Energiekrise, Flüchtlingskrise, Finanzkrise: Starten Sie noch optimistisch in den Arbeitstag?

Nach wie vor. Die Wolken, die aufziehen, bereiten einem Sorgen. Aber wir wollen die Stadt weiterhin mit viel Optimismus gestalten.

Wenn Sie aktuell wieder die Schulbank im FriWö drücken würden: Hätten Sie Angst, dass es Ihnen auf den Kopf tropft?

Hätte ich nicht. In den Klassenzimmern tropft es nicht runter. Es gibt ein paar Stellen, die am Dach undicht sind. Ich war selber auf dem FriWö und zu dieser Zeit hat es auch schon reingeregnet. Das Dach werden wir angehen, sobald der Zuschussbescheid da ist, vorher können wir nicht bauen. Wir werden das Thema Generalsanierung in den nächsten Jahren angehen. Aber auch das hängt damit zusammen, wie sich die finanzielle Situation der Stadt darstellt. Wir müssen bei ganz vielen Vorhaben in unserer Stadt auf Sicht fahren.

Wird dringend benötigt: Die Dachsanierung am Friedrich-Wöhler-Gymnasium.
Wird dringend benötigt: Die Dachsanierung am Friedrich-Wöhler-Gymnasium. | Bild: Matthias Güntert

Ist das frustrierend?

Die Stadt Singen geht es aktuell nicht schlecht. Wie sich das aber in den nächsten Monaten entwickelt, weiß kein Mensch. Wir werden mit dem Geld, das wir haben, so umgehen, dass wir schwierige Phasen gut überstehen können. Wir merken bei uns natürlich auch die Steigerungen bei Energie- und Baukosten. Die Baukosten lassen sich derzeit nicht mehr so gut kalkulieren – dabei war das immer eine unserer Stärken in Singen. Die Baumaßnahmen, die wir aktuell im Haushalt haben, werden wir umsetzen. Wir werden in Singen keinen Stillstand produzieren.

Sorgen Sie sich angesichts der angespannten Personalsituation in Kitas und Schulen um Singens Kinder?

Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Im Bereich Kitas ist es unser Bestreben, den Rechtsanspruch und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erfüllen. Wir spüren aber an allen Ecken und Enden den Fachkräftemangel. Viele Eltern sind darauf angewiesen, einen Betreuungsplatz für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen. Aber wenn wir dafür kein Personal kriegen, dann ist es schwierig, die Plätze voll zu machen. Es gibt für dieses Problem keine adäquate Lösung. Die Zahl der benötigten Erzieher hat sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Wir können gar nicht so viele Leute ausbilden, wie wir in den Einrichtungen brauchen.

Gab es schon erste Klagen bezüglich des Rechtsanspruches?

Wir haben bislang noch keine Klagen gehabt. Das kann aber noch kommen. Wir bemühen uns, diese zu verhindern, etwa im vergangene Jahr haben wir 3,5 Millionen Euro in Bauvorhaben investiert und dadurch mehr Plätze geschaffen.

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Mitten in der Flüchtlingskrise: Hat die Stadt Singen beim Neubau einer dritten Sporthalle zu viel Zeit verstreichen lassen?

Nein, haben wir nicht. Natürlich hätten wir die Halle schon früher gebaut, aber wir hatten das Geld nicht dafür. Wir haben einen Kuchen von Geld, den wir verteilen können. Da konkurrieren Projekte mit anderen Vorhaben wie Straßenbau und Kita-Plätzen. Für mich werden die Themen Sporthalle, Feuerwehr und der Neubau der Scheffelhalle auch weiterhin eine hohe Priorität haben.

Wieso sind wir bei der Flüchtlingskrise gefühlt keinen Schritt weiter als 2015?

Gute Frage, der Raum ist irgendwann endlich. Die Stadt Singen hat immer mehr gemacht als andere Kommunen. Aber die Belastungsgrenze der Stadt Singen ist überschritten. Wir haben deutlich mehr Kinder, die wir unterbringen müssen in Schulen und Kitas. Von Integration kann man bei dieser schieren Masse nicht mehr sprechen. Wir reden davon, diese Menschen unterzubringen, damit sie nicht auf der Straße stehen. Wir werden uns als Stadt Singen deshalb auch weigern, eine weitere Halle zur Verfügung zu stellen. Sollte es zu einer Beschlagnahme kommen, dann werden wir rechtliche Mittel einsetzen.

Eine Leichtbauhalle in der Radolfzeller Straße, wie hier aus dem Jahr 2015, soll es in Singen laut OB Bernd Häusler nicht mehr geben.
Eine Leichtbauhalle in der Radolfzeller Straße, wie hier aus dem Jahr 2015, soll es in Singen laut OB Bernd Häusler nicht mehr geben. | Bild: Tesche, Sabine

Wird es wieder eine Leichtbauhalle am Hohentwiel-Stadion geben?

