehr zermürbend und führt auch zu einer Demotivation des Personals“, erklärt Corina Weiermann-Seidl. Sie gehört auch dem baden-württembergischen Vorstandsteam des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) an und kann durch den Austausch mit anderen Wirten die Gesamtsituation der Branche gut einschätzen. Und die sei alles andere als rosig. „Es ist eine Frage der Zeit, bis viele Gaststätten schließen müssen“, sagt sie.
Catering und Buffet
„Nachdem wir sieben Monate weggesperrt wurden, hat uns auch ein Teil des etwa 20-köpfigen Personals verlassen. Das ist völlig verständlich, denn die Leute wollen arbeiten. Andernfalls geht das auf die Psyche“, betont Corina Weiermann-Seidl. Nach der Wiederöffnung habe das verbliebene Personal 150 Prozent leisten müssen. Nun herrsche durch die Änderungen der Zutrittsregeln wieder zeitweise Flaute. Deshalb müsse sich das Gasthaus Burg Rosenegg in Zukunft wohl umstrukturieren und verstärkt auf Catering und Speisen in Buffetformen setzen, weil einfach das Personal fehle. „Ich habe ein Inserat geschaltet, um einen Koch engagieren zu können. Es gibt bisher keine Bewerbung. Ich würde einen roten Teppich für einen Koch ausrollen, wenn es einen Interessenten gäbe“, sagt sie.
Hilfszahlungen seien im Frühjahr geflossen, dazu habe auch der Hotel- und Gaststätten-Verband mit einem positiven Einfluss geholfen. Ob aber ausstehende Zahlungen noch ankämen, sei unsicher, da sie auch mit dem deutlich geschmälerten Umsatz des laufenden Jahres verrechnet werden müssen. „Wichtiger als das Geld ist es uns, für die Gäste mit großem Einsatz eine gute Dienstleistung zu erbringen“, so Corina Weiermann-Seidl.