Mehr als 1000 Grad heißes flüssiges Metall, das in Gussformen fließt. Hunderte von aus Sand gefertigten Kernen, die Hohlräume in der Gussform freihalten. Sprühende Funken, wenn flüssiges Eisen und Magnesium sich in einem Konverter vermischen. All das bekommt man zu sehen, wenn man durch die Werkshallen von Fondium in Singen geht. Soll das alles der Vergangenheit angehören? Matthias Blumentrath, geschäftsführender Gesellschafter bei Fondium, und eine Menge anderer Menschen im Unternehmen möchten den Betrieb erhalten. Dennoch schwangen in Blumentraths Vortrag einige Sorgen darüber mit, als er Verena Hubertz und Lina Seitzl die Lage des Unternehmens schilderte.

Schwerindustrie in Singen: Flüssiges Eisen fließt aus einem Konverter ab zur Weiterverarbeitung.
Schwerindustrie in Singen: Flüssiges Eisen fließt aus einem Konverter ab zur Weiterverarbeitung. | Bild: Freißmann, Stephan

Hubertz ist eine stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Seitzl ist Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Konstanz. Auf Einladung von Seitzl sei sie bei Fondium zu Gast gewesen, erzählt Hubertz am Ende des Termins. Denn da sie im Fraktionsvorstand unter anderem für Wirtschaft zuständig ist, sei es ihr wichtig, interessante Pilotprojekte selbst zu erleben. Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung, also die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sind derzeit große Themen. „Wie kann man den Wandel so gestalten, dass es für alle gut ist?“, stellte sie als Leitfrage.

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Zu erleben gab es beim Werksrundgang einiges. Und zu hören. Denn auch für Fondium als Automobilzulieferer ist die Dekarbonisierung das beherrschende Thema: „Wir wollen bis 2030 klimaneutral sein“, sagt Blumentrath. Das würden auch die Kunden in der Automobilindustrie verlangen.

Doch sobald man genauer hinschaut, wird klar, dass der Weg zur Klimaneutralität voller Haken und Ösen ist – die in Blumentraths Darstellung die Industrieproduktion in Deutschland unrentabel machen könnten. Denn die Kunden würden sich im Zweifelsfall eben doch für den günstigeren Lieferanten entscheiden, auch wenn die Teile um die halbe Welt transportiert werden müssten, ließ Blumentrath durchblicken.

Gruppenbild vor der Werksbesichtigung bei Fondium (von links): Berthold Jörke (Vorsitzender SPD Singen), Wilfried Trah (Singen aktiv), ...
Gruppenbild vor der Werksbesichtigung bei Fondium (von links): Berthold Jörke (Vorsitzender SPD Singen), Wilfried Trah (Singen aktiv), Michael Spannbauer (Fondium) Lina Seitzl (SPD-Bundestagsabgeordnete), Matthias Blumentrath, Frank Klooß (beide Fondium), Verena Hubertz (stellvertretene SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende), Sabine Rein (Präsidentin HTWG Konstanz), Stefan Stieglat (Transfermanager Reallabor) und Gunnar Schubert (Vizepräsiedent HTWG). | Bild: Freißmann, Stephan

Beihilfe soll wettbewerbsfähig machen. Doch Fondium bekommt sie nicht

Dabei landet man schnell im Kleingedruckten, etwa bei der Strompreiskompensation. Laut der Deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt soll diese Beihilfe dazu dienen, stromintensive Unternehmen international wettbewerbsfähig zu halten im Vergleich zu Konkurrenten, die keine CO2-Kosten für ihren Strom bezahlen müssen. 60.000 Euro habe man für Gutachten ausgegeben, um den Antrag zu stellen, erklärt Blumentrath.

Blick auf den Kupolofen, das Herzstück der Schmelzerei bei Fondium. Hier werden Eisenschrotte eingeschmolzen.
Blick auf den Kupolofen, das Herzstück der Schmelzerei bei Fondium. Hier werden Eisenschrotte eingeschmolzen. | Bild: Freißmann, Stephan

Drei Wochen vor Antragstellung sei dann ein Schreiben gekommen, wonach Gießereien mit Kupolöfen von der Strompreiskompensation ausgeschlossen seien – einen solchen Ofen betreibt Fondium. „Wir ersticken in Bürokratie“, brachte es der Geschäftsführer auf den Punkt.

