Einige Geschäfte dürfen seit Montag unter Auflagen öffnen und machen dies. Andere wollen, dürfen aber nicht, weil sie eine zu große Fläche haben. Und manche Unternehmen dürfen, wollen oder können dennoch nicht, da sie zu viel anderweitige Arbeit haben. Die Corona-Krise beherrscht das Bild in den Einkaufs­arealen von Singen und anderen Städten und Gemeinden des Hegaus. Die Singener Innenstadt wirkt wesentlich belebter als noch in den vergangen Wochen zuvor. In den Geschäften herrscht geregelter Betrieb. Angestellte bedienen ihre Kunden mit angelegten Schutzmasken. Seit Montag können Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern öffnen. Autohäuser und Fahrradgeschäfte haben keine Flächen-Einschränkungen.

Betreiber und Kunden sind froh

„Wir sind positiv überrascht, dass bereits etliche Kunden am ersten Tag der Eröffnung zu uns kommen“, sagt Falk Wöhrle in seinem Singener Schuhgeschäft Franco Bonoldi. „Die Menschen freuen sich, dass sie wieder ein Stück mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dazu gehört der Besuch der Geschäfte, verbunden damit, miteinander ins Gespräch zu kommen“, so Wöhrle.

„Viele unserer von mir selbst angeschriebenen Stammkunden haben morgens schon angerufen und gefragt, ob wir tatsächlich öffnen“, berichtet Tanja Dokic, die seit 26 Jahren beim Singener Schuhhaus arbeitet und zusammen mit den anderen Beschäftigten diese außergewöhnliche Situation meistern will. „Es ist schön, wieder in den kleinen Läden in Singen einkaufen zu können“, sagt Kunde Manfred Marx aus Wahlwies.

Einzelhandelsgeschäfte mit größeren Flächen müssen allerdings weiter schließen. Das sorgt für Kritik, die auch schon der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler öffentlich geäußert hatte. Es geht darum, dass solche Läden, auch nicht auf einer unter 800 Quadratmeter begrenzten Fläche ihre Artikel anbieten dürfen. „Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung und trifft uns hart. Wir kämpfen wie auch andere Läden mit größeren Verkaufsflächen um die Existenz“, betont Otto Schweizer, Inhaber eines Sportgeschäftes. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Outletcenter in Radolfzell oder viele kleinere Geschäfte im Konstanzer Lago-Center öffnen dürften.

Otto Schweizer kritisiert, dass sein Sporthaus nicht öffnen darf.
Otto Schweizer kritisiert, dass sein Sporthaus nicht öffnen darf. | Bild: Tesche, Sabine

„Wir haben eine hohe Kostenbindung, wie Personalausgaben. Es fehlt ein Großteil der Einnahmen. Wenn auch unser Online-Handel sensationell den Umsatz verfünffachen konnte, so macht dies gerade mal ein Viertel der Erträge aus“, so Schweizer. Im Gegensatz zu Outlet-Läden werde in seinem Geschäft, das nun Kurzarbeit angemeldet habe, eine wesentlich intensivere und persönliche Beratung angeboten. Dies führe zu höheren Personalkosten und Nachteilen gegenüber Wettbewerbern. „Sie dürfen öffnen, wir nicht. Mir blutet die Seele“, sagt Schweizer. „Hoffnungsvoll schufen Beschäftigte in harter Arbeit die Voraussetzung für eine Öffnung. Das dies endgültig untersagt wurde, haben wir erst am Samstagmittag erfahren“, so Schweizer.

Beim Gottmadinger Fahrradhaus Graf geht es zum Neu-Start von Verkauf und Beratung hoch her. Die Kunden kommen in großer Zahl zur Wiedereröffnung. Und dies mit gebührendem Abstand. Viele schauen sich, mit einer Schutzmaske bedeckt, in dem großen Fahrrad-Sortiment um. Zufrieden beobachtet Fahrradhaus-Chef Rigo Raatz zwischen den intensiven Beratungsgesprächen das Geschehen.

Endlich floriert das Geschäft: Rigo Raatz kann in seinem Gottmadinger Fahrradhaus am ersten Tag der Wiederöffnung viele Kunden begrüßen.
Endlich floriert das Geschäft: Rigo Raatz kann in seinem Gottmadinger Fahrradhaus am ersten Tag der Wiederöffnung viele Kunden begrüßen. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Das Geschäft vor Ostern und der Kommunion ist futsch. Das tut weh. Nun sind wir aber froh, endlich wieder öffnen zu können. Das hat für uns eine elementare Bedeutung, da die Fahrradsaison schon etliche Tage angelaufen ist“, betont Raatz.

Autohandel rollt an

Auch bei der Autohaus-Filiale Ernst und König im Singener Industriegebiet gibt es Erleichterung darüber, dass Verkauf und Beratung seit Montag wieder möglich sind. „Das ist für unsere 15 Autohäuser von existenzieller Wichtigkeit. Wir haben alles getan, um die Sicherheit für unsere Kunden und die Beschäftigten zu gewährleisten“, erklärt Rüdiger Boss, Leiter der Singener Autohaus-Filiale. Die Arbeitsplätze, wie Verkaufsbüros, seien mindestens zehn Meter auseinander.

