Erst war es Durchfall des Mannes, dann des Hundes – oder doch in beiden Fällen Exhibitionismus? Mit dieser Frage musste sich das Stockacher Amtsgericht zum Ende des Jahres an gleich zwei Sitzungstagen auseinandersetzen. Ein 71-jähriger Mann soll sich im Sommer dieses Jahres zweimal vor Häusern im Raum Stockach entblößt und selbst befriedigt haben. Er selbst gibt sich vor Gericht wortkarg, lässt jedoch von seinem Anwalt eine ganz andere Version der Geschichte präsentieren.

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Angeklagter soll sich zweimal öffentlich befriedigt haben

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 71-jährigen Mann aus dem Raum Stockach vor, im Sommer 2024 zweimal in der Öffentlichkeit die Hosen heruntergelassen zu haben, um sich vor fremden Häusern selbst zu befriedigen. Der erste Vorfall soll sich an einem Abend im Juli ereignet haben.

„Wir saßen abends im Wohnzimmer, als plötzlich der Hund angefangen hat, zu bellen“, berichtete der 62-jährige Zeuge des ersten Vorfalls. Als er an die große Fensterfront getreten sei, habe er den Angeklagten wenige Meter entfernt vor dem Grundstück in einem Feld stehen sehen. „Der Mann hat sich umgedreht und die Hose ganz heruntergezogen. Dann hat er sein T-Shirt hochgezogen und angefangen zu onanieren“, so die Schilderung des Zeugen.

Fotos dokumentieren den Vorfall

Der Vorgang soll mehrere Minuten gedauert haben. Der Mann, den der 62-jährige Zeuge und seine Frau von Hundespaziergängen kennen, soll ihn dabei angeschaut haben. „Ich habe Fotos gemacht und dann gleich die Polizei angerufen“, erklärte der Zeuge. Nachdem der 71-Jährige zum Höhepunkt gekommen sei, sei er weggelaufen, „als wäre nichts passiert“.

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„Es war eklig“

Ähnlich schilderte auch dessen 47 Jahre alte Frau den Vorfall. „Es war eklig. Ich habe es ganz genau gesehen“, betonte sie. Nach dem Vorfall wollen die beiden den Mann noch mehrmals bei Hundespaziergängen gesehen haben. „Es war ihm offenbar nicht peinlich. Wir haben dann immer gleich umgedreht“, erklärte sie.

Als dritter Zeuge wurde am ersten Verhandlungstag ein 45-jähriger Polizeibeamter angehört, der in dem Fall ermittelt hat. Er berichtete, dass am Tatort alles selbst aus größerer Entfernung gut einsehbar sei. Die Schilderungen des betroffenen Ehepaares, die er im Rahmen der Anzeige aufgenommen habe, halte er für glaubwürdig.

Eigentlich sollte danach noch ein weiterer Zeuge gehört werden, der Angaben zu einem zweiten Vorfall machen sollte. Doch da dieser nicht auftauchte, ging der Prozess wenige Tage vor Weihnachten in die zweite Runde. Diesmal zunächst mit einer Aussage des Anwalts, der die Vorfälle aus Sicht seines Mandanten schildert.

Anwalt schildert Durchfall-Geschichte

„Er war zum Zeitpunkt des ersten Vorfalls mit seinem Hund unterwegs. Weil er Magen-Darm-Probleme hatte, ist er auf das Feld gegangen, um dort in der Nähe eines Gebüschs seine Notdurft zu verrichten. In dem Moment, wo er aufstand, um sich abzuschütteln, hat der Zeuge das Foto gemacht“, so der Anwalt. Sein Mandant habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, zu onanieren.

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Das würde schon deutlich dadurch, dass der Ort, an dem er gestanden sei, weiter vom Haus entfernt war, als es auf dem Foto, das mit starkem digitalen Zoom aufgenommen sei, aussieht. „Zudem lässt die Entfernung gar nicht zu, zu erkennen, ob überhaupt jemand im Haus war“, betonte der Anwalt. „Wie soll er den Vorsatz gehabt haben, sich vor einer anderen Person zu entblößen, wenn er gar niemanden sehen konnte?“

Ist hier nur die Hose gerutscht?