Die Umrüstung auf eine Elektroschmelze sei keine Lösung. Denn die Umrüstung würde allein 100 Millionen Euro kosten – aus den eigenen Gewinnen nicht zu stemmen. Und der CO2-Fußabdruck würde sich erst bei 95 Prozent Ökostrom verringern. Zum Vergleich: Schon jetzt verbrauche das Unternehmen so viel Strom wie alle Singener Privathaushalte zusammen, so Blumentrath. Würde der Kupolofen durch eine Elektroschmelze ersetzt, würde sich der Stromverbrauch vervierfachen: „Das käme aus konventionellen Kraftwerken.“ Um den CO2-Ausstoß zu senken, setze das Unternehmen auch auf Biokoks.

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Schmelzerei-Leiter Robert Greibig erklärte bei dem Rundgang, wie das funktioniert. Grünabfälle werden demnach per Pyrolyse zu einem kohlenstoffhaltigen Pulver gemacht, aus dem Briketts geformt werden. Bislang könne man damit aber nur einen Teil des Kokses ersetzen, seine Hoffnung ruhe nun auf der nächsten Entwicklungsstufe, so Greibig. Wie steht die Politik dazu? Das war eine der entscheidenden Fragen, die Blumentrath formulierte.

„Sie sehen einen etwas verzweifelten Unternehmer.“ Matthias Blumentrath, ein Inhaber von Fondium (Archivbild)
„Sie sehen einen etwas verzweifelten Unternehmer.“ Matthias Blumentrath, ein Inhaber von Fondium (Archivbild) | Bild: Dieter Ruoff

Und noch einen Punkt hatte er auf der Wunschliste, nämlich das CO2 des Unternehmens auffangen und für die eigene Produktion verwenden zu können, um den CO2-Fußabdruck zu verringern: „Wenn das nicht kommt, wird sich die Industrie hier stark reduzieren.“ Er schloss seinen Vortrag so: „Sie sehen einen etwas verzweifelten Unternehmer.“

Arbeitnehmervertreter unterstützt den Kurs der Unternehmensleitung

In die gleiche Richtung argumentierte Michael Spannbauer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Fondium. Demonstrativ stellte er sich hinter den Kurs der Unternehmensleitung. Doch ohne die Politik gehe nichts, so Spannbauer: „Die Hersteller knebeln uns nach allen Regeln der Kunst“, sagte er. Und dann gebe es auch noch die – berechtigten – Lohnforderungen der Gewerkschaft. Da frage sich ein Unternehmer schon, wie er das bezahlen solle. „Wir brauchen Spielraum“, appellierte Spannbauer. Und ergänzt: Politiker nähmen immer viel mit, „aber Ergebnisse wären auch schön“. Frederic Striegler, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall in Singen, unterstützte das. Alle Gießereien in seinem Bezirk hätten Abweichungen vom Tarifvertrag aushandeln müssen: „Sie schaffen es nicht mehr.“

Seitzl und Hubertz signalisierten, dass sie die Anliegen in die Parlamentsarbeit mitnehmen werden. Die SPD wolle einen Industriestrompreis erreichen, am besten europaweit, sagte Hubertz. Sie erwähnte Klimaschutzdifferenzverträge, dank denen staatliche Hilfen fließen, wenn energieintensive Unternehmen Klimaschutzmaßnahmen vorziehen. Ein Pilotprogramm sei in Arbeit, informiert das Bundeswirtschaftsministerium. „Die Strompreiskompensation nehme ich mit ins Wirtschaftsministerium“, sagte Hubertz auch noch.

In der Gießerei können auch schonmal Funken sprühen: Das flüssige Eisen vermischt sich in diesem Konverter mit Magnesium – ein ...
In der Gießerei können auch schonmal Funken sprühen: Das flüssige Eisen vermischt sich in diesem Konverter mit Magnesium – ein Verfahren, das bei Georg Fischer, dem Gründerunternehmen der Singener Eisengießerei, entwickelt wurde. | Bild: Freißmann, Stephan

Und sie nehme den vehementen Wunsch des Bürokratieabbaus mit: „Das nervt uns alle. Wir können uns nicht zu Tode verwalten.“ Dabei blickte sie auch auf ihre eigene Zeit als Unternehmensgründerin zurück. Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler zeigte sich in seinem Grußwort allerdings skeptisch. Man höre seit Jahrzehnten, dass man Bürokratie abbauen wolle, es sei aber immer mehr geworden: „Auch Kommunen müssen das ertragen.“ Hubertz bekräftigte: Diese Punkte werde sie gegenüber Wirtschaftsministerium und Kanzleramt vertreten.