4000 Menschen auf der Straße – das war für Singen eine echte Hausnummer. So viele Menschen haben Ende Januar ein deutliches Zeichen gegen rechts gesetzt, bei einer Kundgebung, die federführend vom Verein Integration in Singen (Insi) organisiert worden war. Nun ging es bei einer Demokratiekonferenz im Singener Rathaus darum, aus diesem Impuls dauerhaften Schwung für die Zukunft zu ziehen.

„Natürlich ist es mit einer Kundgebung nicht getan – jetzt geht es darum, diese Werte nachhaltig zu leben“, heißt es in der Einladung zu dem Vernetzungstreffen für Demokratie, Solidarität und Vielfalt, die ebenfalls von Insi ausging und vom Vorsitzenden Bernhard Grunewald unterzeichnet ist. Grunewald fasste die Aufbruchstimmung, die unter mehr als 100 Teilnehmern im Bürgersaal des Rathauses zu spüren war, in seiner Begrüßung mit dem berühmten Slogan von Willy Brandt zusammen: „Mehr Demokratie wagen“.

Der Blick auf die Demokratiekonferenz im Bürgersaal des Singener Rathauses Ende Februar.
Der Blick auf die Demokratiekonferenz im Bürgersaal des Singener Rathauses Ende Februar. | Bild: Freißmann, Stephan

Und Oberbürgermeister Bernd Häusler ordnete den Anlass in seiner Begrüßung ein: „Heute ist ein sehr wichtiger Tag.“ Denn das Treffen fiel ins Umfeld des zweiten Jahrestages des Kriegsbeginns in der Ukraine – und ins Jahr, in dem das Grundgesetz der Bundesrepublik 75 Jahre alt wird. „Dass uns die Demokratie nicht egal ist, haben wir bei der Kundgebung Ende Januar gezeigt“, rief Grunewald ins Publikum.

„Stadt lebt seit Jahrzehnten mit Migranten“

OB Häusler hob zudem die Bedeutung von Migration für die Stadt Singen hervor. Schon vor dem Ersten Weltkrieg seien die ersten Migranten in die Stadt gekommen, und zwar für den Bahnbau: „Die Stadt lebt seit Jahrzehnten mit Migranten“, so Häusler, sie hätten ihren Anteil an Wohlstand und Frieden nicht nur in Singen, sondern im ganzen Land.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie kann dieser Frieden in der Gesellschaft nun auf Dauer gesichert werden? Die Teilnehmer, darunter einige Gemeinderäte aus Singen und dem Hegau, hatten viele Ideen dazu. Diese wurden in vier Gruppen unter den Schlagworten Demokratie, Wahlen, Solidarität und Vielfalt zusammengestellt, vorgestellt und diskutiert. Ein großes Thema dabei war die Kommunalwahl, die am Sonntag, 9. Juni, gleichzeitig mit der Europawahl stattfindet.

Zielgerichtete Information zur Kommunalwahl ist gefragt

Dazu müsse man attraktiv informieren und das am besten mit individueller Ansprache, fand beispielsweise die Gruppe Wahlen, für die Grünen-Gemeinderätin Isabelle Büren-Brauch die Ideen vorstellte. Dabei gehe es etwa um die Frage: Wer wird gewählt und was bringt das überhaupt? Auch eine Anlaufstelle für Fragen rund um die Kommunalwahl schwebte der Gruppe vor. Es sei allerdings nicht ganz klar, wer diese beiden Aufgaben übernehmen könnte. Als dritte Initiative regte die Gruppe an, dass über bestehende Organisationen wie Vereine oder Betriebsräte informiert werden solle.

Um Informationen machte sich auch die Gruppe Vielfalt Gedanken. Bestehende Einrichtungen mit Informationen zu beliefern, war auch eine Anregung aus dieser Gruppe, wie Wolfgang Heintschel, Co-Vorsitzender des Caritas-Verbands Singen-Hegau vorstellte. Claus Friberg vom Stadtseniorenrat (SSR) machte außerdem das Angebot, die Räume des SSR für eine Fotoausstellung samt Gesprächsgelegenheiten zum Thema Migration zu nutzen. Und auch das Café International könne man für Veranstaltungen zum Schlagwort Vielfalt nutzen, etwa für Wahlpartys.

Das könnte Sie auch interessieren

Für die Gruppe Demokratie stellte Klaus Mühlherr, DGB-Kreisvorsitzender im Kreis Konstanz, die drei wichtigsten Ergebnisse der Diskussion vor. So gehe es darum, zum Tag der Arbeit am 1. Mai Werbung für die Kommunalwahlen zu machen. Am 26. Mai, nur wenige Tage nach dem eigentlichen Jahrestag, sei ein Geburtstagsfest zu 75 Jahren Grundgesetz geplant. Und in dieser Gruppe ging es um die Vernetzung bestehender Bereiche wie Gemeinderat und Wirtschaft.

Für die Vernetzung regte die Gruppe Solidarität einen Austausch nach der Methode Open Space an, was als offener Raum oder Freiraum übersetzt werden kann. Die Methode basiert grob gesagt darauf, komplizierte Fragen in kleinere Themen aufzuteilen, die dann gruppenweise bearbeitet werden. Linda Kelmendi von der Stabstelle Integration der Stadtverwaltung berichtete für die Gruppe zudem von der Idee, eine Solidaritätsliste Singener Unternehmen zu schaffen und bestehende Feste oder Strukturen für Aktionen und Gespräche zu nutzen.

Den ländlichen Raum nicht vergessen

Von Dagmar Eisenhart und Jana Akyildiz, beide Grünen-Gemeinderätinnen in Rielasingen-Worblingen, kam der Appell, auch den ländlichen Raum mit zu vernetzen. Schätzungsweise etwa 30 bis 40 Menschen bei der Demokratiekonferenz im Singener Rathaus hoben die Hand auf die Frage, wer nicht aus Singen kommt.

Und auch der Verein Insi selbst stellt einige Möglichkeiten zur Vernetzung bereit und plant manch einen Termin, wie Geschäftsstellenleiter Martin Zimmermann und Mitarbeiter Giuseppe Femia erklärten.

Eine Idee dazu war eine Wahlregistrierungsparty. Denn Menschen, die erst vor Kurzem in Deutschland oder einem EU-Land eingebürgert wurden, landen nach Informationen der Landeszentrale für Politische Bildung nicht unbedingt automatisch im Wählerverzeichnis. Sie können sich vom 13. April bis 19. Mai registrieren, hieß es nun bei dem Anlass im Rathaus.