Wird Marcel K. doch noch wegen Mordes verurteilt? Mit dieser Frage beschäftigt sich nun die dritte Kammer des Schwurgerichts am Landgericht Konstanz unter Vorsitz von Richter Joachim Dospil. Denn am Montag, 7. Oktober, begann dort der zweite Prozess gegen 24-Jährigen. Laut Anklage soll er Sabrina P., seine damalige Freundin und Mutter des gemeinsamen Kindes, am 13. Januar 2023 nach einem Streit aus „Wut und Hass“ erdrosselt und ihre Leiche anschließend vom Balkon der Wohnung ins Gebüsch geworfen haben.
Nachdem der geständige Marcel K. in einem ersten Prozess am Landgericht Konstanz im Frühjahr 2023 hierfür bereits wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war, legten Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin Revision gegen das Urteil ein. Der Bundesgerichtshof gab dieser statt, nun wird der Prozess erneut in Konstanz und mit Anklage auf Totschlag geführt. Möglich ist aber auch eine Verurteilung wegen Mordes.
Marcel K. zeigt sich auffällig emotionslos
Mit klirrenden Fesseln an Händen und Füßen und gesenktem Blick betrat Marcel K., der seit Januar 2023 in Untersuchungshaft sitzt, beim Prozessauftakt in Begleitung von drei Justizbeamten den Konstanzer Gerichtssaal. In seiner knapp zweistündigen Befragung durch das Schwurgericht, Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth, einem Sachverständigen sowie Gerhard Zahner, dem Anwalt der Nebenklage, äußerte sich Marcel K. zu seiner Kindheit, der Tat und dem Zeitraum davor und danach.
Die meiste Zeit sprach er auffällig monoton und emotionslos. Er wiederholte in der Verhandlung weitgehend seine Aussagen aus dem ersten Prozess. Dennoch äußerte er sich mehrfach widersprüchlich im Vergleich zu Aussagen bei der Polizei und der Haftprüfungsrichterin im Januar 2023. An einige Details zum Tathergang konnte er sich laut eigener Aussage nicht mehr erinnern, andere Schilderungen sorgten für Zweifel.
Schwierige Kindheit und viel Streit mit dem Opfer
Über die Lebensumstände des Angeklagten verlas Richter Joachim Dospil aus einer früheren Aussage von Marcel K. Dort hatte dieser von einer schwierigen Kindheit, unter anderem mit vielen Umzügen und einer Unterbringung in einem Kinderheim, berichtet. Er habe ab dem Alter von 15 Jahren begonnen, Alkohol sowie verschiedene Drogen zu konsumieren. Zwei Ausbildungen habe er abgebrochen, zuletzt auf 450 Euro-Basis gearbeitet.
Die etwa zwei Jahre andauernde Beziehung mit Sabrina P. beschrieb Marcel K. wie schon in der ersten Verhandlung als wechselhaft. Mehrmals habe man sich für wenige Tage oder Wochen getrennt und dann wieder zusammengefunden. Grund dafür seien regelmäßige Streitereien gewesen, da Sabrina P. ihm vorgeworfen habe, er kümmere sich zu wenig um das gemeinsame Kind, habe Kontakt zu anderen Frauen und würde zu wenig arbeiten.
Angeklagter spricht von Tat im Affekt
Die Tat selbst berichtete der Angeklagte nahezu emotionslos. Als er von der Arbeit nach Hause gekommen sei, habe seine Freundin ihm die üblichen Vorwürfe gemacht. Doch diesmal sei der Streit eskaliert – und laut Marcel K. erstmals körperlich geworden. Beide seien lauter geworden, hätten „sich gegenseitig hochgeschaukelt“ und einander geschubst.
Aus blinder Wut habe er sie plötzlich am Hals gepackt und mit beiden Händen etwa zwei bis drei Minuten gegen die Wand des Wohnzimmers gedrückt. „Ich habe komplett den Faden verloren“, so der Angeklagte.

Danach seien sie gemeinsam zu Boden gegangen. Ob Sabrina P. sich dabei noch bewegte oder regungslos zusammensackte, daran konnte Marcel K. laut eigener Aussage nicht mehr erinnern. Auf dem Boden habe sie mit ihrem Rücken auf ihm gelegen. „In Panik“ habe er anschließend zu einem Kabel, das sich in der Nähe unter einem Tisch befand, gegriffen, es zweimal um ihren Hals gewickelt und erneut für mehrere Minuten zugezogen.