Wir haben keine Fläche für eine Leichtbauhalle. Es wird kein Angebot der Stadt dazu geben. Wir haben unsere Solidarität über Jahre hinweg mehr als erfüllt.

Wo werden Sie 2030 ins Krankenhaus gehen? Singen oder Radolfzell?

Ich gehe davon aus, dass ich dann nach wie vor ins Krankenhaus am Standort Singen gehen kann.

Wie ist der Stand der Dinge beim Klinikneubau?

Die Ergebnisse der Bodenproben, die wir gezogen haben, liegen jetzt vor und die waren nicht schlecht. Laut der aktuellen Untersuchungen wäre ein Neubau dort möglich. Wir streben für die jetzige Klinik aber natürlich auch eine Nachfolgenutzung an – etwa das Thema Wohnen. Das Haus hat eine tolle Lage. Dafür könnten wir das Parkhaus nutzen. Die Investition des Parkhauses vor 13 bis 14 Jahren hat sich gelohnt. Bis das Krankenhaus an einem neuen Standort ist, brauchen wir das Parkhaus ohnehin. Zudem hat der Kreistag ein Gutachten beauftragt, das prüfen soll, ob der Alt-Standort in Singen mit eventuell weniger Geld zukunftsfähig gemacht werden kann. Heute weiß keiner, ob wir in den kommenden Jahren überhaupt dann finanziell in der Lage sind, ein Haus für mehrere Hundert Millionen Euro bauen zu können. Aktuell gehen wir zwar davon aus, aber 100-prozentig sagen, können wir dies nicht. Das Krankenhaus hat allerhöchste Priorität. Wir bieten in Singen einen guten Standort für alle Gemeinden im Landkreis Konstanz an.

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Und bis dahin?

Es geht jetzt auch darum, das Haus baulich in einen guten Zustand zu versetzen, denn es muss auch weiterhin Geld in das Krankenhaus in Singen fließen. Wir werden auch in den nächsten Jahren am Standort Singen eine gute medizinische Leistung erbringen. Wir sind das zentrale Haus im Landkreis Konstanz mit den meisten Betten und einer hervorragenden medizinischen Versorgung.

Kann sich der Landkreis ein solches Millionen-Projekt leisten?

Da mache ich mir aktuell Sorgen. Nach diesem Winter werden wir vielleicht eine ganze andere Sicht auf das Projekt haben. Wenn es schwieriger wird, müssen wir schauen, dass wir mit dem Geld das bestmögliche erreichen können.

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Hat sich der zweite Standort der Singener Feuerwehr bewährt?

Für ein Fazit ist es noch zu früh. Aber vom Grundsatz her funktioniert es ganz gut. Im ersten Quartal 2023 können wir mehr sagen. Aber diese Auswertung kann Auswirkungen auf den Neubau haben. Dann müssen wir nämlich nicht in der Dimension bauen, wie es bisher geplant war. Eine Variante könnte ein Neubau am jetzigen Standort in der Hauptstraße sein, der dann durch einen Ausrückestandort in der Singener Südstadt unterstützt wird. Ich finde, dass das eine hervorragende Lösung wäre.

Ist der bisher favorisierte Neubau am FC-Stadion damit vom Tisch?

Das kann durchaus sein. Der Standort in der Innenstadt liegt ideal. Aber der Flächenbedarf für einen neuen optimierten Standort ist am Alt-Standort eigentlich nicht realisierbar. Wir wollen auf jeden Fall ein neues Feuerwehrgerätehaus bauen, aber wir müssten nicht in der Größe bauen, wenn wir zwei Standorte haben. Positiv wäre: Wenn wir am jetzigen Standort bauen, können wir in der Bauphase mit einem Großteil der Fahrzeuge in den Standort-Süd umziehen.

Am Praxedisplatz könnte nach dem Wunsch von OB Bernd Häusler ein Kreisverkehr die Verkehrssituation entzerren.
Am Praxedisplatz könnte nach dem Wunsch von OB Bernd Häusler ein Kreisverkehr die Verkehrssituation entzerren. | Bild: Matthias Güntert

Warum braucht der vorhandene Praxedisplatz einen Kreisel und wann kommt er?

Der Praxedisplatz ist für den Autoverkehr nicht glücklich, der Verkehr fließt dort nicht ab und man steht zu lange. Auch Fußgänger und Radfahrer warten durch die Ampelschaltung ewig. Ein Kreisverkehr könnte dort eine Verbesserung bringen. Der Auftrag für eine Planung ist vergeben. Ziel ist es, 2024 – wenn die Ergebnisse eine Verbesserung nachweisen – den Kreisverkehr auf den Weg zu bringen.

Immer noch optimistisch?

Ich bin Optimist! Wir sind als Stadt gut aufgestellt.