Wenn man schon nicht offiziell feiern kann, was werden Sie dieses Jahr an der Fasnacht machen und was vermissen Sie in diesem Jahr am meisten?
Fasnacht hat man im Herzen. Ich werde zuhause Fasnacht (auch online) feiern, das Häs anziehen und am Schmotzigen Dunschtig sowie in der eigentlichen Fasnachtswoche statt Jeans und Pulli, natürlich das Häs anlegen, mit Hoorig grüßen und vieles virtuell und medial verfolgen. Wir haben, wie immer, bereits seit seit 6. Januar das Haus dekoriert mit Fahnen, Narrenbaum und weiteren närrischen Dingen, dies wird sicherlich in diesem Jahr ein bissel mehr wie sonst noch werden. Ich vermisse all die Kontakte, Treffen und der Austausch zu den anderen Vereinen und Narren sowie das gemeinschaftliche Erhalten und Feiern unseres Brauchtums.
Gibt es Erinnerungen an das Fasnachts-Ausfalljahr wegen des Irak-Kriegs?
Ja, die gibt es. Ich kann mich da an eine der spontansten und tollsten Fasnachts-Beerdigungen erinnern, die es je gab. Sie war ganz speziell und einzigartig – bis heute. Damals konnten sich die Narren wenigstens in kleinen Gruppen oder in den Vereinen treffen, was leider nun nicht möglich ist.
Worauf freuen Sie sich zur Fasnet 2021 besonders?
Freuen ist glaub‘ übertrieben, ich bin sehr gespannt und neugierig, was sich unsere Vereine aus Singen und der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee alles einfallen lassen. Ich freuen mich, wenn die Fasnetszeit auch unter diesen Umständen akzeptiert wird und ich am Schmotzigen Dunschtig ein Hoorig oder Narri-Narro zurückbekomme. Ich freue mich sehr über die Schaufenster-Aktion, die Online-Schnorrernacht in Singen und hoffe, dass beides auch seitens der Narren und der Bevölkerung angenommen wird.
Wie bewerten Sie den Umgang der Verbände und Vereinigungen mit den Corona-Herausforderungen?
Es war wichtig und richtig, bereits nach den Sommerferien eine Entscheidung zu treffen und vor allem eine Entscheidung, die alle Verbände und Narrenvereinigungen gemeinsam tragen. Sie können mir glauben, leicht ist uns dies nicht gefallen und uns blutete das Narren-Herz dabei.
Kann das Internet nach Corona die Fasnet der Zukunft bereichern?
Ein klares Nein! Das Internet kann unterstützen, präsentieren oder bewerben, doch ein Narr gehört auf die Straße, unter Menschen, er braucht die Kontakte und unsere Fasnet wird durch Menschen – für Menschen real gemacht.
Was ist für Sie der Geist der Fasnet, der auch ohne Veranstaltungen weiterlebt, und was zeichnet die Fasnet in ihrem Heimatort aus?
Den Geist der Fasnet trägt jeder Narr in sich selbst und kann durch die närrischen Tage auf verschiedene Möglichkeiten, Aktionen, gemeinschaftliche Veranstaltungen und viel sozialen Kontakten ausleben. Für mich war in den letzten Jahren stets das Treffen aller Narren auf dem Rathausplatz, nach den beiden Umzügen in Singen immer toll. Dort trifft man Freunde, Bekannte, Personen die man immer nur an Fasnacht sieht und kann sich austauschen und Freude miteinander teilen.
Wer ist denn in diesem außergewöhnlichen Jahr das wichtigste Mitglied in der Narrenzunft?
Wichtig sind in diesem Jahr alle Mitglieder, um das Brauchtum auch in so einer schwierigen Zeit lebendig zu halten und zu leben. Die Präsenz der Fasnet zeigen kann jeder! Natürlich sind es meines Erachtens alle in einer Vorstandschaft oder wie bei uns das Präsidium. Da sie die wichtigen und richtigen Entscheidungen treffen müssen. Doch diese Corona-Fasnet schaffen wir nur als große Narrengemeinschaft, egal ob im Großen oder Kleinen.
Glauben Sie, dass die Fasnet 2022 sein wird, wie immer?
Na, das hoffen wir doch alle. Jedoch glaube ich, dass es sicherlich Einschränkungen wie Hygienekonzepte oder Personenbeschränkungen weiterhin erstmal geben wird. Ich denke, dass sich die Fasnet verändern wird, was nicht unbedingt negativ sein muss.
Kommt Ihr Häs‘ in diesem Jahr überhaupt zum Einsatz?
Ja selbstverständlich, sogar beide. Beim Einkaufen, im Privaten und wo sich sonst eventuell noch eine Gelegenheit, natürlich corona-konform, bieten wird.
Haben Sie ein persönliches Motto für diese Saison?
Ja, ein echter Narr trägt die Fasnet im Herzen... und nutzt die Möglichkeiten, die es in diesem Jahr gibt. Unser Narrenmotto daher: Noch de Fasnet isch vor de Fasnet. Hoorig und Narri-Narro!
Und was haben Sie für den Aschermittwoch geplant?
Da ist bei uns im Narrenverein Neu-Böhringen immer traditionell die Geldbeutelwäsche. Diese werde ich natürlich im Privaten auch machen und dieses Jahr wird das Leder von meinem Geldbeutel nicht aus Zwiebelleder sein, da er sicherlich nicht so leer sein wird wie in den Jahren davor.
Zu Person, Zunft und Serie
- Zur Serie: Zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus finden in diesem Jahr praktisch keine offiziellen Fasnachtsveranstaltungen statt. Welche Stimmung das auslöst, wo es vielleicht doch ein bisschen Freude gibt und welche Hoffnungen die Narren in die Zukunft setzen – dazu kommen in der Serie elf Narren zu Wort. Jeder von ihnen bekommt die gleichen elf Fragen vorgelegt, die die Singener SÜDKURIER-Redaktion erstellt hat.
- Zur Person: Uli Wiese stammt aus Singen und ist Landvogt der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee (NVHB). Die närrische Laufbahn hat sie beim Singener Narrenverein Neu-Böhringen gestartet und war viele Jahre Bürgermeisterin der Narrengemeinde. Gemeinsam mit Rainer Maier von der Poppele-Zunft hat sie die Singemer schnurrernacht etabliert und ist als Vorsitzende des Fördervereins der Neu-Böhringer aktiv.
- Zur Zunft: Die Geburt der Gemeinde Neu-Böhringen ist auf das Jahr 1904 datiert. Dominik Weber wurde zum ersten Bürgermeister proklamiert. Die Narrengemeinde im damaligen Lokal Eisenbähnle beschloss vier entscheidende Verfügungen: Der Stadtteil Neu-Böhringen wird zur selbstständigen, unabhängigen Gemeinde ausgerufen, das Wahrzeichen der Stadt Singen, der Peter-und-Pauls-Dom, wird nach wie vor respektiert, der Schrankenübergang, der die Singener Industriestraße mit der Neu-Böhringer Fittingstraße verbindet, wird zum neutralen Korridor erklärt und die Fischerrechte im Seewadel werden in ein ewig Privileg verankert. So kam es zur Gründung des zweitältesten Narrenvereins von Singen, dessen erste offizielle Bürgerversammlung am schmutzigen Dunschtig 1905 stattfand, wo sämtliche Vertreter des Gemeindeparlamentes bestätigt wurden. (sk)