Stockach – Ein Hauch von Perückenpuder und Reifrockrauschen waberte durch das Bürgerhaus Adler Post, als Flötistin Christina Fassbender und Gregor Hollmann am Cembalo am Freitagabend die neue Saison der Stockacher Meisterkonzerte eröffneten. Mit dem Konzertabend „Grand Tour“, also ganz dem barockhaft-höfischen Jargon verbunden, erlebten die Zuhörerinnen und Zuhörer einen fulminanten Auftakt der Konzertreihe. Die beiden Ausnahmekünstler boten ihrem Publikum wahre, auf goldschnörkeligem Tablett angerichtete, musikalische Leckerbissen – Barockes nämlich von unter anderem auch relativ unbekannten Komponisten bis hin zur frühen Klassik.
Staunen machte allein schon die erste Komposition, eine Sonate von Augustinus Reinhard Stricker (aus dem Jahr 1718 oder 1719) voller Eleganz und höfischer Würde, mit sanftem, aber bestimmten Ausdruck intoniert von Christina Fassbender. Staunen vor allem auch darum, weil die konzertierenden Künstler diese Sonate erst vor kurzer Zeit in einem Archiv in Brüssel entdeckt hatten. Dann eine Sonate (C-Dur BWV 1033) von Johann Sebastian Bach, welche in einem barocken Reigen natürlich nicht fehlen durfte und welche zumindest im zweiten Satz eindeutig aus des Großmeisters Feder stammte. Dass aber das dritte Stück des Abends, die Sonate in e-Moll (Wq. 124) von einem weiteren Bach, nämlich dem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach, sieben Jahre nach dem soeben beschriebenen Stück (1737) komponiert worden war, das weiß man. Und dass in dieser Sonate eine Geschichte von Liebe und Leid erzählt wurde, konnte man leibhaftig durch Christina Fassbenders mitreißendes Spiel über Gregor Hollmanns solidem und doch fein ziseliertem Klangteppich erspüren.
Weitere beeindruckende Werke des Abends – zum Beispiel von Georg Czarth, einem böhmischen Komponisten, der auch im Dienst Friedrichs des Großen (von Preußen) gestanden hatte, von Michel de la Barre, von Antoine Hugot oder von François Devienne, zu seiner Zeit ein berühmter Solist und Musikpädagoge – zeigten eine, wie Gregor Hollmann dem Publikum erklärte, ganz neue Musiksprache. Die Werke seien „Wegbereiter der Klassik“, und teils konnte man beinahe schon mozartsche Anklänge erlauschen – so man ein Ohr für so etwas hat.
Besonders eindrucksvoll dürfte die Komposition „La Folia“ (übersetzbar als „lärmende Lustbarkeit“) aus dem Jahr 1700 von Arcangelo Corelli, dem vielmals als „Superstar der Barockmusik“ bezeichneten Komponisten, für die Zuhörer gewesen sein – damals wie heute. Damals, weil die musikalische Exzentrik und ekstatische Steigerung des Stückes den damaligen Zuhörern höhere Sphären eröffnet haben dürfte. Heute, weil auch hier wieder Christina Fassbender auf goldener Sankyo-Querflöte und Gregor Hollmann perfekt miteinander harmonierten, musizierten, jubilierten und euphorisierten.
Stimmen aus dem Publikum, zum Beispiel von Herta Kaibel, Neubürgerin aus Stockach, unterstrichen das für manchen Zuhörer unerwartet hohe, musikalische Niveau und lobten Fassbenders musikalisch motivierten körperlichen Ausdruck.