Erst fand sie selbst einen Igel, nun päppelt sie bis zu sechs der kleinen stacheligen Tiere gleichzeitig auf: Igelmutter Wahlwies – das ist das Herzensprojekt von Nadine Hetzel. Seit sechs Jahren nimmt sie in ihrem Keller in Kleintierkäfigen Igel auf. Von September bis zum Jahresende ist der Bedarf besonders hoch. Finder klingeln an der Tür oder rufen an. Viel läuft über WhatsApp. „Keine Ahnung, woher die Menschen meine Nummer haben“, wundert sich Nadine Hetzel.

Sie kam durch Zufall zu ihrer Tätigkeit. „Ich habe einen Igel gefunden. Dann ist es eher unabsichtlich immer mehr geworden. Ich habe sehr viel von Tierärzten gelernt, die haben mich abgeholt.“ Mit jedem Tier lerne sie dazu – und hat nach eigenen Angaben innerhalb von zweieinhalb Jahren schon 105 Igel stationär betreut.

Wie die Arbeit abläuft

Wenn sie ein Tier aufnimmt, macht sie als Erstes eine Sichtkontrolle: Sie prüft, ob der Igel Verletzungen hat, einen klaren Gang zeigt, ob es einen Madenbefall gibt. „Gerade an schwache, verletzte Tiere gehen Fliegen dran“, erklärt sie dazu. Wenn alles in Ordnung und der Igel stabil ist, wird er entfloht, gegebenenfalls von Zecken befreit und auf eine Wärmeplatte gelegt. Eine handwarme Wärmflasche funktioniert auch.

Die erste Woche bleibt der Igel auf jeden Fall bei ihr. „Ich biete alles an Futter an, also Trockenfutter, Nassfutter und auch Rührei. Es gibt verschiedene Vorlieben. Manche fressen alles, manche sind zu schwach, um Futter aufzunehmen.“ Teilweise seien die Tiere auch dehydriert und brauchten Flüssigkeit. Nadine Hetzel weist darauf hin, dass Igel Laktose-intolerant sind und empfiehlt Wasser.

Wolfgang Kammerlander (links) und Manfred Peter lassen sich erklären, wie Nadine Hetzel mit dem bildgebenden Mikroskop arbeitet. Fotos ...
Wolfgang Kammerlander (links) und Manfred Peter lassen sich erklären, wie Nadine Hetzel mit dem bildgebenden Mikroskop arbeitet. Fotos können direkt an Tierärzte geschickt, Diagnosen besprochen und Behandlungen festgelegt und begonnen werden. Dadurch wird kranken Igeln eine unnötige Leidenszeit erspart. | Bild: Claudia Ladwig

Wie das Mikroskop zum Einsatz kommt

Später kontrolliert sie, was gefressen wurde und nimmt drei Tage lang Kotproben. Diese untersucht sie und schaut mithilfe des Mikroskops, ob und wenn ja welche Parasiten vorhanden sind. Sie sei der verlängerte Arm der Tierärzte, beschreibt sie.

Für ihre Diagnose-Arbeit hat ihr die Bürgerstiftung Stockach nun ein bildgebendes Mikrofon als Dauerleihgabe gegeben. Damit könne sie nun direkt mit Tierarzt und Labor in Kontakt treten. „Das spart enorm viel Zeit, weil der Postweg wegfällt.“ Dadurch verkürzt sich die Zeit bis zur notwendigen Medikamentengabe bei kranken oder sehr jungen Tieren um bis zu einer Woche.

Ein Nachbar hatte die Bürgerstiftung Stockach über ihr großes ehrenamtliches Engagement für die Igel informiert. Sie habe davon gar nichts gewusst, bis der Anruf von Manfred Peter aus dem Vorstand der Bürgerstiftung gekommen sei, sagt Nadine Hetzel. Sie sei sehr dankbar für die große Hilfe.

Igel kommen in Pflegefamilien

Momentan hat sie nur kleine Igel bei sich. Sie gehe bei einem jungen Tier in der Natur von fünf bis zehn Gramm Zunahme am Tag aus und überlege vor der Aufnahme, ob das Tier es rein rechnerisch draußen schaffen könne. „Jetzt ist Schlafenszeit. Wenn ich feststelle, dass das Tier, selbst wenn es draußen die optimale Ernährung hätte, nicht auf das nötige Schlafgewicht kommen kann, entnehme ich es der Natur, weil es draußen keine Überlebenschance hätte.“

Im Schnitt bleibt ein Igel drei bis vier Wochen bei ihr, dann übernehmen Pflegefamilien. Einige helfen schon seit fünf Jahren. Sie leben zum Teil sogar im Schwarzwald. „Ich rufe sie an und im Idealfall holen sie das Tier ab. Dann bleibt mir mehr Zeit für die anderen Tiere.“

Jung-Igel Angie aus Eigeltingen auf einer Wiese.
Jung-Igel Angie aus Eigeltingen auf einer Wiese. | Bild: Manuela Martin

Das Engagement kostet viel Zeit

Die Arbeit für die Igel ist durchaus zeitintensiv. Sie rechne eine halbe Stunde pro Tier pro Tag, wenn es kein schwerer Fall sei. Jeden Tag werden die Igel gewogen. Die Ernährung wird individuell angepasst. „Tiere, die nicht selbstständig fressen, bekommen viermal täglich eine Futterspritze. Auch eine Wundbehandlung mache ich zweimal täglich.“ Hinzu kommen die Desinfektion der Gehege und Näpfe und das Auslegen mit Zeitungspapier.

Nadine Hetzel kann in ihrem Kellerraum nur wenige Igel parallel aufnehmen. Sie veröffentlicht daher auch keine Kontaktdaten. Fünf Tiere haben Platz, 15 Igel hat sie seit Oktober bereits in Pflegefamilien untergebracht. Diese Familien betreut sie und steht für Fragen jederzeit zur Verfügung. Sollte ein Igel Probleme bekommen oder sich nicht wunschgemäß entwickeln, kommt er zurück zu ihr.

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Sie bezahlt alles selbst oder über Spenden

Seit Ende Juli 2021 hatte sie nach eigenen Angaben 105 Igel stationär. Die Igel, die in Pflegefamilien betreut wurden, hat sie gar nicht notiert. Eigentlich seien beinahe das ganze Jahr hindurch Igel da, sagt sie. Für die Tiere kümmere sie sich um alles: Bestellungen, Tierarztabstimmung, Tierarztfahrten, Futter, Medikamente und Labor. Die Kosten für Benzin, Energie und den Raum trägt sie allein.

„Das mache ich aus Liebe zum Igel, da weiß ich, wofür ich mein Geld einsetze.“ Im Seeblickhof Wahlwies hat sie auch eine Spendenkasse aufgestellt. Sie freue sich über jeden noch so kleinen Beitrag, betont sie. „Die Spenden verwende ich ausschließlich für Futter, Medikamente und Tierarzt.“