Auf der Dachterrasse des Hegau-Towers in 67 Metern Höhe herrscht angespannte Ruhe: Die Firma Metallbau Konzept aus Radolfzell hat einen Spezialauftrag. Eine kaputte Scheibe, die 500 Kilogramm wiegt sowie 2,50 Meter breit und 4,50 Meter hoch ist, soll getauscht werden. Es ist eine Gedulds- und Millimeterarbeit. „Das ist auch für uns kein alltäglicher Auftrag“, erklärt Inhaber Andreas Konzept, der mit sieben Mitarbeitern vor Ort ist.

Fenster in anderen Stockwerken des Towers hätten sie schon getauscht, aber noch nie in dieser Höhe. Die Glasscheiben rahmen die Dachterrasse des höchsten Gebäudes von Singen ein. Sie ist seit dem tragischen Freitod von GVV-Geschäftsführer Roland Grundler 2014 geschlossen. Der Hegau-Tower war im Besitz der städtischen Wohnbaugesellschaft GVV und wurde nach deren Insolvenz 2015 verkauft.

Gespannter Blick in die Tiefe, die Mitarbeiter von Metallbau Konzept (von links): Michael Biller, Andreas Konzept, Wolfgang Franske und ...
Gespannter Blick in die Tiefe, die Mitarbeiter von Metallbau Konzept (von links): Michael Biller, Andreas Konzept, Wolfgang Franske und Ismail Hussaini. | Bild: Jacqueline Weiß

Sicherheit steht an erster Stelle

Bei dieser Baustelle steht Sicherheit an erster Stelle, deshalb wird alles doppelt und dreifach geprüft und die Mitarbeiter sind gesichert, erklärt Andreas Konzept: „Wir mussten die Tauschaktion schon einmal abbrechen, weil es zu stark gewindet hat.“ Die Scheibe sei dann wie ein Segel und schwinge unkontrolliert nach vorn und hinten. Deshalb werde lieber alles genau und in Ruhe gemacht, als ein unnötiges Risiko einzugehen, sagt Konzept. Aber erst einmal ist Geduld angesagt: Es gibt ein technisches Problem mit dem Riesenkran der Firma Gräber, die nur wenige solcher großen Kräne für Spezialeinsätze hat. Das heißt für die Mitarbeiter warten, aber trotzdem bereit sein, wenn es losgeht.

Da unten stehen die Kräne auf dem Werksgelände der Maggi.
Da unten stehen die Kräne auf dem Werksgelände der Maggi. | Bild: Jacqueline Weiß

Die Tauschaktion erfolgte mit zwei Kränen, einer für die Glasscheiben, die nacheinander aus- und eingebaut werden, und ein zweiter mit einem Korb für die drei Mann, die auch von außen die Metallleiste abschrauben müssen. Die Scheibe ist in viele kleine Teile gesprungen. Nur die Folie im Verbundglas verhinderte, dass die Scherben herunterfielen.

Die Scheibe ist draußen, Mitarbeiter Ismail Hussaini behält sie gut im Auge.
Die Scheibe ist draußen, Mitarbeiter Ismail Hussaini behält sie gut im Auge. | Bild: Jacqueline Weiß

Großer Kran war vorher nicht frei

Die Scheibe sei schon seit zwei Jahren kaputt, was von unten aber nicht sichtbar war, erklärt Roger Rauch, technischer Leiter des Unternehmens Upwind Holding. Das Familienunternehmen Upwind Holding hat bereits seit der Eröffnung 2008 Büroräume in dem vom Stararchitekten Helmut Jahn geplanten Gebäude. Neben zweieinhalb Stockwerken, die bereits zuvor im Besitz der Immobiliengesellschaft der Gruppe waren, gingen im Frühjahr 2018 weitere zwölf der insgesamt 17 Stockwerke an das Unternehmen über. Der Austausch könne jetzt erst stattfinden, weil der große Kran vorher nicht frei war. Es sei auch zusätzlich nochmal eine Folie auf das gesprungene Glas aufgebracht worden, damit nichts herunterfalle, sagt Rauch.

Hoch über Singen neben der Fassade des Hegau-Towers schwebt der Transportkorb.
Hoch über Singen neben der Fassade des Hegau-Towers schwebt der Transportkorb. | Bild: Jacqueline Weiß

Die Dachterrasse mit dem Rundumblick auf Singen bis zum Bodensee zum Beispiel als Gastronomie zu nutzen, sei schon mehrfach im Gespräch gewesen, berichtet Roger Rauch. Doch vor einer Nutzung müsse dort umgebaut werden. „Der Aufwand und die Kosten sind zu hoch“, erklärt Rauch. Lediglich für einzelne Events würde die Dachterrasse geöffnet, erklärt Eddy Decembrino von der Upwind Holding.

Kaum mehr einen Blick für die Aussicht

Die Mitarbeiter von Konzept Bau haben inzwischen keinen Blick mehr für die Aussicht und konzentrieren sich voll auf die Arbeit. Die beiden angrenzenden Scheiben werden auch mit Vakuumsaugern gesichert, falls sie sich ebenfalls lösen sollten. Nachdem die Metallleiste abgeschraubt ist, machen sich Ismail Husseini und Michael Biller vorsichtig daran, die kaputte Scheibe zu lösen, während Wolfgang Franske von oben sichert. Bis sie schließlich am Vakuumsauger, aber sonst frei in der Luft und zu Boden schwebt. Der erste Teil der Arbeit ist getan, jetzt musste nur noch die neue Scheibe eingesetzt werden.