Allein ihre Anwesenheit sorgt dafür, dass manch einer sich an Regeln erinnert. Ein Radfahrer steigt von seinem Gefährt und schiebt, sobald der kommunale Ordnungsdienst (KOD) zu erkennen ist. Ein älterer Mann lässt sich hingegen nicht irritieren: Er schnippt seine Zigarette in hohem Bogen an einen Baum und blickt der glimmenden Kippe hinterher, die zu Boden fällt. Als er weiter gehen will, ist der KOD-Mitarbeiter aber schon zur Stelle. Solch ein Verhalten zeuge nicht nur von schlechter Kinderstube, sondern sei auch mit einem Bußgeld belegt, erklärt der Mann in Polizei-ähnlicher Uniform. 75 Euro kann das achtlose Wegwerfen einer Zigarettenkippe kosten. Bei einem Kaugummi sind es sogar 100 Euro.

Zwei Dinge wollen die Mitarbeiter nicht verraten

Vier Mitarbeiter des KOD sind seit einigen Wochen in Singen im Einsatz, um für Ordnung zu sorgen. Zwei davon geben einen Einblick in ihren Alltag. Mit Fotos sind sie einverstanden: Ihr Gesicht würden bereits viele Menschen kennen. Ihre Namen wollen sie aber nicht öffentlich machen. Nach schlechten Erfahrungen fürchten sie, dass ihre Familien drangsaliert werden. Beide haben bisher in ähnlichen Bereichen gearbeitet: Sie viele Jahre bei der Polizeibehörde in Radolfzell, er ist gelernter Verfahrensmechaniker und im freiwilligen Polizeidienst. Abgesehen von den Namen gibt es noch etwas, was sie nicht verraten: ihren Schichtplan.

Thomas Pöppel leitet die Ortspolizeibehörde Singen
Thomas Pöppel leitet die Ortspolizeibehörde Singen | Bild: Arndt, Isabelle

„Die Kollegen trifft man überall im Stadtgebiet. Sie tauchen da auf, wo es Störungen gibt“, erklärt Thomas Pöppel als Leiter der Ortspolizeibehörde. Ein gewisser Überraschungseffekt soll bleiben.

In der Fußgängerzone ist der KOD regelmäßig zu beobachten. An diesem Tag bleiben der Mann und die Frau in Uniform schon nach wenigen Metern stehen. Ein Auto hat im Halteverbot geparkt. Also zückt der KOD-Mitarbeiter sein Smartphone. Nach einigen Klicks ist der Bußgeldbescheid über 15 Euro unterwegs.

Das könnte Sie auch interessieren

Alle paar Meter gibt es einen neuen Regelverstoß

Wenige Meter weiter halten die beiden erneut inne: Rechts hat ein dunkler Mercedes geparkt, links ein silberner Wagen. Beide Fahrer wollten nur kurz was erledigen, erklären sie, doch das hilft nicht: „Sie müssen leider weiterfahren“, sagt die Ordnungshüterin, denn auf der Wendeplatte ist Halteverbot. Hier drohe aber erstmal kein Bußgeld: Zunächst wollen sie sensibilisieren statt ahnden.

Bei der ersten Ansprache geht es mehr um Verständnis. Bußgelder verhängt der KOD nach eigenen Angaben häufig erst, wenn die ...
Bei der ersten Ansprache geht es mehr um Verständnis. Bußgelder verhängt der KOD nach eigenen Angaben häufig erst, wenn die Angesprochenen weiter gegen Regeln verstoßen. | Bild: Arndt, Isabelle

Bußgeld gibt es vor allem dann, wenn Regeln weiter ignoriert werden

So ist es auch wenige Schritte weiter, wo ein Transporter unerlaubt steht. Ist es wirklich nur zum Laden? Nach einem Gespräch mit dem Fahrer warten die Uniformierten, ob er zeitnah wegfährt. Bei Radfahrern schreiben sich die Ordnungshüter in solchen Fällen schon einmal die Daten auf: Falls der Radfahrer nach wenigen Metern weiterfährt statt zu schieben, gibt es ein Ordnungsgeld. „Dann geht es nur über den Geldbeutel“, erklärt Pöppel. Der Transporter-Fahrer fährt aber tatsächlich.

