Auf der Autobahn bei Stockach spielte sich im Februar 2020 bei trockener Fahrbahn und schönem Wetter ein Drama ab: Ein mit 1,57 Promille alkoholisierter gelernter Maschinenschlosser, der zudem keine Fahrerlaubnis hatte, krachte am Steuer eines großen Autos mit mindestens Tempo 165 in einen Kleinwagen. Alle drei Insassen waren nicht angeschnallt. Sie wurden aus dem Auto geschleudert. Eine Frau starb vor Ort, die beiden anderen kamen schwer verletzt ins Krankenhaus.

Bewährung für den Unfallfahrer

Der heute 61 Jahre alte Maschinenschlosser, der unverletzt blieb, wurde nun vor dem Amtsgericht Stockach wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr mit Auflagen verurteilt, das Verfahren gegen den heute 34 Jahre alten Fahrer des Kleinwagens wurde gegen die Zahlung von 2500 Euro an den Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Konstanz eingestellt. Beide Fahrer hätten eine Mitschuld an den schlimmen Ereignissen, stellte Richterin Julia Elsner bei der Verkündung des Urteils fest. Sie erkannte aber die persönlichen Umstände des 61-Jährigen: „Da sitzt kein Monster, sondern einer, der einen ganz schrecklichen Fehler gemacht hat.“

Tödlicher Unfall auf der Autobahn 98 bei Stockach. Eine Frau wurde bei dem Zusammenstoß aus dem Auto geschleudert und erlitt tödliche ...
Tödlicher Unfall auf der Autobahn 98 bei Stockach. Eine Frau wurde bei dem Zusammenstoß aus dem Auto geschleudert und erlitt tödliche Verletzungen. | Bild: Freißmann, Stephan

Der Verhandlungstag zur juristische Aufarbeitung des Falls dauerte zehn Stunden. Denn die beiden Angeklagten schwiegen zum Hergang des Unfalls. Der 61-Jährige aus dem Raum Singen zeigte aber Reue: „Mir tut alles furchtbar Leid. Ich weiß, ich hätte diese Fahrt nie antreten dürfen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ Der gelernte Maschinenschlosser, machte vor Gericht den Eindruck eines durchschnittlichen Familienvaters. Er berichtete über seine Lebensverhältnisse. Seine beiden Kinder seien aus dem Eigenheim ausgezogen. Er wohne dort nun allein mit seiner Vollzeit arbeitenden Frau. Zuletzt habe er Probleme mit dem Alkohol gehabt.

Seine Alkoholsucht hat er nach dem Unfall in den Griff bekommen

Im Jahr 2018 habe wegen seiner Sucht seine Arbeit verloren, berichtete der Maschinenschlosser. Nach einer Therapie habe er im Jahr 2019 versucht, wieder zu arbeiten, sei aber an seiner Sucht gescheitert. Erst nach dem Unfall und stationären Therapien sei es ihm gelungen, trocken zu bleiben. Seit einem Jahr lebe er nachgewiesen abstinent. Er habe sich einem entsprechendem Kontrollprogramm angeschlossen und besuche regelmäßig eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die sich von der Alkoholerkrankung gelöst haben. Aus Verlesungen vor Gericht ergab sich: Wegen der Neigung zur Trunksucht wurde dem heute 61-Jährigen im Frühjahr 2016 die Fahrerlaubnis entzogen.

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Was sich genau auf den Autobahnabschnitt an der Anschlussstelle West in Richtung Singen abgespielt hatte, blieb auch nach der Befragung von sieben Zeugen im Dunklen. Die überlebende Insassin des Kleinwagens und heutige Verlobte des 34-jährigen Fahrers machte vom Recht Gebrauch, nicht aussagen zu müssen. Von den anderen hatte keiner den Zusammenstoß gesehen. So blieb es offen, ob der Selbständige im Kleinwagen von der rechten auf die linke Spur wechselte, als der Fahrer des großen Wagens mit hohem Tempo heranraste, oder ob der Kleinwagen schon längere Zeit auf der linken Spur fuhr.

