Es hat für einiges Aufsehen gesorgt, als der überregional bekannte Neurochirurg Bahram Hashemi Mitte Juli 2021 seine Praxis in den Räumen des Singener Krankenhauses schloss. Von einem Tag auf den anderen brach ein wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung in der ganzen Region weg. Und die Schließung betraf nicht nur die Menschen, die sich ambulant von Hashemi behandeln ließen. Der Neurochirurg stellte über einen Kooperationsvertrag auch einen großen Teil der neurochirurgischen Versorgung am Singener Krankenhaus sicher.

Genau diese Kooperation hatte der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) im Mai 2021 gekündigt – und zwar fristlos und hilfsweise auch fristgerecht, wie GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber damals erklärte. Ohne die Möglichkeit, operieren zu können, ergebe es auch keinen Sinn, die Praxis weiter zu betreiben, sagte Hashemi damals. Aufgrund verschiedener Dinge sei das Vertrauensverhältnis zerrüttet, ließ sich Sieber damals zitieren.

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Schon damals war öffentlich bekannt, dass der Neurochirurg schwerwiegende, aber am Ende laut Sieber haltlose Vorwürfe gegen andere Ärzte im Krankenhaus und außerhalb des Krankenhauses erhoben habe. Was konkret vorgefallen war, dass der GLKN zu dem drastischen Schritt der fristlosen Kündigung griff, war bislang nicht öffentlich bekannt. Bis zu einem Gerichtsverfahren, das kürzlich vor dem Singener Amtsgericht stattfand.

Prozess enthüllt neue Details

Die wenigen Besucher im Saal bekamen dabei schier Unglaubliches zu hören. Zur Verhandlung kamen mehrere Vorfälle aus der ersten Jahreshälfte 2021, also aus der Zeit, die dem Ende der Zusammenarbeit zwischen Hashemi und dem Krankenhaus unmittelbar vorausging. Auf der Anklagebank saß neben dem 1963 geborenen Arzt eine junge Frau, die zur Tatzeit 20 Jahre alt und damals laut den Informationen bei Gericht mit dem Arzt liiert war. Beide hatten bekannte Strafverteidiger der Region an ihrer Seite, nämlich Sylvester Kraemer für Hashemi und Björn Bilidt für die Mitangeklagte.

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Die Taten, die ihnen vorgeworfen wurden, hätten Existenzen zerstören können. Die Staatsanwaltschaft Konstanz, vertreten durch Frank Bauer, warf der jungen Frau vor, im Februar 2021 bei der Polizei eine Anzeige erstattet zu haben. Deren Inhalt: Zwei überregional bekannte Ärzte hätten sie mehrfach einzeln, in manchen Fällen sogar gemeinsam vergewaltigt.

Zwei Ärzte wurden zu Unrecht beschuldigt – das war der Angeklagten von Anfang an klar

Das Unglaubliche: Die Frau wusste, dass diese Vorwürfe nicht stimmen. Dies gestand sie nun vor dem Amtsgericht Singen vollumfänglich über eine Erklärung ihre Verteidigers – inklusive dem Zusatz, dass sie damit ihrem damaligen Lebensgefährten einen Gefallen habe tun wollen. Während des Prozesses brach sie immer wieder in Tränen aus und entschuldigte sich bei den beiden geschädigten Ärzten, die als Nebenkläger auftraten und auch als Zeugen aussagten.

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Dem angeklagten Neurochirurgen Hashemi warf die Staatsanwaltschaft vor, die Frau zu dieser wahrheitswidrigen Aussage angestiftet zu haben. Ein Motiv machte Staatsanwalt Bauer auch aus: Hashemi habe seinem Konkurrenten Aram Bani schaden wollen, der einer der beiden beschuldigten Ärzte war. Bani ist selbst niedergelassener Neurochirurg in Singen und hat ebenfalls mit dem Krankenhaus kooperiert. Der zweite Arzt, den die Frau beschuldigte, arbeitet an hochrangiger Position im Singener Krankenhaus.

