Eine nahezu grundlose Schlägerei, mehrere Faustschläge, drei verletzte Jugendliche: Die Anklagevorwürfe gegen einen 20-jährigen Stockacher lasen sich heftig, am Ende gingen der Täter und seine drei Opfer im Stockacher Amtsgericht jedoch fast schon freundschaftlich miteinander um und gaben sich versöhnlich die Hand. Und das, obwohl eines der Opfer noch heute unter den Folgen der Tat leidet.

Die Staatsanwaltschaft warf einem inzwischen 20-Jährigen eine Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen vor. Am Tag vor Silvester 2023 soll er auf dem Parkplatz des McDonald‘s in Singen gegen 4 Uhr morgens mit einem gleichaltrigen Überlinger in Streit geraten sein und diesen dreimal mit der Faust ins Gesicht und an den Kopf geschlagen haben. Dessen damaliger 21-jähriger Freundin soll er zudem eine Ohrfeige sowie einem weiteren 21-jährigen Begleiter ebenfalls einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben.

Angeklagter gesteht und bereut die Tat

Der Angeklagte zeigte sich vor Gericht weitgehend geständig und ehrliche Reue. So sagte er nach kurzem Herumdrucksen aus, Anlass für den Streit sei seine damalige Ex-Freundin gewesen, mit der er zur Tatzeit eine kurze Beziehungspause gehabt habe. Er habe erfahren, dass auch das 20-jährige Opfer kurze Zeit etwas mit ihr gehabt habe. Am Tatabend habe er diesen zufällig auf dem Parkplatz anhand seines Autos erkannt.

Er habe ihn deshalb zur Rede gestellt und es sei zunächst zu einem verbalen Streit gekommen. Im Anschluss habe er einmal mit der Faust zugeschlagen. An weitere Schläge konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Vor allem das Mädchen habe er seiner Erinnerung nach „auf keinen Fall angefasst“. Danach seien etliche Leute dazwischen gegangen und er habe versucht zu flüchten.

„Ich glaube, er ist kein böser Junge und wird so etwas auch nicht mehr machen“, sagt Theo Rüttinger von der Jugendgerichtshilfe über den ...
„Ich glaube, er ist kein böser Junge und wird so etwas auch nicht mehr machen“, sagt Theo Rüttinger von der Jugendgerichtshilfe über den Angeklagten. | Bild: Schneider, Anna-Maria

„Ich war ziemlich betrunken, deshalb kam alles in mir hoch. Ich weiß aber, dass es dumm war, weil er nichts falsch gemacht hat. Es tut mir leid“, erklärte der Angeklagte vor Gericht. Die drei Geschädigten habe er seither nicht mehr gesehen, er habe sich per Instagram aber kurz nach der Tat entschuldigt, berichtete er.

Streit wegen einer Frau

Auch die drei Opfer konnten sich vor Gericht nicht mehr besonders gut an den Vorfall erinnern. „Ich habe nur noch eine begrenzte Erinnerung“, sagte der 20-jährige Überlinger aus. Er berichtete, dass er mit seiner damaligen Freundin und weiteren Freunden zuvor feiern und anschließend im McDonald‘s essen gewesen sei. Als er dort saß, habe ihn ein Freund angerufen, dass jemand draußen um sein Auto herumschleiche.

Draußen angekommen, habe ihn der Angeklagte angesprochen und zu seinem Verhältnis zu dessen Ex-Freundin befragt. „Ich konnte mich kaum daran erinnern, weil es schon zwei Jahre her ist, aber habe es dann bestätigt. Als ich mich gerade wieder zur Tür umdrehen wollte, bekam ich von hinten einen Schubser oder Schlag an den Hinterkopf“, sagte der 20-Jährige vor Gericht aus. Daraufhin seien seine Freundin, mehrere Mitarbeiter der Filiale und weitere Freunde dazwischen gegangen. Von weiteren Angriffen wisse er nichts.

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Die damalige Freundin Geschädigte bestätigte diese Aussagen weitgehend. Sie berichtete zudem, der Angeklagte habe ihr durch einen Schubser die Fingernägel abgebrochen und zudem eine Ohrfeige gegeben, als sie dazwischen gehen und ihn zur Rede stellen wollte. Genaueres wisse sie nicht mehr. Der dritte Geschädigte berichtete von einem Schlag gegen sein Auge. Fotos der Polizei von dem Abend zeigten leichte Verletzungen, die die Schilderungen der drei Opfer unterstrichen.

Versöhnung im Gerichtssaal

Alle drei zeigten jedoch wenig Belastungseifer. So erklärte das Opfer: „Wir haben uns davor und danach nie mehr gesehen. Es war ein dummer Zufall, dass wir uns an dem Abend begegnet sind. Man hat halt manchmal seine Differenzen, da kann so etwas passieren, auch wenn es nicht sein sollte. Wenn jemand verletzt ist, reagiert er halt emotional. Für mich ist es geklärt.“ Er sei auch nicht zivilrechtlich gegen den Täter vorgegangen.

Lediglich die junge Frau sagte aus, dass ihr der Vorfall noch immer etwas zu schaffen macht. Sie meide seither Menschenmengen und Parkplätze bei Nacht. Aber, sagte auch sie: „Die Situation ist für mich gegessen.“ Alle drei akzeptierten die Entschuldigung des Angeklagten.

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Jugendgerichtshilfe: „Er ist kein böser Junge“

Theo Rüttinger von der Jugendgerichtshilfe berichtete, er kenne den Angeklagten seit dessen erstem Verfahren vor vier Jahren. „Ich glaube, er ist kein böser Junge und wird so etwas auch nicht mehr machen“, urteilte er. Der 20-Jährige habe nach der Trennung seiner Eltern eine zeitweise schwere Kindheit gehabt.

Inzwischen lebe er alleine mit seiner schwerkranken Mutter zusammen und finanziere mit seinem Gehalt auch deren Lebensunterhalt. Er habe über Umwege die Fachhochschulreife erworben und wolle im September eine Ausbildung beginnen. „Er ist auf einem guten Weg und deutlich gereift“, so Rüttinger.

Da die Tat bereits über ein Jahr zurückliegt, empfahl er dennoch Jugendstrafrecht. Er hielt eine Wiedergutmachung von 100 bis 200 Euro je Opfer für angemessen, weitere Auflagen oder Weisungen jedoch nicht.

So fiel das Urteil aus

Staatsanwältin Fischer schloss sich dieser Einschätzung in ihrem Plädoyer weitgehend an. Sie hielt zumindest den ersten Schlag gegen den 20-Jährigen sowie die Angriffe auf die beiden weiteren Opfer für erwiesen. „Sie haben drei Leute verletzt, das ist nicht ohne“, sagte sie. Allerdings wirke sich seine glaubhafte Reue, seine ehrliche Entschuldigung, das Geständnis und die sehr gute Entwicklung seither positiv aus. Sie plädierte daher auf eine Verwarnung mit 200 Euro Schmerzensgeld pro Opfer.

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Richterin Melina Michalski folgte diesem Vorschlag in ihrem Urteil, stellte aber klar: „Sie machen heute einen guten Eindruck und sind auf einem guten Weg. Aber wenn so etwas noch einmal vorkommt, gilt kein Jugendstrafrecht mehr, dann landet so etwas schnell im Führungszeugnis. Damit würden sie sich all das Erreichte wieder einreißen.“