Der Fahrer war sehr schnell unterwegs

Dass der 61-Jährige mit seinem großen Fahrzeug schnell unterwegs war, bekundeten Zeugen und auch der KFZ-Sachverständige Mario Werner. Er hält es auch für nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte die maximale Geschwindigkeit seines Wagens ausreizte und mit Tempo 250 fuhr. Auf dem Autobahnabschnitt bei der Anschlussstelle Stockach-West gibt es kein Tempolimit.

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Ein 73 Jahre alter Zeuge, der in Richtung Offenburg mit etwa 120 Stundenkilometern auf der Autobahn unterwegs war, berichtete von einem Wagen, der mit einer „Riesengeschwindigkeit“ überholte. Sein Auto habe vibriert, als dieser vorbei fuhr. Ein anderer Zeuge berichtete über den Unfall: „Ich habe einen Knall gehört, dann flog der Wagen an mir vorbei“. Das kleine Auto habe sich immer wieder gedreht.

Ein 56-Jähriger, der auf den Gegenfahrbahn unterwegs war, sah, wie der Kleinwagen über die Fahrbahn schleuderte, und hielt am, um Hilfe zu leisten. Der Unfallwagen sei aber leer gewesen. „Ich habe keine Person gesehen. Ich habe gedacht, das kann doch nicht sein.“ Außerhalb des Fahrzeugs habe er dann die schwer verletzte Freundin des Fahrers gesehen, später auch den Mann und die zweite Frau. Letztere habe schon nicht mehr gelebt. Im Gerichtssaal freute sich der Zeuge, zwei Insassen des Unfallwagens ohne sichtbare Einschränkungen zu sehen.

Alle Mitfahrer in dem Unfallauto waren nicht angeschnallt

Der KFZ-Sachverständige Mario Werner stellte fest, keiner der drei Insassen im Unfallwagen sei angeschnallt gewesen. Auf den vorderen Sitzen seien die Gurte zwar eingesteckt gewesen, wahrscheinlich, um den Warnton auszuschalten. Die Personen seien aber nachweislich nicht in den Gurten gesessen, sondern mutmaßlich darauf. Auf dem hinteren Sitz sei der Gurt gar nicht bedient worden.

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Der Sachverständige geht davon aus, dass die Frau schon starb, als beim Aufprall am Heck die Sitze nach vorne geschoben wurden, und nicht erst beim Schleudern aus dem Wagen. Der Sachverständige stellte auf Nachfragen fest: Unter gewissen Umständen hätte sich bei einer niedrigeren Geschwindigkeit des großen Wagens und optimaler Reaktionszeit des Fahrers der Unfall auch noch mit Tempo 200 vermeiden lassen.

61-Jähriger hätte langsamer fahren müssen

Obwohl es auf dem Abschnitt bei der Anschlussstelle Stockach West kein Tempolimit gibt, hätte der 61-Jährige die Geschwindigkeit der Verkehrslage anpassen müssen, stellte Richterin Julia Elsner in ihrem Urteil fest. Er habe seine Sorgfaltspflicht verletzt. „Es war von weitem sichtbar, dass sich auf dem Beschleunigungsstreifen etwas tut. Man darf sich in der Lage nicht darauf verlassen, dass keiner einen Fehler macht“. Auch wenn die Reaktion des Fahrers durch Alkohol eingeschränkt war, habe es sich nicht um eine typische Trunkenheitsfahrt gehandelt. Der Angeklagte sei Alkohol gewöhnt gewesen.

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Staatsanwalt Egon Kiefer hatte sich trotz entlastender Gesichtspunkte gegen eine Bewährungsstrafe ausgesprochen und auf ein Jahr und sechs Monate Gefängnis plädiert. Es sei schließlich ein Mensch zu Tode gekommen. Alles andere sei der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Der Nebenkläger hatte sich dieser Einschätzung angeschlossen. Er geht davon aus, dass ein „massives Verschulden“ des 61-Jährigen vorlag. Der Verteidiger sah den Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht ausreichend bewiesen. Zudem sei nicht auszuschließen, dass der Unfall durch das plötzliche Ausscheren des Kleinwagens unvermeidlich war.