Auch diese beiden Ärzte hatten hochdekorierte Anwälte als Nebenklagevertreter an ihrer Seite, nämlich Florian Zenger, der seine Kanzlei in München hat und auch als Professor an der Polizeihochschule Baden-Württemberg tätig ist, für Bani und Bernd Behnke, der unter anderem auch Nebenklagevertreter im NSU-Prozess war, für den zweiten zu Unrecht beschuldigten Arzt.

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Der GLKN hat diesen Arzt offenbar unterstützt und nach den Vorwürfen nicht freigestellt. Zurecht, wie nun auch gerichtlich festgestellt wurde. Denn der Prozess unter Leitung von Richterin Anke Baumeister machte nun unmissverständlich klar, dass die beiden Nebenkläger zu Unrecht beschuldigt wurden und sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen.

Mit dem Vorwurf der Anstiftung zur Falschaussage nicht genug, legte der Staatsanwalt Hashemi außerdem zur Last, Bani in einer E-Mail beleidigt zu haben, die er noch dazu an mehrere ärztliche Kollegen und den Geschäftsführer des GLKN geschickt haben soll.

Geschichte mit Prostituierter, die nie so passiert ist

Der dritte Vorwurf der Ermittler gegen Hashemi lautete auf Behauptung unwahrer Tatsachen gegenüber einem Zeugen. Er soll eine Geschichte rund um eine angebliche Prostituierte weitererzählt haben, mit deren Diensten andere erpresst werden sollten. Auch diese Geschichte richtete sich gegen Bani. Was darin behauptet wurde, ist allerdings nie passiert.

Trotzdem hatte sich die Geschichte laut den Informationen bei Gericht weiter im Singener Krankenhaus herumgesprochen. Eigentlich hätten all diese Vorwürfe per Strafbefehl geahndet werden sollen, wären also ohne Verhandlung mit einer Geldstrafe abgegolten gewesen. Zur Hauptverhandlung kam es, weil Widerspruch gegen diesen Strafbefehl eingelegt wurde.

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Richterin Baumeister kam nach der Beweisaufnahme zu folgendem Urteil: Die junge Angeklagte, die derzeit von Ausbildungslohn lebt, erhielt nach Jugendstrafrecht eine Verwarnung mit Geldauflage. Sie muss 3000 Euro in Raten zu je 250 Euro an das Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf in Stockach-Wahlwies zahlen.

Teures Urteil für den Neurochirurgen

Der Arzt wurde, entsprechend dem Antrag des Staatsanwaltes, zu 120 Tagessätzen à 500 Euro verurteilt. Das Urteil erstreckte sich allerdings nur auf die beleidigende E-Mail und auf die unwahre Tatsachenbehauptung der Prostituierten-Geschichte. Zum gravierendsten Punkt, der Anstiftung der jungen Frau zur Falschaussage, sagte Baumeister: „Ich kann nicht nachweisen, dass er der Auslöser dafür war, dass sie zur Polizei geht.“ Darüber hinaus hätte er zu diesem Zeitpunkt wissen müssen, dass die Geschichte der Mitangeklagten falsch ist.

Für eine Verurteilung wegen Anstiftung hätte es eine entsprechende Aussage der Frau gebraucht, die sie allerdings nicht machte. Abgesehen von Verteidigererklärungen machte sie keine Angaben zur Sache. In diesem Punkt wurde Hashemi also freigesprochen – „auch wenn es für die Nebenkläger bitter ist“, wie Baumeister einräumte.

Nächste Runde kündigt sich an

Für den Angeklagten bedeutet das Urteil, dass er vom schwerwiegendsten Vorwurf freigesprochen wurde, entsprechen begrüßte sein Verteidiger Sylvester Kraemer diesen Teil des Urteils. Der Vorgang dürfte die Justiz allerdings weiter beschäftigen. Kraemer hat angekündigt, Rechtsmittel gegen die beiden anderen Bestandteile des Urteils einzulegen. Und auch von der Seite der beiden Nebenkläger wurde angekündigt, dass man Rechtsmittel einlegen werde.