Die Stockacher Bevölkerung setzte ein eindrucksvolles Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine mit der Friedensfeier in der Melanchthonkirche und der Mahnwache vor St. Oswald. Eine Stecknadel hätte man fallen hören können, als die Friedensfeier in der Evangelischen Melanchthonkirche in Stockach begann. Und dies obwohl die Kirche so voll war wie selten zuvor, mit Menschen, die gekommen waren, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu zeigen. Um für den Frieden zu beten und um Halt und Trost zu suchen. Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz gab seiner Bewunderung dafür am Beginn seiner Rede Ausdruck, dass so viele gekommen seien. Gekleidet war er ganz in schwarz mit einer orangenen Armbinde, dem Zeichen der Orangen Revolution der Ukraine, und seiner Amtskette, die er, wie er sagte, sonst so gut wie nie trage: „Heute aber soll die Kette zeigen, dass sich Stockach entschieden dagegen wendet, dass das Volk der Ukrainer angegriffen und vertrieben wird“.

Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz zeigt mit der blau-gelben Flagge und mit der Armbinde der Orangen Revolution seine Solidarität mit ...
Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz zeigt mit der blau-gelben Flagge und mit der Armbinde der Orangen Revolution seine Solidarität mit der Ukraine. Er sagte: „Stockach wendet sich entschieden dagegen, dass das Volk der Ukrainer angegriffen und vertrieben wird. | Bild: Constanze Wyneken

Stolz formulierte, was vielen auf der Seele gelegen haben mochte, nämlich den Schrecken darüber, dass Präsident Wladimir Putin derzeit Entscheidungen treffe, die zu einem Weltkrieg führen könnten. „Das Wort Weltkrieg kennen die meisten von uns nur aus Geschichtsbüchern“, sagte Stolz, „aber die Zeit der rein intellektuellen Auseinandersetzung mit diesem Thema ist jetzt vorbei. Denn diesem Präsidenten ist das Leben irrelevant. Es kommt ihm nicht darauf an, ob sein Brudervolk, die Ukraine, existiert.“ Wir Deutschen seien, bedingt durch unsere eigene Geschichte, stets sehr defensiv unterwegs. Man habe darum versucht, das Problem diplomatisch zu lösen, sagte Stolz.

Stolz: „Wir müssen Freundschaft zeigen.“

Jedoch habe Diplomatie keine Zukunft mit einem Präsidenten, der nur Gewalt verstehe und den Sanktionen nicht zu beeindrucken schienen. „Hunderttausende werden bedroht, sodass diese fliehen und ihre Heimat aufgeben. Welche Angst müssen diese Menschen haben?“, fragte Stolz und zog den Schluss: „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Russland die Ukraine überrennt. Wir müssen all unsere Mittel nutzen und den Geflohenen helfen, wenn diese bei uns auf der Straße stehen. Wir müssen dann Freundschaft zeigen.“

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Stolz‘ Bürgermeister-Kollege Vasiliy Huljajew aus der ukrainischen Stadt Chornomorsk habe auf seinen Brief geantwortet und seinen Dank darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich die Stadt Stockach solidarisch zeige. Dies gebe in der Ukraine Hoffnung, glaubte Stolz. Auch zum Thema Fasnacht äußerte sich Stockachs Bürgermeister. „Ich selber ziehe es vor, in diesem Jahr die Fasnacht nicht zu begehen. Aber wir sind hier keine Diktatur. Wir sind nicht verbotsorientiert, sondern wir rechnen damit, dass die Menschen sich gegen die Barbarei Putins einsetzen, auch die Narren“, sagte Stolz.

Die aus der Ukraine stammende Olga Zoria-Kopischke berichtet aus ihrer Hemat.
Die aus der Ukraine stammende Olga Zoria-Kopischke berichtet aus ihrer Hemat.

Dann wandte sich Olga Zoria-Kopischke, seit einigen Jahren in Stockach beheimatet, an die Menge. Sie hat Freunde und Familie in Kiew und berichtete, wie sich Menschen in der Ukraine derzeit Lebewohl sagen, vielleicht für immer: „Das weiß man nicht, wenn man flieht“. Sie erzählte von Müttern, die ihre Söhne, Soldaten, in den Krieg ziehen lassen müssen. Sie mahnte die Anwesenden, nicht in Angst zu verfallen, denn Angst mache handlungsunfähig. Inständig bat Olga Zoria-Kopischke alle, sich gut zu informieren, da es viel Propaganda gebe: „Und bitte sagt allen, was bei uns in der Ukraine passiert. Geht auf die Straße und berichtet von der Gewalt, die uns angetan wird. So kann man vielleicht die Welt retten.“

Abgeordneter Jung: „Dieser Krieg muss ein Ende haben.“

Auch CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung war gekommen, um der Solidaritätsaktion beizuwohnen. Er beschrieb, dass es wohl niemanden kalt lasse, dass in der Ukraine, „nicht weit von uns, Soldaten sterben, aber auch Zivilisten, ja sogar Kinder“. Jung sagte: „Nun haben wir einen Krieg in Europa, verursacht durch einen Präsidenten, der die Freiheit als Bedrohung empfindet“. Jung schwor die Anwesenden darauf ein, dass diese zusammenhalten müssten, dass man eine gemeinsame Verantwortung trage, „mit unseren Partnern in der Wertegemeinschaft des Westens“. Der Abgeordnete forderte: „Dieser Krieg muss ein Ende haben“. Man habe sicher mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen, aber Frieden und Freiheit seien wichtiger.

Mit Friedenslichtern in der Hand: Die Menschen in Stockach zeigen ihre Betroffenheit über den von Putin begonnen Krieg in der Ukraine.
Mit Friedenslichtern in der Hand: Die Menschen in Stockach zeigen ihre Betroffenheit über den von Putin begonnen Krieg in der Ukraine. | Bild: Constanze Wyneken

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Stockacher Familie Gräsle (Orgel/Klavier und Cello) und Christian Bär mit Band. Auch der evangelische Pfarrer Rainer Stockburger und sein katholischer Kollege Thomas Huber sprachen tröstende Worte und Gebete vor dem mit den ukrainischen Farben geschmückten Altar. Stockburger sagte: „Es wurden Ukrainer und Ukrainerinnen an das Kreuz genagelt – darum die Nationalflaggen auf dem Altar“. Die Pfarrer luden dann die große Menge der Anwesenden zu einer stillen Mahnwache mit Friedenslichtern vor der Katholischen Kirche St. Oswald ein: „Frieden fängt dort an, wo wir anfangen, darüber zu reden. Aber manchmal reichen auch Worte nicht aus.“