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Sein Betrieb hat Kurzarbeit angemeldet. Betroffen seien unter den 45 Beschäftigten besonders das Verkaufspersonal. „Das Geschäft wird zögerlich anlaufen. Ein normales Kundenverhalten ist nach meiner Einschätzung nicht vor dem Jahresende zu erwarten. Wir werden die Krise überstehen, aber sicher wie viele andere Unternehmen auch am Ende mit einer kräftigen Delle“, so Boss im bildlichen Jargon seiner Branche.

Reisebüros arg gebeutelt

Reisebüros dürfen seit Montag ebenfalls öffnen. Der Gottmadinger Alexander Growe und seine Frau Alexandra lassen aber ihr Geschäft vorläufig weitestgehend zu. „Da ich bundesweit gut vernetzt bin, weiß ich auch, dass laut Umfrage etwa 90 Prozent der Reisebüros nicht öffnen. Sie alle haben eine immense Arbeit mit Rückabwicklungen, Umbuchungen oder Stornierungen. Die Corona-Krise hat unsere Branche besonders arg gebeutelt. Die Flugzeuge stehen am Boden, die Schiffe im Hafen und die Hotels dürfen keine Gäste aufnehmen“, sagt Alexander Growe.

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Die Betreiber von Reisebüros seien derzeit vor allem als Moderatoren gefordert. Es gelte, den Kunden zu erklären, warum sie beispielsweise bei notgedrungenen Stornierungen nicht den vollen Preis zurückerhalten. Dies sei der außergewöhnlichen Situation geschuldet, in der sich alle Reiseveranstalter befänden. Aber, was ihm Mut mache: „Viele unserer Kunden bezeugen ausdrücklich ihre Treue und bieten Unterstützung an. Es gibt sogar schon Buchungen, wie von Kreuzfahrten, für die nächsten Jahre. Manche verzichten auf Erstattungen und kündigen an, dass sie den nächsten Urlaub in Deutschland ordern, sobald dies möglich ist“, sagt Growe. Es zahle sich nun auch die sehr persönliche Beratung der Kunden und die guten Beziehungen zu ihnen aus. Dies mache Hoffnung, dass das Reisebüro Growe die Existenz auch nach der Krise sichern könne.

Alexander Growe hofft, dass sich die Reisebranche bald erholt.
Alexander Growe hofft, dass sich die Reisebranche bald erholt. | Bild: Christel Rossner

Der Unternehmer ist als Vorsitzender des Gottmadinger Gewerbevereins dicht dran an anderen Firmen im Ort. „Die Betreiber der kleineren Läden und der drei Fahrradhäuser freuen sich, dass sie endlich arbeiten und ihre Kunden bedienen dürfen. Die Gaststätten leiden allerdings darunter, dass sie weiter schließen müssen und niemand genau weiß, wie lange diese Verordnung noch gilt“, sagt Growe.

Verordnungen des Landes und Empfehlungen des Handelsverbandes Baden-Württemberg

Der Handelsverband Baden-Württemberg gibt den Betreibern von Einzelhandelsgeschäften Vorgaben für die Öffnung ihrer Läden mit. Dabei geht es um Wortlaute der Verordnung des Landes Baden-Württemberg und Empfehlungen des Verbandes.

  • Mindestabstand einhalten: Es muss durch Aushang oder mündliche Mitteilung vermittelt werden, dass zu den Beschäftigten und zu anderen Kunden ein Mindestabstand grundsätzlich und wo immer möglich von 1,50 Meter – besser zwei Meter – einzuhalten ist. Der Zutritt soll gesteuert und Warteschlangen vermieden werden. Hier schlägt der Verband zum Beispiel die Möglichkeit eines getrennten Ein- und Ausgangs vor, um direkten Kontakt zu verhindern. Auch Markierungen sollen laut Empfehlung helfen, um eine maximale Kundenzahl zu gewähren und Warteschlangen an Kassen zu verhindern.
  • Kontakte vermeiden: Vor dem Geschäft sollen laut Empfehlung Abstandshalter auf dem Boden angebracht werden. Zudem müsse – sofern verfügbar – zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine geeignete Trennvorrichtung zwischen Kassenpersonal und Kunden, wie eine lichtdurchlässige Abschirmung aus Glas oder Plexiglas, installiert werden. Nach Möglichkeit soll auf Bezahlen durch Bargeld durch entsprechende Hinweise verzichtet werden. Fall dies nicht möglich ist, soll eine geeignete Vorrichtung oder eine Ablagefläche die Übergabe des Geldes ohne Hautkontakt sicherstellen.
  • Hinweise für Kunden: Die Kunden werden durch gut sichtbare Informationen auf Hinweistafeln gebeten, folgende Regeln einzuhalten: Sie sollen stets Abstand von zwei Metern zu anderen Personen und möglichst viel Distanz zum Kassenpersonal halten. Es wird geraten, nur die Waren in die Hand zu nehmen, die auch gekauft werden sollen. Zudem werden einige Hygieneregeln erläutert.