Die Corona-Pandemie hat die Saison verzögert, doch jetzt sind sie wieder da: Die Singener Südstadt wurde am Freitagabend zum Schauplatz für rund 200 hochmotorisierte Autos. Fahrer aus der gesamten Region trafen sich, um ihre Autos vorzuführen und bewundern zu lassen – typischerweise sind diese Autofans jung, männlich und haben einen Schweizer Pass, wie Herbert Storz, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz auf Nachfrage erklärt. Zuletzt stammten viele Teilnehmer der inoffiziellen Treffen aber auch aus den Landkreisen Waldshut-Tiengen, Tuttlingen oder Emmendingen. Gegen sieben Männer wird nun wegen Teilnahme an illegalen Autorennen ermittelt, zwei musste noch vor Ort ihre Führerscheine und Wagen abgeben.
Von 22.30 Uhr bis in die Morgenstunden: 200 Autofans am Obi-Kreisel
Verkehrsbehinderungen, Lärmbelästigungen, Verkehrsstraftaten: Die Polizei hatte bis in die Morgenstunden alle Hände voll zu tun mit der sogenannten Tuning-Szene in Singen. Ab 22.30 Uhr waren am Freitag dutzende Autos im Bereich einer Tankstelle und eines Schnellrestaurants versammelt, wie die Polizei erklärt. Die Szene trifft sich traditionell im Bereich des Obi-Kreisverkehrs Georg-Fischer-Straße, Fittingstraße und Industriestraße. Normalerweise beginnt die Saison für diese Treffen mit Ostern, doch in diesem Jahr war das wegen des Coronavirus anders. Der Polizeisprecher hätte zwar schon Mitte Juni zur Grenzöffnung mit einem höheren Verkehrsaufkommen gerechnet, doch da war es noch überschaubar.
Geschäftsführer der Tankstelle stellt klar: „Wir wollen das nicht!“
Die Treffen finden gegen den Willen der Geländeinhaber statt. „Wir können das weder akzeptieren noch tolerieren“, sagt Hans Ley als Geschäftsführender Gesellschafter der Ley Mineralöl GmbH, die auch die Aral-Tankstelle in Singen betreibt. In der Vergangenheit sei es schon zu bedrohlichen Situationen gekommen, außerdem komme der Geschäftsbetrieb komplett zum Erliegen. „Die kommen ja in der Regel nicht zum Tanken, sondern nutzen unsere Fläche und deren zentrale Lage für ein Treffen.“ Theoretisch hätte Ley zwar ein Hausrecht, doch wie soll er das durchsetzen? Die Polizei sei am vergangenen Freitag von dem Andrang ebenso überrascht gewesen wie er selbst. Ab Freitag soll dann wieder ein Wachdienst für Sicherheit sorgen – wie im vergangenen Jahr mit dem Ziel, den Treffpunkt in Singen möglichst unattraktiv für die Szene zu machen. Dabei setzt Ley auf eine Zusammenarbeit mit der Polizei und der Stadt Singen.
Zeuge notiert sich fünf Schweizer Kennzeichen
Zwei Autorennen soll es bereits auf dem Weg nach Singen gegeben haben. Die Teilnehmer eines weiteren Rennens, das ein Zeuge zwischen den Autobahnanschlussstellen Gottmadingen und Hilzingen beobachtete, trafen Beamte an der Georg-Fischer-Straße in Singen an. Nachdem der Zeuge die Kennzeichen der fünf in der Schweiz zugelassenen Wagen notiert hatte, konnten die Beamten vor Ort die Personalien der Fahrer festhalten und Ermittlungen einleiten. Es handelt sich um Männer zwischen 21 und 25 Jahren, die mit BMW, Seat und Maserati unterwegs waren.
Wann ist ein Rennen ein Rennen?