Auf Rückfragen zum genauen Ablauf antworte er nicht klar. „Das Einzige, was ich noch weiß, ist, wie ich das Kabel um sie gewickelt habe“, sagte er. Aufgehört habe er, weil sie sich nicht mehr bewegt habe – und erst dann realisiert, was er getan hat. Geplant habe er dies zuvor nicht, beteuerte Marcel K. mehrfach.
Kalkül oder Affekt? So handelte Marcel K. nach der Tat
Anschließend habe er die Leiche der jungen Frau auf den Balkon geschleift und von dort über das Geländer ins Gebüsch geworfen – laut eigener Aussage noch immer in Panik. In der Folge habe er ihr Smartphone ausgeschaltet und ebenso wie ihren Geldbeutel versteckt.
Danach habe er das gemeinsame viermonatige Baby angezogen und mit einem Freund Alkohol gekauft und Drogen konsumiert. Das Kind habe er später seiner eigenen Mutter gebracht. Bekannten erzählte er, Sabrina P. sei nach dem Streit fortgegangen und habe ihn mit dem Baby alleine gelassen. An der folgenden Suchaktion habe er sich nicht beteiligt.
Mehrfach betonte der Angeklagte, er habe die ganze Zeit über in Panik und im Affekt gehandelt. Doch einige Prozessbeteiligte zeigten sich davon wenig überzeugt. Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth stellt den von Marcel K. geschilderten Ablauf der Tat infrage. Insbesondere das gemeinsame zu Boden sinken durch die Last der deutlich leichteren Sabrina P. und den Griff nach dem Kabel im Affekt fand Gerlach unglaubwürdig.
Ein Kriminaltechniker konnte anhand von Bildern am Tatort allerdings darlegen, dass diese Schilderung aufgrund der Abstände zwischen Wohnzimmerwand und -tisch zumindest theoretisch möglich sei.
War Marcel K. während der Tat nüchtern?
Zudem verstrickte sich Marcel K. in Widersprüche zu früheren Aussagen. Bei der Haftprüfung sagte er gegenüber der Haftrichterin noch, er habe am Tattag keine Drogen konsumiert. In seinen beiden Aussagen vor Gericht sprach er hingegen von Bier- und Cannabiskonsum, was er bei der Haftprüfung wegen seines „Schockzustandes“ vergessen habe.
Für einen weiteren Widerspruch sorgte eine zweite Tat. So tötete Marcel K. einen Tag nach Sabrina P. auch noch deren kleines Kätzchen mit mehreren Tritten. Auch dies sei noch immer im Affekt geschehen, sagte er. Gerhard Zahner, Anwalt der Nebenklägerin, wies darauf hin, dass das Verhalten des Angeklagten direkt nach der ersten Tat sehr klare Abläufe zeige und logisch sei. „Wie passt das alles zu einer Handlung im Affekt einen Tag später?“, fragte er.
So erlebten Polizisten den Angeklagten
Laut Aussage zweier Polizisten war der Angeklagte an den Tagen nach der Tat auffällig emotionslos, obwohl er das spurlose Verschwinden seiner Freundin schilderte und eigentlich aufgelöster hätte sein müssen. „Seine Kälte ist mir schon damals aufgefallen, er war relativ gleichgültig“, berichtete ein Beamter.
Ein Kriminaltechniker schilderte zudem das Auffinden der Leiche und der Spurensicherung. So sei der Fundort vom Balkon aus nicht einsehbar und schwer zugänglich gewesen. Zudem habe man eine künstliche Wimper der Toten hinter dem Fernseher gefunden, die womöglich durch einen vorherigen Faustschlag abgelöst worden sein könnte. Am Kopf der Getöteten fand die Gerichtsmedizin außerdem ein Hämatom, das ebenfalls auf einen Schlag hindeuten könnte, wie im ersten Prozess schon bekannt wurde.
Allerdings sagte der Angeklagte aus, er habe Sabrina P. nicht geschlagen. Das Hämatom sei vermutlich entstanden, als ihm die Leiche aus der Hand gerutscht sei, die Wimper durch das Schubsen abgefallen.
Fortgesetzt wird der Prozess nun am Dienstag, 8. Oktober, um 9 Uhr. Aussagen soll das persönliche Umfeld der Getöteten, darunter ihre Schwester sowie mehrere Freundinnen.
Alle Informationen zum erneuten Prozess gibt es hier.