Zuletzt hatte Stefan Burger morgens vier gute Möglichkeiten, um per Bahn von seinem Wohnort Gottmadingen zum Arbeitsplatz in Ludwigshafen am Bodensee zu kommen. Seit dem Fahrplanwechsel kurz vor Weihnachten ist deren Zahl auf nur eine geschrumpft, wie er beklagt. Alle anderen Verbindungen sind mit langen Wartezeiten oder sehr knappen Umstiegen verbunden, berichtet Burger. Denn Züge würden nun an anderen Bahnsteigen halten als zuvor. Das selbe Problem gebe es auch auf dem Rückweg vom See-Ende in den Hegau.
Wie attraktiv ist Bahnfahren in der Region?
Burger schimpft nun über den schlechtesten Fahrplan seit 1995, seit er die Bahn für den Arbeitsweg nutzt. Und er macht sich Gedanken darüber, wie attraktiv der Bahnverkehr in der Region ist. Exakt den gleichen Arbeitsweg von Gottmadingen nach Ludwigshafen haben nur wenige, das ist auch ihm klar. Doch für ihn zählt der generelle Punkt: „Die Linie sollte Hegau und Bodenseeraum verbinden.“ Aktuell sei das unattraktiv und funktioniere nicht gut, ärgert sich Burger: „Wer weiß, wie viele Menschen deswegen gar nicht erst per Bahn pendeln?“
In der Gemeindeverwaltung von Bodman-Ludwigshafen ist Burger seit Anfang des Jahres für Baurecht und Grundstücksangelegenheiten zuständig, zuvor hat er seit 1995 das Hauptamt geleitet. Man darf also davon ausgehen, dass er sich mit Bürokratie und Verwaltungsvorgängen auskennt und daher einige Geduld mitbringt. Und seine Arbeit ist mit viel Papierkram am Schreibtisch und mit Abendterminen, etwa für Gemeinderatssitzungen, verbunden.
Rhyhas, Seehas oder Schwarzwaldbahn und Bodenseegürtelbahn
Um den Papierkram abzuarbeiten, sei er mitunter gerne schon sehr früh im Büro und würde dann auch vor 6 Uhr abfahren. Der Weg führt dann in der Regel von Gottmadingen mit dem Rhyhas nach Singen, mit Seehas oder Schwarzwaldbahn nach Radolfzell und von dort mit einem Zug der Bodenseegürtelbahn nach Ludwigshafen.
Seit dem Fahrplanwechsel sei bei der bisher frühesten Verbindung allerdings nicht einmal mehr ein Anschluss eingeplant, der Anschlusszug fahre genau eine Minute zu früh in Radolfzell ab, was ein Blick in den Fahrplan bestätigt. Das Ergebnis: Der Fahrgast muss um kurz nach 6 Uhr eine halbe Stunde in Radolfzell warten, was die Fahrzeit auf fast eineinviertel Stunden hochtreibt.
Bei der nächsten frühen Verbindung bleiben in Radolfzell nur vier Minuten, um von Bahnsteig sechs zu Bahnsteig eins zu kommen. Auch dies habe sich verschlechtert, denn vor dem Fahrplanwechsel sei der Anschlusszug in Radolfzell am Gleis 4 abgefahren, wo nun das Seehäsle nach Stockach halte. Burger: „Schon bei einer kleinen Verspätung im Zug ab Singen ist dieser Anschluss weg.“
Ein weiterer Zug, der Radolfzell vor 9 Uhr nach Ludwigshafen verlassen habe, sei komplett weggefallen, sagt Burger, was ein Blick in die Fahrplanauskunft ebenfalls bestätigt. So bleibe morgens nur noch eine Verbindung, bei der er vor 8 Uhr ankomme – immerhin ohne Umstieg vom Wohnort zum Arbeitsplatz. Die Flexibilität beim Arbeitsbeginn sei so allerdings dahin.
Anschlüsse sind in Radolfzell und Singen gefährdet
Und nicht nur in Radolfzell, sondern auch in Singen werde es spannend beim Umsteigen. Hätten seine Züge bislang in der Regel am selben Bahnsteig gegenüber gehalten, so müsse er nun auch dort längere Wege innerhalb weniger Minuten zurücklegen. Auch beim Rückweg am späten Abend müsse er mit der letzten Verbindung des Tages nun mehr als eine halbe Stunde Aufenthalt in Radolfzell einplanen. Und der Zug fahre schon kurz vor 23 Uhr ab: „Bei Gemeinderatssitzungen kann das manchmal knapp werden“, sagt Burger.
Schon Mitte Oktober hatte er sich mit seinen Hinweisen an die Verkehrsverbünde VHB und Bodo sowie an die Landratsämter in Konstanz und Friedrichshafen gewandt, die E-Mail liegt der Redaktion vor. Der VHB habe sich damit an die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) gewandt und dort darum gebeten, dass man seine Hinweise aufnehmen möge, sagt Burger. Die NVBW bestellt die Nahverkehre auf der Schiene im Auftrag des Landes.
Außerdem gibt sie die Fahrplanstruktur vor und steht zum endgültigen Fahrplan mit den Bahngesellschaften im Austausch, wie Annika Stuke von der Pressestelle des Landesverkehrsministeriums auf Anfrage schreibt. Für den Fahrplan ist die NVBW also nicht allein verantwortlich.
Was sagen Deutsche Bahn und Verkehrsministerium dazu?
Mit den neuen Fahrzeiten morgens sollten die Anschlüsse aus Richtung Überlingen und Stockach in Richtung Radolfzell und Konstanz verbessert werden, so Stuke weiter. Die Anpassungen zurückzunehmen, würde demnach bedeuten, dass die Verbesserungen in der anderen Richtung wieder entfallen.
Die neuen Gleisbelegungen hätten die Bahngesellschaften hingegen selbst mit der Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn, DB Infra GO, festgelegt. Das Thema habe die NVBW bei DB Regio, der Regionalverkehrstochter der Bahn, platziert und es werde geprüft, ob die bahnsteiggleichen Anschlüsse wieder hergestellt werden können, so Stuke. Auch bei der Stuttgarter Pressestelle der Deutsche Bahn heißt es, dass DB Regio und DB Infra GO eine Lösung erarbeiten. Man bitte aber um Verständnis, dass das noch etwas Zeit in Anspruch nehme.
Burger bleibt der Bahn trotzdem treu
Und warum setzt Burger auf die Bahn für den Arbeitsweg? „Ich finde es unbefriedigend, nur im Auto zu sitzen und nichts anderes tun zu können“, sagt er dazu. Denn im Zug könne er beispielsweise den SÜDKURIER lesen oder einfach entspannen. Bis zum voraussichtlichen Ruhestand im Jahr 2029 werde er etwa 450.000 Kilometer mit der Bahn gependelt sein: „Dafür hätte ich sonst drei Autos gebraucht.“ Und ein Auto sei eben teuer im Unterhalt. Eines seiner mittlerweile erwachsenen Kinder lebe übrigens in Überlingen, erzählt Burger. Pendeln zur Arbeit finde dort allerdings mit dem Auto statt.