Beim zweiten Vorfall soll der 71-Jährige vor einem Haus, in dem mehrere Frauen leben, die Hosen heruntergelassen haben. Da war laut dem Anwalt des Angeklagten kein Durchfall im Spiel. Zumindest kein menschlicher. „Der Hund meines Mandanten hat sein Geschäft dort verrichtet. Das wollte er aufheben. Dabei ist ihm die Jogginghose heruntergerutscht“, erklärte der Anwalt. Genau in diesem Moment sei der Zeuge dazugekommen und mit seinem aggressiven Hund auf den Angeklagten losgegangen. Dieser habe deshalb die Flucht ergriffen.

Bei besagtem Zeugen handelt es sich um einen 46 Jahre alten Mann, der das Ehepaar des ersten Vorfalls kennt. An einem Abend im September sei er mit seinem Hund unterwegs gewesen, als er den Angeklagten hinter einer Litfaßsäule gesehen habe, berichtet er und erklärt: „Er hatte die Hose bis zu den Knien unten und ich habe ihn auch stöhnen gehört. Dabei hat er das Haus angestarrt.“ Er habe den 71-Jährigen daraufhin angeschrien und gefragt, was das soll. Dann habe der Mann noch mit halb heruntergelassener Hose die Flucht ergriffen.

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Staatsanwaltschaft sieht Schuld als erwiesen an

Die Staatsanwaltschaft hält die vier Zeugen für glaubwürdig. „Für mich deckt sich die Einlassung mit dem Durchfall nicht mit dem Foto. Da geht es offensichtlich um sexuelle Handlungen, die öffentlich vorgenommen wurden. Der Angeklagte musste davon ausgehen, dass er gesehen wird“, so die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Sie forderte deshalb eine Strafe in Höhe von 85 Tagessätzen zu je 20 Euro.

Der Anwalt des Angeklagten beharrte in seinem Schlussplädoyer darauf: „Mein Mandant hat keinerlei Neigungen, sich öffentlich sexuell zu erregen. Das wird ihm von den Zeugen lediglich unterstellt.“ Und er ging noch weiter: Beim Paragrafen 183 des Strafgesetzbuches handle es sich um den einzigen Tatbestand, den nur ein Mann begehen kann. „Das halte ich für verfassungswidrig“, betonte er.

Richterin hält Erklärung für absurd

Richterin Melina Michalski sah die die Schuld des Angeklagten indes als erwiesen an. „Ich halte Ihre Einlassungen für absolut absurd“, erklärte sie zur Durchfall-Erklärung. „Der zweite Fall ist noch abstruser. Die Zeugen waren hingegen glaubwürdig. Sie konnten die Vorgänge neutral und detailreich wiedergeben“, so Michalski.

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Die Staatsanwaltschaft sei mit ihrer Forderung für die Strafe freundlich gewesen. Sie habe durchaus über eine Freiheitsstrafe nachgedacht, so Michalski. Allerdings handle es sich trotz allem um Taten, bei denen niemand direkt geschädigt worden sei. „Es gibt auch keinen Erfahrungssatz dafür, dass Exhibitionisten übergriffig werden. Wir können daher nicht davon ausgehen, dass er schlimmere Taten begeht“, so Michalski. Dennoch seien die Taten nicht zu billigen, machte sie deutlich.

Keine Milde beim nächsten Mal

Mit einer Verurteilung zu 80 Tagessätzen zu je 20 Euro, also einer Geldstrafe in Höhe von 1600 Euro, blieb sie knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Dem Angeklagten gab sie jedoch eine klare Botschaft mit auf den Weg: „Wenn Sie nochmal auffällig werden, können Sie nicht mehr mit Milde rechnen!“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte und sein Anwalt haben nach dem Prozess eine Woche Zeit, Rechtsmittel einzulegen.