Immer wieder sorgt die jährlich veröffentlichte Zahl der Kirchenaustritte in den beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland für Aufsehen. Sowohl die Zahl der katholischen als auch die Zahl der evangelischen Christen im Land ist seit Jahren rückläufig, wie aus Daten des Online-Portals Statista hervorgeht.
Dennoch ist das Interesse, sich mit den Sinnfragen des Lebens auseinanderzusetzen, groß. Das merken auch Pastor Oliver Holler und Hermann Ziegler von der freien evangelischen Gemeinde in Stockach. Während andere Gemeinden schrumpfen, ist die junge Gemeinde in den drei Jahren, die sie nun bereits besteht, kontinuierlich gewachsen.
Die Gemeinde wächst
„Als wir im September 2022 mit unserer Gemeinde offiziell an den Start gegangen sind, hatten wir zwölf Erwachsene und zehn Jugendliche als Gemeindemitglieder“, berichtet Holler. Davor habe sich die Gemeinde im Wohnzimmer von Familie Kragler in Ursaul getroffen. Inzwischen sei die Gemeinde, die ihren Sitz in Ursaul hat, auf über 50 erwachsene und 20 jugendliche Mitglieder angewachsen.
Mit etwas Unterstützung der Muttergemeinde in Singen haben die Gemeindemitglieder in Ursaul eine Scheune zu ihrem Gemeindezentrum umgebaut. Hier finden im Sommer auch die Gottesdienste statt. Immer am zweiten, vierten und gegebenenfalls fünften Sonntag im Monat. „Im Winter dürfen wir sonntagmorgens die Räumlichkeiten der Tanzschule La Danse in Stockach nutzen“, so Holler.

Das Besondere in der Gemeinde sei, dass es keine klassische Hierarchie gebe. Jeder darf sich einbringen. „Wir versuchen, die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen“, sagt Pastor Holler. So gebe es in den Gottesdiensten moderne Lieder aus dem 21. Jahrhundert, live gespielt von der Lobpreis-Band der Gemeinde. Bei den Gottesdiensten wird immer sonntags um 10 Uhr gemeinsam gestartet, dann gibt es einen eigenen Kindergottesdienst. Neben Pastor Holler gibt es vier weitere Gemeindemitglieder, die als Prediger fungieren, die Gottesdienstleitung übernehmen vor allem Frauenübernehmen, berichten Holler und Ziegler.
Erstmals gibt es einen Alpha-Kurs
„Wir möchten die Menschen dazu ermutigen, eine persönliche Beziehung zu Gott zu finden, indem wir darüber berichten, wie wir Gott erfahren haben und was das in uns bewirkt hat“, sagt Hermann Ziegler. Dazu wagt sich die Gemeinde nun auf Neuland und bietet erstmals einen Alpha-Kurs an. Im Rahmen dieses Formats haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich über die großen Fragen des Lebens auszutauschen.
Der Alpha-Kurs soll den Teilnehmern Raum bieten, um sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. Jeder Abend besteht aus drei Elementen: gemeinsamem Ankommen und Abendessen, einem rund 30-minütigen Video-Input und Diskussion in der Kleingruppe. Die insgesamt zehn Termine finden jeweils dienstags von 19 bis 20.45 Uhr in der Gemeindescheune in Ursaul statt.
Auch Katholiken bieten Alpha-Kurs
Parallel bietet auch die katholische Seelsorgeeinheit einen Alpha-Kurs an, wie Diana Senn vom dortigen Organisationsteam berichtet. Dort finden die Abende jeweils mittwochs um 19 Uhr im Pallottiheim statt. Der erste Abend startet hier allerdings bereits am Mittwoch, 12. März. „Gerne können Interessierte die ersten Abende einfach zum Schnuppern nutzen, um zu schauen, ob der Kurs etwas für Sie ist“, heißt es in der Ankündigung. Anmeldungen werden über das Pfarrbüro entgegengenommen.
„Wir haben uns extra mit der katholischen Gemeinde abgesprochen, damit sich die Kurse nicht überschneiden und wir so zwei unterschiedliche Termine in der Woche anbieten können“, erklärt Oliver Holler. Inhaltlich seien die Kurse der katholischen und der freien evangelischen Gemeinde exakt gleich, so Holler. Überhaupt funktioniere die Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Gemeinden in Stockach gut und freundschaftlich. Gemeinsam organisieren die Gemeinden auch die Stockacher Bibelwochen, die am Dienstag, 11. März begannen und mit wöchentlichen Treffen immer dienstags bis zum 8. April laufen.
Gemeindemitglieder zahlen keine Kirchensteuer
Der wesentliche Unterschied zu anderen christlichen Gemeinden sei, dass die FEG nicht in die hierarchischen Strukturen einer Kirche eingebunden ist. „Wir ermutigen die Menschen, selbst in der Bibel zu lesen und sich eine eigene Meinung dazu zu bilden“, sagt Holler. Hermann Ziegler fügt hinzu: „Wir sind frei von Zwängen und alles beruht auf Freiwilligkeit.“ Das beziehe sich auch auf die finanziellen Fragen der Gemeinde. Die Mitglieder zahlen keine Kirchensteuer, sondern entscheiden selbst, inwiefern sie die Gemeinde durch Spenden finanziell unterstützen möchten. „Bei uns entscheidet auch jeder frei über seine Mitgliedschaft zur Gemeinde“, sagt Holler. Eine Kindertaufe gebe es nicht. Wer möchte, kann sich mit Erreichen der Religionsmündigkeit, also mit 14 Jahren, taufen lassen.
Voraussetzung für die Teilnahme am Alpha-Kurs ist das jedoch nicht. „Das Faszinierende am Alpha-Kurs ist für mich, eine Plattform zu schaffen, auf der man sich über die tiefen Fragen des Lebens austauschen kann“, sagt Holler. Werbung für eine Mitgliedschaft in der Gemeinde stehe dabei nicht im Vordergrund, betont er. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung zum Alpha-Kurs gibt es auf der Internetseite der freien evangelischen Gemeinde.