In alten Bildern zu schmökern und sich daran zu erinnern, wie es an einem bestimmten Ort früher einmal ausgesehen hat, das ist für viele Menschen immer etwas Besonderes. Auf einer ganz neuen Ebene als mit einfachen Fotos ist eine solche Zeitreise in der Kirche St. Oswald möglich. Denn direkt im Anschluss an den letzten Gottesdienst, der vor dem Beginn der umfangreichen Innenraumrenovierung stattgefunden hat, hat Stefan Albrecht mit Hilfe einer Spezialkamera eine detailgetreue Bestandsaufnahme des Innenraums erstellt. Dadurch ist es jetzt möglich, sich nochmal auf einen virtuellen Rundgang durch das Gotteshaus zu begeben und sich detailliert anzuschauen, wie es vor der Renovierung ausgesehen hat.
Große Bewegungsfreiheit im 3D-Modell
„Als es auf die Renovierung zu ging, habe ich mir überlegt, dass eine solche 3D-Tour die beste Möglichkeit wäre, den aktuellen Zustand zu dokumentieren“, sagt Albrecht. Der große Vorteil sei, dass man nicht nur einzelne Fotos hat, sondern sich am Bildschirm frei durch den Kirchenraum bewegen und sich umschauen kann.

Möglich macht dies eine Spezialkamera mit drei Objektiven, die jeweils im Winkel von 60 Grad zueinander versetzt stehen. Diese wird auf einem Stativ im Raum platziert und dreht sich dann einmal um die eigene Achse während sie Aufnahmen macht. „So entsteht dann ein Kugelpanorama, das den Raum dreidimensional abbildet“, erklärt Albrecht. Dieser Vorgang wird je nach Raumgröße mehrmals an unterschiedlichen Stellen wiederholt, wodurch man sich später am Bildschirm durch den dreidimensionalen Raum fortbewegen kann.
Laser-Technik im Einsatz
„Es geht darum, möglichst viele Punkte im Raum aufzunehmen, damit später eine richtige Tour möglich ist und die Punkte, zu denen man springt, nicht zu weit von einander entfernt sind“, sagt Albrecht. Rund 140 Punkte seien es etwa in St. Oswald gewesen, fast drei Stunden war Albrecht damit beschäftigt. In dieser Zeit musste die Kirche auch abgeschlossen sein, damit am Ende keine Menschen mit auf der Aufnahme des Raums sind. Albrecht selbst musste ebenfalls immer darauf achten, sich im toten Winkel der Kamera aufzuhalten, damit er nicht auf den Aufnahmen landet.
„Das war aber kein Problem. Die Kamera funktioniert ferngesteuert“, sagt er. Nachdem der Raum mit allen seinen kleinen Details sorgfältig aufgenommen war, gingen die 140 einzelnen Kugelpanoramen in die Software, die sie zur fertigen 3D-Tour zusammensetzte. Möglich ist das, weil die Kamera nicht nur über drei Objektive verfügt, sondern zusätzlich über Laser-Sensoren, die den Raum gleichzeitig vermessen. Normalerweise fertigt Stefan Albrecht solche Touren etwa für Hotels, Eventlocations und Tagungsräume an.
„Wenn diese dann Anfragen erhalten, können sie den potenziellen Kunden die 3D-Tour schicken und die können sich dann vorab alles ganz genau ansehen und vermessen, ob alles nach ihren Vorstellungen passt. Und das ganz ohne, dass extra jemand vom Veranstalter anreisen muss“, erklärt Albrecht. An St. Oswald hat ihn insbesondere die Höhe des Raumes fasziniert. „Der Raum hat eine gigantische Höhe. Sowas hat man normalerweise in Hotels nicht. Das war sehr spannend für mich“, sagt er. Deshalb habe er sich besonders gefreut, bei den Verantwortlichen der Gemeinde gleich auf offene Ohren gestoßen zu sein, als er vorgeschlagen habe, den Innenraum auf diese Weise zu dokumentieren.
Ungewohnte Perspektiven
Herausgekommen ist eine ganz besondere Erinnerung an den alten Innenraum von St. Oswald, der auch ungewohnte Ansichten ermöglicht. Der Besucher kann sich beispielsweise so auch mal an den Altar stellen und die Perspektive des Pfarrers einnehmen. Mit Hilfe der Computermaus kann man sich umsehen, und sich Schritt für Schritt durch den Kirchenraum bewegen.
Die hochauflösenden Aufnahmen bilden sogar die kleinsten Details ab. Wer sich etwa in die Seitenkapelle bewegt, in der damals die Pläne für den neuen Innenraum ausgestellt waren, wird feststellen können, dass man sogar die Pläne lesen kann. Allerdings handelt es sich bei dem Ganzen nicht nur um eine technische Spielerei. Es kann auch auch einen praktischen Nutzen haben: So kann diese Technik etwa in Gebäuden zum Einsatz kommen, für die es keine Pläne mehr gibt.
Durch die Laser-Vermessung, die die Kamera ermöglicht, kann nach dem Scan ein Grundriss und auch einen Deckenplan sowie eine sogenannte Punktewolke, mit der Architekten dann in 3D weiterplanen könnten, ausgegeben werden, erklärt Albrecht. Auch große technische Anlagen, wie beispielsweise eine Maschine zur Briefsortierung hat Albrecht schon als 3D-Scan erstellt. „Dieser Scan wird eingesetzt, um möglichen Kunden ein neues System vorzustellen“, sagt er. Die Tour durch St. Oswald ist im Internet frei zugänglich unter: https://my.matterport.com/show/?m=45TXBUqVuVB.