Hatte der zweite Prozess im Fall der getöteten Sabrina P. vor dem Landgericht Konstanz am Montag mit der Aussage des Angeklagten Marcel K. noch emotionslos und kalt begonnen, so ging es am zweiten Verhandlungstag umso emotionaler und persönlicher weiter – mit Tränen und heftigen Vorwürfen gegen den Angeklagten.

Denn am Dienstag, 8. Oktober, kam das persönliche Umfeld der Getöteten und des Angeklagten, der seine damalige Freundin Sabrina P. im Januar 2023 in der gemeinsamen Wohnung in Stockach erdrosselt und dann vom Balkon geworfen haben soll, zu Wort. So sagten die Schwester von Sabrina P., mehrere ihrer Freundinnen sowie der ehemalige Chef und ein Bekannter des Angeklagten aus. Sie zeichneten ein ähnliches Bild von Sabrina P. und Marcel K. wie schon in der ersten Verhandlung – und berichteten von den Tagen nach der Tat.

Zeugen beschreiben Sabrina P. als ruhig und liebevoll

Zunächst sagte Katharina P., Schwester des Opfers und Nebenklägerin, sehr ruhig und gefasst aus. Sie beschrieb die Getötete als ruhigen und liebevollen Menschen. Auch die beste Freundin der Getöteten, Christina H., sagte im Zeugenstand: „Sie war die liebevollste Person, die ich kenne, und hat andere immer über sich gestellt.“

Der Vorsitzende Richter Joachim Dospil bei einer Verhandlung im gleichen Gerichtssaal des Konstanzer Landgerichts im Oktober vergangenen ...
Der Vorsitzende Richter Joachim Dospil bei einer Verhandlung im gleichen Gerichtssaal des Konstanzer Landgerichts im Oktober vergangenen Jahres. | Bild: Silas Stein

Die Beziehung mit Marcel K. bezeichneten Katharina P. und Christina H. als stetiges Auf und Ab – eine Beziehung mit vielen Trennungen und Streits. So habe Marcel K. die Beziehung immer wieder mit der Begründung beendet, er liebe Sabrina P. nicht mehr. Nach kurzer Zeit habe er sie jedoch zurückgewollt. „Er war schlecht zu ihr, aber sie war blind vor Liebe“, erklärte Christina H.

So erlebten die Angehörigen das Verschwinden

Das plötzliche Verschwinden von Sabrina P. beschrieben ihre Schwester sowie Christina H. und eine weitere Freundin wie schon beim ersten Prozess als untypisch. „Es war seltsam, dass sie am Freitag einfach nicht mehr erreichbar war. Ich habe mir sehr schnell Sorgen gemacht“, so die Schwester.

Christina H. sagte, Marcel K. habe ihr noch am Abend des Freitags, 13. Januar, die Lüge aufgetischt, Sabrina P. sei nach einem Streit nur mit ihrem Handy und Geldbeutel geflüchtet und habe das gemeinsame Baby zurückgelassen. „Ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Sie hätte den Kleinen niemals mit Marcel K. alleine gelassen, weil sie ihm nicht vertraut hat“, sagte Christina H. aus.

Sie habe daraufhin Katharina P. informiert, die mit einer weiteren Freundin nach Stockach gekommen sei. Nachdem man die Verschwundene den ganzen Abend nicht erreichen konnte und sie auch mit dem letzten Zug nicht nach Stockach kam, hätten sie nachts eine Vermisstenanzeige aufgegeben und in den folgenden Tagen nach Sabrina P. gesucht.

Marcel K. machte sie schnell verdächtig

Marcel K. habe sich dabei schnell verdächtig gemacht. So habe er sich weder am Abend ihres Verschwindens besorgt gezeigt, noch sich danach an der Suche beteiligt. Im Gegenteil, er sei entspannt gewesen. Am Freitagabend habe er mit einem Freund Bier getrunken und geraucht, am Tag danach habe er sich sogar tätowieren lassen. Zudem habe er den Chatverlauf mit Sabrina P. gelöscht, was für Misstrauen sorgte.

