Was wiegt schwerer, das Landschaftsbild oder die Erzeugung von erneuerbarer Energie? Je nachdem, wen man fragt, fällt die Antwort unterschiedlich aus – vor allem bei Windkraft. Doch wie umstritten ist Windkraft in der Region heute wirklich? Ein Blick auf Argumente und Stimmungen.

Einer, den man unumwunden als Windkraftkritiker bezeichnen kann, ist Martin Fehringer aus Gottmadingen. Er bezeichnet sich selbst als ehrenamtlichen Artenschützer und hat sich tief in Themen des Umwelt-, Arten- und Landschaftsschutzes eingearbeitet. Eigentlich wehe zu wenig Wind im Hegau, sagt er. Solarstrom für den Eigenverbrauch, wie es viele Unternehmen machen, ergebe da mehr Sinn. In Richtung Fotovoltaik weist auch der Beschluss des Öhninger Gemeinderats, eine 7,6 Hektar große Freiflächen-Solaranlage westlich von Schienen zuzulassen.

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Beim geplanten Windpark Brand auf Tengener Gemarkung kritisiert Fehringer, dass die Standorte für alle drei Windräder im Wald seien, also Bäume gefällt werden müssen. Auch der Zugang über Wirtschaftswege und die Nähe zum bekannten Aussichtspunkt Napoleonseck stören ihn. Wolfgang Kramer, ehemals Kreisarchivar und heute Vorsitzender des Hegau-Geschichtsvereins, hat sich kürzlich ebenfalls mit dem Wunsch zu Wort gemeldet, die drei Windräder, die im Gebiet Brand entstehen sollen, zu verschieben, um das Bild der Hegau-Vulkane nicht zu stören.

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Den Blick auf die Hegauberge sieht Bene Müller allerdings ohnehin nicht gefährdet. Müller ist Geschäftsführer des Singener Bürgerunternehmens Solarcomplex, das den Windpark Brand im Auftrag der Betreibergruppe Hegauwind projektiert, zu der regionale Stadtwerke, aber auch die Genossenschaft Bürgerenergie Bodensee gehören. Die Anlagen stünden gewissermaßen im Rücken des Aussichtspunktes Napoleonseck, der Blick nach Süden bleibe frei, so Müller. Und im Übrigen könne man vom Alten Postweg aus auch eine Hochspannungstrasse sehen, an die alle gewöhnt seien. Vielleicht gewöhne man sich an die Windkraftanlagen ebenfalls.

Auch die Windräder, die möglicherweise am Schiener Berg entstehen, stören Martin Fehringer. Der Berg sei nicht umsonst ein Landschaftsschutzgebiet, sagt er. Unter anderem gebe es dort viele seltene Tiere wie Luchs oder Rotmilan. Windräder dort wären weithin sichtbar, weshalb Fehringer davon ausgeht, dass viele Menschen im Hegau dagegen sein werden. Bene Müller erklärt dazu auf Anfrage, dass der Status als Landschaftsschutzgebiet nicht gefährdet sei. Ein Landschaftsschutzgebiet sei bereits jetzt kein „hartes Ausschlusskriterium für einen Windpark“.

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Solarcomplex-Chef macht einen grundsätzlichen Punkt

Der Chef von Solarcomplex, das zahlreiche Anlagen der erneuerbaren Energieerzeugung projektiert und an ihnen beteiligt ist, reagiert auf Argumente von Windkraft-Kritikern mitunter leicht genervt – und macht einen anderen, grundsätzlicheren Punkt: „Es geht um Versorgungssicherheit und Klimaschutz.“ Müller sieht im Argument des Landschaftsschutzes eine „Arroganz der Diskussion“: „Soll es dann in anderen, stärker belasteten Regionen noch mehr Windkraft geben, weil es bei uns so schön ist?“, lautet seine rhetorische Frage. Auf Dauer könne es einfach nicht so bleiben, dass man etwa auf der Höri keinen Windstrom produziert. Seine Einschätzung lautet: In drei Vierteln von Deutschland sei die Diskussion schon abgehakt, „da stehen die Windparks“.

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Doch Bene Müllers Eindruck ist ohnehin, dass der Widerstand gegen Windenergie abnimmt. Er sei in vielen Gemeinderäten unterwegs. Auch Bürgermeister oder Gemeinderäte, die vor ein paar Jahren noch strikt gegen Windkraft gewesen seien, hätten ihre Meinung inzwischen geändert: „Jetzt sehen sie ein, dass man handeln muss.“ Einer, der diese Beobachtung teilt, ist Johannes Moser. Er ist Bürgermeister von Engen und Vorsitzender des Gemeindetags im Kreis Konstanz – unter den Amtskollegen also bestens vernetzt. „Es gab bei Bürgermeistern und Gemeinderäten einen Anteil an Windkraft-Skeptikern. Das hat sich gewandelt“, sagt er. Er selbst sei auch kein Freund der Optik von Windrädern, gibt Moser zu. Und er könne auch jeden verstehen, der Windräder auf dem Schiener Berg nicht gerne sehen will. Aber: „Wir brauchen einen Energiemix und regenerative Energien.“

Auch Autobahnbrücken sind nicht schön

Autobahnbrücken seien auch nicht gerade schön, sagt er als Bürgermeister einer Kommune, auf deren Gebiet zwei solcher Brücken liegen. Doch manches müsse man eben akzeptieren. Auch dazu hat Moser einen markanten Satz parat: „Wenn man es als Gesellschaft will, muss man es auch umsetzen.“ Zum Beispiel an den wenigen Standorten im Landkreis, die dafür sinnvoll seien, mit Windkraft Strom erzeugen. Dass das auch dann noch rentabel geht, wenn man keine Toplage wie im Schwarzwald hat, zeige der Windpark Verenafohren, so Moser. Doch er erklärt auch, dass Windenergie mit den steigenden Strompreisen immer rentabler werde – übrigens genau wie andere erneuerbare Energien: Auch für Privatleute werde es immer interessanter, Solarstrom zu produzieren. Dabei geht die Stadt Engen über ihre Stadtwerke selbst in die Investition, denn die Stadtwerke Engen gehören zur Gruppe Hegauwind. Das sei auch wichtig, damit die Gemeinde selbst Einfluss beispielsweise auf die Technik nehmen könne.

Und der Solarstrom? „Man wird beides brauchen“, sagt Moser dazu. Der Klimawandel sei bekanntlich durch fossile Brennstoffe entstanden. „Dann muss man schauen, dass man Fotovoltaik und Windkraft möglichst schnell zur Genehmigung bringt.“ CO2-Emissionen bis 2030 stark zu reduzieren und fünf bis sieben Jahre für die Genehmigung eines Windrads zu brauchen, passe allerdings nicht zusammen, so Moser – vor allem die Vorschriften zum Naturschutz seien in dieser Hinsicht ein Hemmnis.