Es ist nicht lange her, da gehörten Kuhställe noch fest ins Ortsbild jedes Dorfes. Heute ist es eine Seltenheit, innerorts noch einen Bauernhof zu finden. Vielen Menschen fehlt angesichts dessen der direkte Bezug dazu, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie sie erzeugt werden.
Erst die Tatsache, dass manches Supermarktregal in jüngster Zeit ab und zu leer ist, hat das Interesse an der Landwirtschaft wieder geweckt. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Landwirte Stefan Leichenauer aus Tengen-Uttenhofen, Andreas Deyer aus Stockach, Karl-Heinz Mayer aus Owingen und Kerstin Mock aus Markdorf im Bürgersaal der Adler-Post mit Jörg-Peter Rau aus der Chefredaktion des SÜDKURIER darüber, wie sicher die Lebensmittelversorgung ist, was getan werden muss, um wieder eine direktere Verbindung zwischen Landwirten und Verbrauchern herzustellen und ob es statt Getreidefeldern bald nur noch Freiflächen-Solaranlagen gibt.
Hohe Lebensmittelpreise
Die hohen Preise, die derzeit für viele Lebensmittel fällig werden, sind für die Landwirte kein Grund zur Freude. Denn bei den Bauern kommt davon nur bedingt etwas an. „Es wird gerade über Weizenpreise zwischen 400 und 500 Euro pro Tonne diskutiert.
Das sind aber Börsenpreise. In der Realität sind die nicht zu erreichen“, sagt Stefan Leichenauer und berichtet von einem Kollegen, der noch Weizen auf Lager hat, diesen aber momentan nicht zu den hohen Preisen verkauft bekommt. „Effektiv sind derzeit vielleicht 350 Euro pro Tonne zu bekommen.“ Karl-Heinz Mayer fügt in diesem Zusammenhang an: „Eigentlich müssten wir diese Preise schon lange haben. Nirgends war Essen so billig wie in Deutschland“.
Das Problem sei nur, dass gleichzeitig die Vorkosten deutlich angestiegen seien. Allein beim Dünger habe sich der Preis verfünffacht. „Wir Landwirte sind in Vorleistung gegangen mit den hohen Diesel-, Saatgut und Düngerpreisen. Daher bräuchten wir für die kommende Ernte den Vierer vor dem Weizenpreis, damit wir gewinnbringend wirtschaften können“, sagt Leichenauer.
Zum Vergleich: Vor wenigen Jahren lag der Weizenpreis noch bei 150 bis 200 Euro. Auch wenn bei Milchbäuerin Kerstin Mock durch gestiegene Milchpreise etwas mehr Geld ankommt, erschrecke sie, wenn sie beim Überweisen der Dieselrechnung für die Hoftankstelle merke, dass sie 10.000 Liter Milch verkaufen müsse, um 2000 Liter Diesel kaufen zu können.
Solarstrom oder Lebensmittel?
Diese Frage wird derzeit für manchen Landwirt interessant, schließlich könnten Freiflächensolaranlagen dazu beitragen, unabhängiger von importierter Energie zu werden. Das Problem: Oftmals werden dafür landwirtschaftliche Flächen genutzt, die dann nicht mehr zur Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung stehen. Und in Zeiten, in denen hohe Pachtsummen für solche Solarflächen bezahlt werden, kann es für die Besitzer von Ackerflächen interessanter sein, diese zur Stromproduktion zu verpachten statt an einen Bauern.
Deshalb habe der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) Landkreis Konstanz zusammen mit dem Landratsamt und der Handwerkskammer eine Initiative dafür gestartet, dass zuerst freie Dachflächen für die Installation solcher Anlagen genutzt werden sollen, erklärt Leichenauer.
Hierzu sei aber erforderlich, dass das Netz entsprechend ausgebaut werde, um den Strom auch verteilen zu können. In der Summe würden Freiflächensolaranlagen nach Ansicht von Andreas Deyer nicht zur großen Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion werden.
Fleischproduktion und Klimawandel
Oft werde kritisiert, dass Fleischproduktion klimaschädlich ist und die Produktion von Tierfutter viele Ressourcen verschlingt. In diesem Zusammenhang müsse man aber an den Kreislauf denken: „Wenn ich organischen Stickstoffdünger aus Gülle und Mist für meine Felder haben will, dann muss ich auch Tiere haben, die das produzieren“, sagt Leichenauer und verweist dabei auch darauf, wie viele Abfälle aus der Nahrungsmittelproduktion im Futtertrog landen und so noch verwertet werden können.
Laut Kerstin Mock gibt es auch Flächen, die gar nicht dafür geeignet seien, um Lebensmittel für Menschen anzubauen. Das Gras, das dort wächst, könne aber sehr wohl von Kühen verwertet werden, die dann wiederum Milch und Fleisch produzieren, die für den Menschen genießbar seien.
Stichwort Ernährungssicherheit
Hier ruft Andreas Deyer zu mehr Gelassenheit auf. „Ich glaube, wir können uns nach wie vor ernähren, auch wenn mal das ein- oder andere Regal leer ist“, sagt er. Letzte Sicherheit gebe es aber nie.
„Wenn wir in der Erntezeit beispielsweise keine Energie hätten, dann wäre das eine Katastrophe. Aber generell sind wir so gut aufgestellt, dass wir Landwirte die Bevölkerung versorgt bekommen.“ Karl-Heinz Mayer pflichtet ihm bei. „Wir haben absolute Luxusprobleme in Europa. Die wahren Probleme in Bezug auf die Ernährungssicherheit finden sich auf dem afrikanischen Kontinent.“
Entfremdung zwischen Verbraucher und Landwirt
Bei vielen Menschen fehle der Bezug dazu, wo ihre Nahrung herkommt, merkt Karl-Heinz Mayer immer wieder bei seinen Feriengästen. Ihm wäre deshalb wichtig, dass das Thema Ernährung einen größeren Stellenwert in den Schulen bekommt. In Markdorf sei man dahingehend ein kleines Stück weiter.
Dort gebe es einen Schulacker, berichtet Kerstin Mock und betont in diesem Zusammenhang: „Wir müssen auch lernen, offener auf die Leute zuzugehen, die mit kritischen Fragen zu uns kommen. Da ist gegenseitiges Vertrauen und das Gespräch auf Augenhöhe ein wichtiger Punkt.“ Karl-Heinz Mayer hat da schon Aha-Momente bei seinen Feriengästen erlebt.
„Ich versuche immer zu erklären, dass niemand ein größeres Interesse daran hat, dass es den Tieren gut geht als der Landwirt selbst. Wenn sich ein Tier wohlfühlt, habe ich weniger Ausgaben für Tierarztkosten und bekomme höhere Erträge was Milchproduktion und Gewichtszunahme angeht“, so Mayer.
Und Stefan Leichenauer ist überzeugt: „Auch wenn mal eine Diskussion nicht so positiv verläuft, sollte man sie zumindest so führen, dass man am Ende mit einem Handschlag vom Acker gehen kann, denn Menschen mit ihren kritischen Fragen einfach stehen zu lassen bringt nichts.“