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Am Sonntag sei dann plötzlich auch die Katze von Sabrina P. verschwunden. Bei der Suche nach ihr fanden die drei jungen Frauen Sabrinas Geldbeutel in einer Aufbewahrungsbox versteckt. „Spätestens da war uns klar, etwas stimmt nicht“, erinnerte sich Katharina P. im Zeugenstand. Christina H. erklärte dazu: „Als wir das ansprachen, sagte er sogar, er sei doch kein Mörder, dabei hat das keiner behauptet.“

Zudem sei Marcel K. mit geschmacklosen Sprüchen aufgefallen. So habe er laut Christina H. gesagt, die verschwundene Sabrina P. sei vielleicht gefunden und im Tierheim abgegeben worden. „Das ist das Schlimmste, dieses eiskalte Lügen und sich über ihr Verschwinden lustig zu machen. Das zeigt mir, dass er eine Person ohne Reue und Menschlichkeit ist“, rief sie aufgebracht in Richtung des Angeklagten.

Emotionale Zeugenaussagen mit Tränen und Drohungen

Als Richter Joachim Dospil Katharina P. schließlich fragte, wie es der Familie inzwischen geht, wurde auch die bisher so gefasste Schwester emotional und weinte. Mutter und Vater seien in Therapie, sie selbst sei die Einzige in der Familie, die stark genug für den Prozess sei. Ein weiterer Zeuge sprach Marcel K. direkt an und drohte ihm sogar mit Schlägen.

Doch so wütend, traurig oder bedrückend die Aussagen der Zeugen am zweiten Tag auch waren, Marcel K. ertrug sie stoisch ohne äußerlich erkennbare emotionale Reaktion. Er saß den gesamten Tag über auf seinem Platz auf der Anklagebank, äußerte sich nicht und reagierte weder auf Tränen, noch Vorwürfe seines ehemaligen sozialen Umfelds.

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Richter haken wegen früherer Streits nach

Auffällig war am zweiten Verhandlungstag zudem, dass die Richter um den Vorsitzenden Joachim Dospil alle Zeugen vor allem nach zwei Dingen fragten: Zum einen, worum sich frühere Streits und der letzte am 13. Januar 2023 drehten, zum anderen, ob es bereits früher einmal zu körperlich Gewalt in der Beziehung von Sabrina P. und Marcel K. gekommen war.

Grund dafür dürfte die Begründung des Bundesgerichtshofs für die Revision des Totschlagurteils sein. In dieser stand: „Die Begründung, mit der das Landgericht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe verneint hat, hält jeweils rechtlicher Überprüfung nicht stand.“ Die Strafkammer in Konstanz habe nicht angemessen berücksichtigt, wie schnell sich die Situation vom Streit zu einer Körperverletzung zur Tötung entwickelte und wie wenig Zeit das Opfer hatte, sich zu verteidigen.

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Laut Aussage der besten Freundin auf die Fragen habe K. zugegeben, bei einem früheren Streit schon einmal kurz davor gewesen zu sein, zuzuschlagen. Und manchmal habe er vor Wut gegen Bäume geschlagen, ansonsten sei er bei Streits aber kalt gewesen und meist einfach gegangen. Von tatsächlicher Gewalt habe Sabrina P. ihr nie berichtet. Dies bestätigten auch die weiteren Zeugen.

Außerdem sei es fast immer darum gegangen, dass Marcel K. Kontakt mit anderen Frauen, darunter auch seiner Ex-Freundin, hatte, berichteten die Zeugen übereinstimmend.

Zeugen widersprechen Angeklagtem

Einig waren sich alle Zeugen zudem, dass Marcel K. weder direkt nach Sabrinas Verschwinden, noch in den Tagen danach auffällig betrunken gewesen sei. Er habe normal gewirkt, was der Aussage des Angeklagten vom ersten Prozesstag widersprach, er habe unter Drogen- und Alkoholeinfluss gestanden, als er seine Partnerin erdrosselte.

Weiter geht der Prozess nun am Mittwoch, 9. Oktober, ab 9 Uhr. Dann startet der dritte Verhandlungstag mit den Aussagen weiterer Zeugen.

Alle Informationen zum erneuten Prozess gibt es hier.

In einer ursprünglichen Version dieses Artikels hatten wir berichtet, dass Marcel K. laut der Zeugin Christina H. sagte, die Katze sei vielleicht gefunden und im Tierheim abgegeben worden. Tatsächlich habe er damit aber Sabrina P. gemeint. Die Passage ist inzwischen korrigiert.