„Solche Hinweise sind schon wertvoll“, sagt Pressesprecher Storz zu den Anrufen von Zeugen. Wer ein Autorennen beobachtet, soll direkt die 110 wählen und Polizei verständigen. Wichtig sei, Ort und Fahrtrichtung zu nennen und die teilnehmenden Wagen zu beschreiben. Falls es die Verkehrssicherheit zulässt, könne ein Beifahrer auch Kennzeichen notieren oder sogar ein Video des Geschehens machen. Nur weil jemand schnell fährt, ist es aber noch kein Rennen: Eindeutiger Hinweis dafür sei das Nötigen anderer Autofahrer, beispielsweise wenn der nachfolgende Verkehr gezielt ausgebremst wird, um dann nebeneinander Gas geben zu können. Die Zahl der Ermittlungsverfahren steigt: 2019 wurden 13 illegale Autorennen beim Verkehrsdienst Mühlhausen-Ehingen bearbeitet. „In diesem Jahr wurden in den beiden ersten Monaten Januar und Februar schon fünf Strafverfahren eingeleitet“, erklärt die Polizei.
Smartphones dokumentieren viele Verkehrsverstöße – und sind jetzt Beweismittel
Ermittelt wird nach Freitagabend gegen zwei weitere Schweizer aus dem Kanton Schaffhausen, die zwischen dem Autobahnkreuz Hegau und Stockach Rennen gefahren sein sollen. Diese wurden noch auf der Autobahn kontrolliert und mussten Führerscheine sowie Beweismittel abgeben. Neben den Fahrzeugen gehörten dazu auch Smartphones, auf denen eine Vielzahl von Verkehrsverstößen nachvollziehbar dokumentiert sei. Außerdem wird gegen einen 19-Jährigen wegen Gefährdung des Straßenverkehrs ermittelt, nachdem er seinen Mercedes auf dem Restaurantparkplatz so sehr beschleunigte, dass eine 17-Jährige eine Kollision nur noch durch einen Sprung zur Seite vermeiden konnte. Und ein 19-Jähriger machte gegen 1.30 Uhr unnötigen Lärm mit seinem Wagen – direkt vor den Augen von Polizisten, die ein Bußgeldverfahren einleiteten.
Wer sind die Besucher am Obi-Kreisel?
„Das sind hochmotorisierte, getunte Fahrzeuge„, beschreibt Herbert Storz die Szene. Ein Auto sei am Freitag beispielsweise mit knapp 550 PS unterwegs gewesen. Während der strengen Corona-Verordnung waren laut Polizeisprecher nur wenige sogenannte Protzer in Singen unterwegs. Es drohte schließlich ein hohes Bußgeld. Dass die aktuellen Abstandsregelungen am Freitag eingehalten wurden, bezweifelt Storz aber.
Keine Beschwerden bei der Stadt, aber Ideen für die Zukunft
Bei der Stadt Singen gingen bislang keine Beschwerden ein, wie Pressesprecher Achim Eickhoff erklärt. An den Wochenenden gelte abends weiterhin ein Tempolimit auf 30 Stundenkilometer, um eine Handhabe gegen Rennen in der Stadt zu haben. Außerdem würde über eine städtische Kontaktadresse diskutiert, an die Betroffene sich mit Hinweisen wenden können. Das werde in Konstanz und Tuttlingen bereits praktiziert, in Konstanz allerdings mit bislang wenigen Hinweisen.
Raserparagraf
Seit 2017 werden Autorennen mit Paragraf 315d geahndet und Beteiligte eines Autorennens werden mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe bestraft. Angeklagt werden kann, wer ein nicht erlaubtes Rennen ausgerichtet oder durchgeführt hat sowie wer daran teilgenommen hat. Auch wer mit nicht angepasster Geschwindigkeit, grob verkehrswidrig und rücksichtslos fährt, wird bestraft.
Zeugenhinweise zu den Rennen an den Verkehrsdienst Mühlhausen-Ehingen, Telefon (0 77 33) 99 600.