Von leeren Gleisen zum florierenden Bahnverkehr? Bei der Ablachtalbahn zwischen Stockach und Mengen könnte dies passieren. Hinter den Kulissen herrscht jedenfalls Bewegung. Die Strecke könnte als Umgehung für verschiedene Bahnbaustellen dienen. Der Bund will mehr Geld für regionale Eisenbahnprojekte lockermachen. Zwei Bürgermeister äußern sich inzwischen offensiver als noch vor ein paar Monaten. Und die Initiative Bodensee-S-Bahn fordert immer vernehmlicher den Ausbau.

Als Umfahrung käme die Ablachtalbahn gleich für mehrere andere Strecken in Betracht. Die Bahn baut derzeit an der Südbahn zwischen Friedrichshafen und Ulm, sodass Fahrgäste immer wieder auf Ersatzverkehre umsteigen müssen. Auch der Ausbau der Gäubahn lahmt. Und der Plan, die Bodenseegürtelbahn zwischen Radolfzell und Friedrichshafen auszubauen, wird immer konkreter (siehe Text unten). Da könnte die Ablachtalbahn eine Alternative bieten, wenn andere Strecken geschlossen sind.

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Dies hat Ralf Derwing von der Initiative Bodensee-S-Bahn schon vor einiger Zeit ins Spiel gebracht. Ein regulärer Personenverkehr ließe sich dort zwar nicht allzu rasch einrichten, dafür fehle die Sicherungstechnik an der Strecke. Doch Güterverkehr und Werkstattfahrzeuge für die Baustellen in Oberschwaben könnte man seiner Ansicht nach schon jetzt durch Stockach und das Donautal leiten und Druck von anderen Ausweichstrecken nehmen – vorausgesetzt, der Biberschaden bei Sauldorf werde beseitigt. Doch falls die Gürtelbahn elektrifiziert werde, müsste diese Strecke lange gesperrt werden, so Derwing. Bis dahin könnte die Ablachtalbahn für den Personenverkehr aufgerüstet sein.

„Wenn die Bodenseegürtelbahn elektrifiziert wird, wird sie lange gesperrt. Züge könnten dann über die Ablachtalbahn fahren.“ ...
„Wenn die Bodenseegürtelbahn elektrifiziert wird, wird sie lange gesperrt. Züge könnten dann über die Ablachtalbahn fahren.“ Ralf Derwing, Initiative Bodensee-S-Bahn | Bild: Biehler, Matthias

Derwing hatte auch argumentiert, dass die Ablachtalbahn ein Baustein für attraktive Fernverbindungen sein könnte, vor allem wenn die abgebaute Kurve von Krauchenwies nach Sigmaringen wieder errichtet werden würde. Dann wäre es sogar möglich, die Orte am westlichen Bodensee über das Donautal und die Ostalb mit Stuttgart zu verbinden. Mehrere mittelgroße Städte lägen an dieser Strecke – mit einer entsprechenden Zahl an Fahrgästen.

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Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz äußert sich auf Anfrage ähnlich: Eine Fortführung in Richtung Sigmaringen und Stuttgart würde er befürworten. Ähnliches sagte er schon im Sommer im Stockacher Gemeinderat. Wie das Land das sehe, wisse er aber nicht, sagte Stolz nun aber auch noch. Klar ist für ihn: Wenn man den öffentlichen Personennahverkehr fördern will, müsse Landesgeld fließen. „Die Kommunen können nicht als Besteller auftreten.“ Und er äußert einen klaren Appell an Bund und Land: „Man darf den ländlichen Raum nicht abhängen. Es braucht leistungsfähige und verlässliche Anbindungen.“

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Stolz‚ Mühlinger Kollege Manfred Jüppner sagt: „Wir haben viel auf Bürgermeisterebene und über die Presse darüber gesprochen, aber das Thema war noch nie im Gemeinderat.“ Auf die Gemeinden kämen aber hohe Investitionen zu. Auch seine Bewertung lautet: „Wenn es eine überregionale Verbindung nach Stuttgart gibt, dann wird die Ablachtalbahn interessant.“ Doch man müsse auch Realist sein. Wenn das Land einen Dauerbetrieb wolle, müsse es kräftig mitfinanzieren. Da wäre ihm ein Busverkehr in der Fläche, der gut funktioniert, lieber als eine politisch gewollte Bahnstrecke.

