Die Zornesfalten könnten ihm im Gesicht stehen, aber Bene Müller wirkt entspannt. Der Chef der Singener Firma Solarcomplex hatte bereits damit gerechnet, dass mit der Genehmigung des Windparks ‚Brand‘ auf Tengener Gemarkung nicht automatisch der Startschuss für den Bau der drei Windräder fallen würde.

Zwar gab es für die zehn Akteure der IG Hegauwind Grund zum Feiern, nachdem das Landratsamt Konstanz und das Regierungspräsidium in Freiburg die Genehmigung für den Bau von drei Windrädern erteilt hatten; vor Ablauf der Klagefrist wollte Müller jedoch nicht allzu euphorisch reagieren.

Wie sich jetzt zeigt, war die Vorsicht berechtigt. „Die Naturschutzinitiative Rheinland-Pfalz hat Klage gegen den Bau des Windparks eingereicht“, sagt Bene Müller. „Wir wissen, dass der Verband gegen Windkraftprojekte in ganz Deutschland klagt.“ Auch gegen das Windkraft-Projekt „Länge“, das ebenfalls von Solarcomplex projektiert und gebaut wird, hatte die Initiative aus Rheinland-Pfalz geklagt und letztendlich verloren. „Wir haben eineinhalb Jahre auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim gewartet“, berichtet Bene Müller. Ob der Fall „Brand“ auch so lange braucht, oder ob das Gericht schneller entscheidet, hängt nicht zuletzt von den personellen Ressourcen in Mannheim ab.

Wieder brauchen die Planer und Bauherren also Geduld. „Bei der ‚Länge‘ kommen wir auf elf Jahre von der Planung bis zur Realisierung“, sagt Bene Müller. „Der Windpark ‚Brand‘ könnte schneller gehen.“ Zu Beginn lief alles recht reibungslos. Tengen stellte das Grundstück zur Verfügung. Der Pachtvertrag mit der Stadt wurde bereits 2020 unterschrieben. Müller rechnet damit, dass auch die neueste Klage abgewiesen wird, weil sie sich nicht auf Naturschutzbelange stütze. Die Kläger monierten, dass die Abwägung zwischen Windpark und Landschaftsbild als fehlerhaft sei. „Ich halte das für ein sehr schwaches Argument, weil der Blick vom Napoleonseck in den Hegau nicht durch die Windräder gestört wird. Die liegen nämlich im Rücken der Betrachter“, sagt Müller. Trotzdem will er das mit dem Baustart verbundene Risiko nicht eingehen, sondern auf das Gerichtsurteil warten.

Hoffen auf Baustart im Oktober

Wie geht es nun weiter? „Im besten Fall können wir ab 1. Oktober 2025 mit der Rodung des Waldes beginnen“, erklärt Müller. Drei Hektar Wald müssen gerodet werden. Die Genehmigung dafür hat das Regierungspräsidium Freiburg erteilt. Für die Arbeiten gibt es aus Naturschutzgründen ein Rodungsfenster von Oktober bis Ende Februar. Im Frühjahr 2026 könnten dann die Fundamente gegosssen und im Herbst 2026 die Windräder in Betrieb genommen werden. Sollte das Gericht für seine Entscheidung eineinhalb Jahre benötigen und die Klage abweisen, so würde der Windpark erst im Herbst 2027 ans Netz gehen.

In seinem Büro in der Singener Ekkehardstraße zeigt Bene Müller, wo der Windpark „Brand“ auf Tengener Gemarkung geplant ist und wo die ...
In seinem Büro in der Singener Ekkehardstraße zeigt Bene Müller, wo der Windpark „Brand“ auf Tengener Gemarkung geplant ist und wo die Leitung zum Netzverknüpfungspunkt am Ballenberg verlaufen soll. Auf eine Klage gegen das Projekt reagiert der Chef von Solarcomplex mit Gelassenheit. | Bild: Trautmann, Gudrun

Falls die Kläger Recht bekommen, so ist das ganze Projekt gestorben. Die bisher angefallenen Planungs- und Gutachterkosten in Höhe von gut einer Million Euro würden dann an der IG Hegauwind hängenbleiben und auf die zehn Akteure verteilt. Um genau solche Risiken abzufedern, wurde die IG Hegauwind im Jahr 2012 gegründet. Müsste Solarcomplex die Kosten alleine tragen, so wäre das Risiko für das Unternehmen zu groß. Während die Verbandsklagen für die Kläger laut Müller im Fall der Niederlage nur ein paar Tausend Euro kosteten, „steht für uns viel mehr auf dem Spiel. Wir rechnen mit jährlich sechs Millionen Euro Einnahmen aus der Windkraft, die uns verloren gingen.“

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Seit der Gründung von Solarcomplex vor 25 Jahren hat sich Bene Müller, hat sich die Firma immer wieder in Geduld üben müssen. Das Ausbautempo der regenerativen Energien sei viel zu langsam. „Wir haben uns ein Stückweit mit dem Scheitern abgefunden“, sagt der Energie-Pionier. „Wir werden die Klimaschutzziele dieses Landes nicht erreichen. Der Windkraftausbau in Baden-Württemberg ist ein Desaster.“ Dagegen laufe die Stromversorgung durch Sonnenstrom immer besser. Außerdem hat das Unternehmen mittlerweile Wärmenetze in 20 Gemeinden gebaut.

Bald alle Plätze für Windenergie im Kreis ausgeschöpft

100 Millionen Euro will Solarcomplex in diesem Jahr in den Bau von erneuerbare Energie-Projekte investieren. Alleine 60 Millionen fließen in die Umsetzung des Windparks ‚Länge‘ bei Donaueschingen. Geplant ist außerdem ein Nahwärmenetz in Dingelsdorf, das mit einer Wärmepumpe aus dem Bodensee und Solarstrom betrieben werden soll. Der Ausbau von Windparks werde im Landkreis Konstanz in Ermangelung weiterer Standorte bald erledigt sein, sagt Müller. „Die vier Windräder auf dem Schienerberg werden kommen“, ist er sicher. Hier wartet man ebenfalls auf die Gerichtsentscheidung. Ein weiterer Park mit drei oder vier Rädern könnte auf Langwieden bei Engen entstehen. Mehr Standorte gibt es nicht.