Narrenbrunnen auf dem Rathausplatz, Marktwieber auf dem Herz-Jesu-Platz und mehr als 30 Bühnenbilder für die Narrenspiegel der Poppele-Zunft: Für diese Werke kennen und schätzen die meisten Menschen in und um Singen den Künstler Gero Hellmuth. Doch es gibt auch eine andere Kunst des Gero Hellmuth. Eine Kunst mit politischem Anspruch und einer Botschaft, die sich gegen das Vergessen stemmt. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist das Leid der Menschen im Zweiten Weltkrieg, konkret der Insassen der nationalsozialistischen Konzentrationslager.
Hellmuth beschreibt als Initialzündung für seine Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg den 50. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Dieser wurde im Jahr 1995 begangen. Begleitet war der Jahrestag von zahlreichen Dokumentarfilmen, die Hellmuth stark bewegt haben. Auf den gezeigten Bildern seien die Häftlinge aus dem Lager gewankt. „Sie waren gar nicht mehr in der Lage, sich über die Befreiung zu freuen“, erinnert sich der Singener Künstler: „Das hat mich so beeindruckt und bewegt, dass ich mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, gegen den Krieg arbeiten wollte.“
Es entstanden Werke wie der Hiob-Zyklus oder das Auschwitz-Triptychon – im wahrsten Wortsinne schwere Werke, denn sie setzen sich nicht nur künstlerisch mit menschlichem Leid auseinander und mahnen gegen das Vergessen. Große Teile davon bestehen aus Metall und wiegen rein materiell schon viel.
Vieles ist schon für die Danziger Ausstellung verpackt
Diese Kunst befindet sich in Hellmuths Atelier in der Singener Innenstadt. Doch ein großer Teil davon ist derzeit verpackt. Denn Hellmuth bereitet seine Werke für die nächste Ausstellung vor. Und diese findet in Polen statt, genauer gesagt im Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Das Museum hat er schon mehrfach besucht, angesichts der Ausstellung über das nationalsozialistische Deutschland habe er eine große Beklemmung erfahren: „Die Darstellung ist sehr realistisch, man fühlt sich zurückversetzt in die damalige Zeit.“ Hellmuth charakterisiert die Werke, die er nach Danzig mitnimmt, so: „Jedes ausgestellte Bild ist ein Schrei gegen den Krieg.“

Ein weiterer Hintergrund für diesen Teil von Gero Hellmuths Kunst ist auch seine eigene Erfahrung als Kriegskind. Denn er wurde 1940 in Mecklenburg geboren. Bei Kriegsende 1945 war Gero Hellmuth also fünf Jahre alt. Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in den Ostteil Deutschlands seien seine Eltern mit ihm nach Schleswig-Holstein geflohen, wo die Familie Verwandte hatte. Dort seien sie dann auch zunächst untergekommen. Obwohl er in dieser Zeit von den Eltern vergleichsweise behütet worden sei, hätten ihn diese Erlebnisse tief beeindruckt: „Auch die Worte der Erwachsenen: nie wieder Krieg.“
Auch jetzt ist Hellmuth der Meinung, dass man Frieden nur schaffen könne, indem man miteinander rede. Nicht durch Raketen. Aber er schränkt ein: „Im Ukraine-Krieg kann man nicht verhandeln, denn bei einer Seite ist die Bereitschaft dazu nicht vorhanden.“
Für Ansprachen hat Gero Hellmuth auch Polnisch gelernt
Wie kam es nun zu der Ausstellung an diesem nicht alltäglichen Ort in Danzig? Die Vorgeschichte hat mit Andreas Jung zu tun, dem Bundestagsabgeordneten der CDU, der den Wahlkreis Konstanz im Bundestag vertritt. Er habe den Weg freigemacht für eine Ausstellung von Hellmuths Werken in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Dort habe er den polnischen Botschafter kennengelernt, der den Weg für eine Ausstellung in Stettin im Jahr 2018 ebnete. Und dort wiederum habe die deutsche Generalkonsulin in Danzig einführende Worte gesprochen. Sie sei so beeindruckt gewesen, dass sie Hellmuths Kunst auch in Danzig habe zeigen wollen.
Am 14. Juli wird die Ausstellung eröffnet. Anlässlich der Schau werde er sein Auschwitz-Triptychon dem polnischen Staat schenken, als Geste der Versöhnung, die auch freudig aufgenommen worden sei. „Es geht mir darum, Dialog und Frieden zu schaffen“, sagt der Künstler beim Gespräch in seinem Atelier. Und dazu trage auch bei, dass er Reden bei Ausstellungen auf Polnisch halte. Das habe er aus diesem Anlass gelernt, erzählt er: „Und das weiß man in Polen sehr zu schätzen, wenn ein Deutscher das tut.“ Für Verständigung und gegen das Vergessen.