„Man darf den ländlichen Raum nicht abhängen. Es braucht leistungsfähige und verlässliche Anbindungen.“ Rainer Stolz, ...
„Man darf den ländlichen Raum nicht abhängen. Es braucht leistungsfähige und verlässliche Anbindungen.“ Rainer Stolz, Stockacher Bürgermeister | Bild: Arndt, Isabelle

Zumal eine Buslinie parallel zu einer Bahnlinie nicht betrieben werden dürfe, wie Stockachs Bürgermeister Stolz erklärt. Ergebnis: Schulbusse aus Mühlingen nach Stockach könnten mit Verweis auf die Bahnverbindung gestrichen werden, mit entsprechend langen Wegen zum Bahnhof. Für Schülerverkehr sei die Bahnstrecke daher suboptimal: „Doch wenn Mittelzentren verbunden werden, ist sie interessant.“ Trotzdem bleibt er vorsichtig: Man müsse all das zunächst einmal untersuchen. Deswegen habe die Stadt sich vor der Sommerpause einer Untersuchung angeschlossen, die klären solle, mit welchem Aufwand die Strecke ertüchtigt werden könnte. Das Ergebnis sei in ein paar Monaten zu erwarten und werde Thema im Gemeinderat.

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Grundsätzlich bleibt Stolz auch bei seiner Haltung, dass vor einer Reaktivierung der Ablachtalbahn für einen regulären Personenverkehr viele Autos aus der Stadt verschwinden müssten: Die Ablachtalbahn vor der Fertigstellung der Westumfahrung Stockachs zu reaktivieren, sei für ihn daher „undenkbar“, schreibt Stolz in einer Stellungnahme. Er führt Schrankenschließungen am Bahnübergang am ZG-Kreisel ins Feld. Wenn der Verkehr dort durch die Bahnschranke immer wieder angehalten würde, „entwickeln sich Stauereignisse, die alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen und unsere Stadt verkehrlich immobil machen“, so Stolz in seiner Stellungnahme.

Der Bahnübergang am ZG-Kreisel in Stockach, kurz hinter dem Stockacher Bahnhof.
Der Bahnübergang am ZG-Kreisel in Stockach, kurz hinter dem Stockacher Bahnhof. | Bild: Freißmann, Stephan

Die Initiative Bodensee-S-Bahn hat unterdessen mit zwei Forderungen auf sich aufmerksam gemacht. Einerseits wünscht sich die Gruppe, Siedlungen nur noch mit Anschlüssen an den öffentlichen Nahverkehr zu planen, und hat deswegen schon eine Reihe von neuen Bahnstrecken vorgeschlagen. Die Vorschläge stehen im Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Regionalplans für die Region Bodensee-Oberschwaben. Eine prominente Rolle spielt dabei auch die Ablachtalbahn. Und die Initiative forderte vom Land, ähnlich wie der Bund mehr Geld zu geben (siehe Text unten). Dadurch könnte man die kommunale Ebene beim Bahnausbau komplett entlasten.

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Ob die Ablachtalbahn überhaupt neu belebt wird, hängt allerdings maßgeblich von einer Untersuchung des Landes Baden-Württemberg von landesweit 41 Strecken ab. Sie soll überprüfen, wie viele Menschen dort fahren könnten und was die Reaktivierung kosten würde. Laut dem Verkehrsministerium in Stuttgart sind Ergebnisse erst im Herbst dieses Jahres zu erwarten.

Halt in Espasingen und Finanzen

  • Halt in Espasingen: Ein Halt der Bodensee-Gürtelbahn in dem Stockacher Ortsteil werde weiterhin intensiv gefordert, sagt Ortsvorsteher Andreas Bernhart (CDU) auf Anfrage. Der Wunsch werde aus der Bevölkerung regelmäßig geäußert, so Bernhart, und der Ortschaftsrat stehe auch dahinter. Eine Entscheidung, ob die Züge nach der Elektrifizierung der Strecke zwischen Radolfzell und Friedrichshafen in Espasingen halten, gebe es aber noch nicht. Die Planungsphase drei, bei der es um die Details gehe, fange erst im Sommer an. Bernhart stellte allerdings eine Informationsveranstaltung zum Thema im späten Frühjahr in Aussicht.
  • Finanzierung: Der Bundestag hatte bereits beschlossen, den Bundesanteil bei der Förderung von Bauvorhaben durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) von 60 auf 75 Prozent zu erhöhen, erklärt der Wahlkreisabgeordnete Andreas Jung (CDU), der auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist. Bei gleichbleibendem Landesanteil von 20 Prozent bleiben dann noch fünf Prozent der Kosten für die Kommunen. Außerdem wachsen laut Jung die sogenannten Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern überweist, damit diese wiederum Züge des Nahverkehrs bestellen können. Denn dies sei Ländersache. Davon können die Ablachtalbahn und die Bodenseegürtelbahn profitieren, so Jung weiter.