Was Axel Nieburg beim Spatenstich für das Bauprojekt der Genossenschaft Hegau an der Überlinger Straße in Singen zu sagen hat, klingt nicht gut. Es wirft gleichzeitig ein Schlaglicht auf den Mietwohnungsmarkt und darauf, warum die Bautätigkeit lahmt.
„Bei dem Projekt gibt es kein Zurück, deswegen machen wir es jetzt trotzdem“, sagt Nieburg, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft, auf der Baustelle. Kein Zurück, das heißt: Es sind schon so viele Vorarbeiten erledigt worden, dass es Unsinn wäre, das Projekt jetzt zu stoppen. Denn der eigentliche Projektstart war schon vor mehr als einem Jahr. Trotzdem, das heißt: Hätte es die Vorarbeiten nicht gegeben, hätte die Baugenossenschaft die Finger von dem Projekt gelassen. Denn kostendeckend zu bauen wird immer schwieriger. Und auch wenn die Genossenschaft laut Nieburg keine riesigen Gewinne erzielen will: Wirtschaftlich arbeiten muss sie trotzdem.
Was geplant ist
Doch der Reihe nach: Im Spätherbst 2021 hat der Bagger das erste Mal bei den Überlinger Höfen gearbeitet, wie das Projekt bei der Genossenschaft heißt. Hinter den Gebäuden Überlinger Straße 7, 9, 11, 13 und 15 sollen fünf neue Häuser mit zusammen 64 Mietwohnungen entstehen. Dafür wurden Garagen abgebrochen und ein Ersatzparkplatz gebaut, denn die Garagen waren den Neubauten im Weg. Die neuen Gebäude werden auf Lücke zwischen den Bestand platziert, sodass alle Wohnungen von der Südlage profitieren können.

Die Wohnungen hätten Ende 2023 fertig sein sollen. Doch dann stoppte die Bundesregierung Anfang 2022 abrupt die Förderung des energiesparenden Bauens, die auch als KfW-Förderung bekannt ist, weil die Mittel über die Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) verteilt werden.
Statt eingeplanter 2,2 Millionen Euro Zuschuss seien am Ende nur 960.000 Euro geflossen, sagte Nieburg nun – zum wiederholten Mal. Und Russland brach einen Krieg gegen die Ukraine vom Zaum, was Energie sprunghaft verteuerte – und damit auch alle anderen Preise, inklusive denen für Baustoffe. Ursprünglich hätte das Bauvorhaben 22 Millionen Euro kosten sollen, doch man sei schon jetzt zehn Prozent teurer: „Und es sind noch nicht alle Gewerke ausgeschrieben.“
Schlechte Voraussetzungen für Mietwohnungsbau
Das hat Folgen, und zwar für die Menschen, die eine Mietwohnung brauchen, schilderte Nieburg beim Spatenstich. Das Umfeld für den Mietwohnungsbau beschreibt der Hegau-Chef so: Die Preise für Baustoffe seien mit den Energiepreisen gestiegen, denn für deren Herstellung brauche man sehr viel Energie.
Gleichzeitig sei die Zahl der Bauanträge stark zurückgegangen, weil Bauen teurer geworden ist. Die Preise für Baustoffe würden aber nicht allzu bald sinken, denn die Produzenten würden ihre Energie langfristig einkaufen – und die bereits vereinbarten hohen Preise bis zur nächsten Energie-Einkaufsrunde weitergeben. Auf der anderen Seite werden die Zinsen steigen, weil die Zentralbanken so die Inflation bekämpfen wollen. Wer sich also Geld von der Bank leihen will, muss dafür mehr bezahlen.
Es kommt noch schlimmer
Mit anderen Worten: Sowohl das Bauen selbst als auch dessen Finanzierung werden teurer – eine geradezu toxische Mischung. Doch es kommt in Nieburgs Zusammenfassung noch schlimmer. Denn viele Menschen, die Eigentum hätten erwerben wollen, könnten sich dieses nun nicht mehr leisten – und bräuchten weiterhin eine Mietwohnung. Der Bedarf an Mietwohnungen wächst also. Doch: „Bezahlbarer Mietwohnungsbau ist schlicht unrentabel.“ Daher ist auch an dieser Stelle keine Entlastung für den Wohnungsmarkt in Sicht.
Und das Projekt in der Überlinger Straße? Das werde man fertigstellen, weswegen es nun nach dem ersten Baggerbiss auch einen ersten Spatenstich gab. Und eine weitere politische Botschaft hat der Chef der Baugenossenschaft im Gepäck. Mit Verweis auf die Linie seiner Genossenschaft, schon frühzeitig auf erneuerbare Energie zu setzen, sagte er: „Bei der Unabhängigkeit von fossiler Energie könnte man deutlich weiter sein. Man zahlt jetzt, weil man früher zu wenig investiert hat.“ Bei der Baugenossenschaft Hegau kämen immerhin mehr als 70 Prozent der Wärme aus erneuerbarer Energie, nämlich aus holzbasierter Heizung, rechnet Nieburg vor. Die Hackschnitzel kommen aus Deutschland, so der Genossenschafts-Chef.