In der Fußgängerzone könne man sich den ganzen Tag aufhalten und habe immer etwas zu tun, sagt die Ordnungshüterin. Die beiden erblicken ein Auto, das auf den Hauser-Brunnen zufährt – dabei geht es da offensichtlich nicht weiter. Also weisen sie den richtigen Weg, ohne die möglichen 20 Euro Bußgeld zu erheben.

Ein Auto in der Fußgängerzone: Die KOD-Mitarbeiter weisen den richtigen Weg.
Ein Auto in der Fußgängerzone: Die KOD-Mitarbeiter weisen den richtigen Weg. | Bild: Arndt, Isabelle

Einem Passanten gefällt das offenbar, er spricht die KOD-Mitarbeiterin an. Diese erzählt danach: „Viele loben, dass jetzt jemand da ist, der solche Menschen anspricht. Denn das traut man sich zum Teil ja nicht mehr.“

Sie haben die gleichen Befugnisse wie Polizisten – aber weniger Einsatzkräfte

Ab und zu gebe es allerdings auch Situationen, in denen sie an Grenzen kommen. Dann sprechen sie Platzverweise aus – oder rufen die Polizei als Verstärkung. Die Zusammenarbeit sei toll, erklärt sie weiter. Bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit haben die KOD-Mitarbeiter ihren Polizei-Kollegen über die Schulter geschaut. Sie haben die gleichen Befugnisse – aber die Stadt hat nicht so viele Einsatzkräfte.

Das Revier war eine von mehreren Stationen, Schulungen gab es auch im Rathaus sowie an der Verwaltungsschule in Karlsruhe. Die Abschlussprüfung sei im nächsten Jahr, auf die Straße können sie aber schon seit einigen Wochen.

Das könnte Sie auch interessieren

Nicht nur die Aufgaben, sondern auch die Ausrüstung ähneln sich: Wie die Polizei trägt der KOD hellblaues Hemd, dunkelblaue Hose und Weste.

Erkennungszeichen ist das städtische Wappen am Arm.
Erkennungszeichen ist das städtische Wappen am Arm. | Bild: Arndt, Isabelle

Polizei oder Polizeibehörde? Optisch liegt der Unterschied im Detail

Am Rücken steht aber Polizeibehörde und am Arm „Stadt Singen – Kommunaler Ordnungsdienst“. „Wir wurden am Anfang belächelt, als wir noch nicht unsere volle Montur hatten“, erklärt die Ordnungshüterin. Dazu gehört auch ein Gürtel, an dem Schlagstock, Reizgas, Taschenlampe und Handschellen hängen – aber keine Schusswaffe. Sie hoffe ohnehin, ihre Waffen nie gebrauchen zu müssen.

Aggressionen? Erleben die Mitarbeiter kaum. Häufig werden sie um Hilfe gefragt

Erfahrungsgemäß würden sich Situationen entspannen, sobald jemand benannt und verantwortlich ist. „Es geht ganz häufig um soziale Kontrolle“, erklärt Thomas Pöppel. Ihnen gehe es grundsätzlich um Ordnung und nicht um Geld, wie Pöppel betont. Welche Einnahmen der KOD durch Bußgelder bringt, soll zum Jahresende ausgewertet und dann dem Gemeinderat präsentiert werden. „Uns wäre es am liebsten, die Kollegen müssten nicht intervenieren.“

Parken auf einem Behinderten-Parkplatz: Ohne die Nachfrage des KOD hätte der Fahrer seine Erlaubnis nicht ausgelegt und einen ...
Parken auf einem Behinderten-Parkplatz: Ohne die Nachfrage des KOD hätte der Fahrer seine Erlaubnis nicht ausgelegt und einen Strafzettel riskiert. | Bild: Arndt, Isabelle

Bei Verwarnungen gebe es natürlich auch einige, die damit nicht einverstanden sind, doch Beschimpfungen und Gegenwehr seien selten. Laut den beiden KOD-Mitarbeitern werden sie mehrheitlich positiv aufgenommen: „Wir werden oft angesprochen, dass die Menschen froh sind über unseren Einsatz“, erklärt die Mitarbeiterin. Einige Menschen würden auch nach Hilfe fragen, etwa nach den aktuellen Corona-Regelungen. Dann werde der KOD zum Freund und Helfer.

Das könnte Sie auch interessieren