Andrea Lohr ist seit sechs Jahren ehrenamtliche, gesetzliche Betreuerin bei der Caritas und empfindet die Aufgabe als sehr bereichernd. „Man lernt das Leben anderer Menschen kennen, nicht nur oberflächlich, sondern blickt in alle Lebensbereiche und die Dankbarkeit bei den Betreuten ist groß“, beschreibt sie ihre Motivation. Lohr kam über die Betreuung ihrer Eltern zum Ehrenamt. Die Caritas hatte einen Qualifizierungskurs ausgeschrieben. „Ich dachte, das höre ich mir mal an und empfand den Kurs als sehr gewinnbringend“, berichtet Lohr. Nach dem Tod ihrer Eltern sei ihr wichtig gewesen, das erlangte Wissen weiterhin anwenden zu können und es für andere Menschen einzusetzen. Jetzt hat sie seit Längerem einen Betreuten, den sie in allen bürokratischen Angelegenheiten vier Stunden im Monat unterstützt: Sei es bei der Wohnungssuche, bei den Finanzen oder der Gesundheitsfürsorge.

173 Betreuer bei der Caritas

Die Caritas Singen-Hegau ist einer von sieben Betreuungsvereinen im Landkreis, unterstützt mit vier Mitarbeiterinnen 173 ehrenamtliche Betreuer in ihrem Engagement und ist immer auf der Suche nach Menschen, die dieses Amt übernehmen wollen. „Es war im vergangenen Jahr schon schwierig Ehrenamtlich zu finden und es ist in diesem Jahr nicht besser“, berichtet Brigitte Ossege-Eckert, Fachbereichsleiterin der Beratungsangebote bei der Caritas. Über die Kurse sei es immer wieder gelungen, Menschen zu gewinnen, doch aufgrund der Corona-Einschränkungen konnten sie nicht stattfinden. Die Überlegung sei nun, einen Kurs online anzubieten.

Nachfrage nach Betreuung steigt

Die Nachfrage nach gesetzlicher Betreuung sei hoch: „Der Kreis Konstanz ist ein Zuzugsgebiet. Es gibt immer mehr ältere Menschen und auch die psychischen Auffälligkeiten nehmen zu“, erklärt Ossege-Eckert. Außerdem steige die Zahl der rechtlichen Geschäfte im Alltag. Ehrenamtliche Betreuer regeln die rechtlichen Angelegenheiten für volljährige Menschen, die dazu nicht mehr in der Lage sind und deshalb vom Betreuungsgericht eine Unterstützung zur Seite gestellt bekommen. Das Motto dabei sei: „So viel Unterstützung wie nötig, so wenig wie möglich.“ Jeder gesetzlichen Betreuung gehe ein Gerichtsverfahren voraus, außerdem müssen beide Parteien mit der Betreuung einverstanden sein. Die meisten ehrenamtlichen Unterstützungen gehen über Jahre, das heißt, ein Betreuer ist gebunden und kann in dieser Zeit keine andere Betreuung übernehmen. Auch Andrea Lohr war schon bei mehreren Menschen im Einsatz. Dass viele Betreuungen mit dem Lebensende des Betreuten enden, müsse man verkraften.

Engagement aus Überzeugung

Viele Rentner übernehmen diese sinnstiftende Aufgabe, es werden aber auch immer jüngere Menschen gesucht, weil es auch viele jüngere Betreute gebe. „Die ehrenamtliche Betreuung ist ein Hobby, das den Ehrenamtlichen Freude bereiten soll. Sie machen das aus Überzeugung und es soll nicht zur Belastung werden“, erklärt die Fachbereichsleiterin. Sei der zu Betreuende zum Beispiel schwierig im Umgang, habe Suchtprobleme oder die rechtlichen Geschäfte seien zu umfassend, sei das eher ein Fall für einen Berufsbetreuer. Behörden oder Banken reagierten in der Regel positiv auf die Anliegen eines Betreuers: „Sie sind meist froh, dass sie wieder einen Ansprechpartner haben und die Dinge geregelt werden können“, so Ossege-Eckert. Jeder Betreuer erhalte einen Ausweis, mit dem er sich legitimieren könne.

Interesse an Menschen ist wichtig

Vor einer Betreuung stehe ein Treffen beider Parteien, um zu schauen, ob es für beide passt. Die Caritas stünde ihren Betreuern mit Rat und Tat zur Seite. „Niemand wird alleingelassen“, sagt Ossege-Eckert. Wichtig für die Eignung für dieses Ehrenamt sei, dass man praktisch veranlagt und bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. „Man muss die Menschen so nehmen, wie sie sind und das Herz am rechten Fleck haben“, erklärt Lohr. Das Interesse an anderen Menschen und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Anderen, seien außerdem wichtig, berichtet sie. Aufgrund von Corona gab es in ihrer Tätigkeit keine Einschränkungen. „Wir können viel über Handynachrichten regeln oder wir haben uns mit Maske und Abstand getroffen“, erklärte sie. Meist könne sie die Unterlagen zu Hause durchsehen und dann reichten kurze Gespräche. Schwieriger sei die Betreuung in Pflegeheimen, wenn diese wegen Corona nicht betreten werden durften, berichtet Ossege-Eckert.