Mehr als ein Jahr stehen sie nun schon da, die Marktwieber. Nein, das ist keine despektierliche Bezeichnung für Frauen, die auf dem Wochenmarkt einkaufen oder dort Waren verkaufen. Und wenn es sich um echte Frauen handeln würde, könnten sie kaum so lang ununterbrochen irgendwo stehen. Marktwieber ist der Titel einer Skulptur des Singener Künstlers Gero Hellmuth, die ihren Platz passenderweise beim Singener Marktplatz, direkt vor der Herz-Jesu-Kirche, gefunden hat. Aufgestellt wurden die beiden Bronzefiguren im Mai 2022. Doch seit Kurzem ist etwas anders.
Aufmerksamen Beobachtern fällt auf: Eine der beiden Figuren hat nun eine Art Verband am ausgestreckten Zeigefinger. Und das nicht etwa, weil dem Bronzefinger etwas passiert wäre, sondern damit durch diesen Finger nicht anderen etwas passiert. Denn mehr als ein Jahr nach ihrer Aufstellung wird die Figur nun offenbar als Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit gesehen, vor allem für Kinder.
So berichtet es Künstler Gero Hellmuth, der nach eigenen Angaben Post von der Stadtverwaltung bekommen hat. Der ausgestreckte Finger der Figur sei zu spitz, liege noch dazu genau auf Gesichtshöhe für Kinder – daher die Absicherung. Wobei Hellmuth leicht belustigt hinzufügt, dass ein erster Verband für den Finger in der vergangenen Woche wohl nach einem Tag schon wieder gefehlt habe. Daher nun die aktuelle solidere Ausführung.
Im Sinne der Kunst oder der Sicherheit?
Was steckt dahinter? Die Pressestelle der Stadtverwaltung weiß es. Ein Marktbeschicker habe beobachtet, wie sich Kinder am ausgestreckten Zeigefinger der Figur den Kopf stoßen, heißt es dort. „Und bevor Schlimmeres passiert (beispielsweise mit Kinderaugen) wollen wir dafür sorgen, dass das Marktweib vom Künstler Gero Hellmuth so umgestaltet wird, dass sich niemand daran verletzen kann“, so die Antwort der Verwaltung weiter. Bis dahin werde der Finger entsprechend gesichert.
Der Künstler selbst zeigt Einsicht. „Wenn wirklich etwas passieren sollte, würde ich mir große Vorwürfe machen“, sagt er. Er werde daher den Finger des Anstoßes umarbeiten, und zwar zu einer geballten Faust. Die Gießerei habe ihm schon Entgegenkommen signalisiert und wolle die Änderung vor Ort in Singen erledigen.
Der Arm soll aber ausgestreckt bleiben. Denn dieser samt der Zeigebewegung bedeutet in der Skulptur die Wut der Marktfrau über den Hund der bronzenen Kundin, der das Bein an einem Marktstand gehoben hat. Genau diese Dynamik werde durch die Umarbeitung geschwächt, sagt Hellmuth, der die Änderung daher auch bedauert: „Das ist nicht im Sinne der Kunst.“ Doch bis die Änderung geschafft ist, werde es noch dauern. Gero Hellmuth: „Der Finger wird in dieser Art dem Publikum noch für eine Weile gegönnt.“