Ein erfolgreicher Schulabschluss, dann ab in eine gute Ausbildung oder in ein Studium – das ist der Weg, den sich wohl die meisten Eltern für ihre Kinder wünschen. Doch nicht jeder Weg auf dem Bildungspfad verläuft gerade und nicht jeder junge Mensch hat Eltern, die ihn auf diesem Weg unterstützen können oder wollen.
Damit trotzdem möglichst allen ein gelungener Einstieg in das Berufsleben gelingen kann, hat der Bund 2012 das Projekt Berufseinstiegsbegleitung ins Leben gerufen. Dabei ging es darum, Schüler in den Berufseinstieg zu begleiten, die ansonsten Gefahr laufen würden, nicht in eine Berufsausbildung zu gelangen.
Das Projekt wurde zu 50 Prozent durch Mittel der Bundesagentur für Arbeit und zu 50 Prozent aus Bundesmitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Pro Jahr konnten auf diese Weise am Schulverbund Nellenburg zehn Schülerinnen und Schüler beim Start in ihr Berufsleben unterstützt werden.
Erst zieht sich der Bund zurück, dann auch das Land
Eine gute Sache, sollte man meinen, doch vor zwei Jahren zog sich der Bund aus der Finanzierung zurück. Das Land Baden-Württemberg sprang dafür ein und war bereit, 25 Prozent der Kosten zu tragen, wenn die
Kommune als Schulträger die restlichen 25 Prozent der Kosten übernimmt. Der Gemeinderat hat vor diesem Hintergrund der Mitfinanzierung für sechs Schüler pro Schuljahr zugestimmt. Doch nun kommt es noch dicker.

Inzwischen hat auch das Land angekündigt, sich aus der Finanzierung zurückziehen zu wollen. Im Klartext bedeutet das, dass die Berufseinstiegsbegleitung am Schulverbund im nächsten Schuljahr nur fortgesetzt werden kann, wenn die Stadt 50 Prozent der Kosten beisteuert, geht aus Sitzungsunterlagen des Gemeinderats hervor. Es geht um rund 22.500 Euro. Die restlichen 50 Prozent sollen weiterhin vom Europäischen Sozialfonds übernommen werden.
Immer das gleiche Muster
Laut Stadtrat Christoph Stetter (CDU) sei es immer das gleiche Muster. Zuerst gleise der Bund etwas erfolgreich auf, dann müsse das Land einspringen, und am Ende bleibe die finanzielle Last bei der Kommune hängen. „Trotzdem sind wir froh, dass die Stadt einspringt und zusammen mit der Schule das Programm weiter trägt“, so Stetter. Insbesondere vor dem Hintergrund des drängenden Fachkräftemangels sei dies das richtige Signal.
Auch Wolf-Dieter Karle (FWV) betonte, dass er hinter dem Projekt stehe: „Jeder, der nicht durch das Raster fällt, ist ein gewonnener Schüler. Jeder der durch fällt, kommt uns am Ende anderweitig finanziell zu lasten.“
Am Ende sprach sich der Gemeinderat einstimmig dafür aus, die Finanzierung des Projekts aus Städtischen Mitteln weiter zu tragen. Die Stadt schätzt die Kosten, die ihr damit für eine Gruppe mit sechs Schülern über den 30-monatigen Projektzeitraum entstehen, auf rund 22.500 Euro.
Die betreuten Schüler gehen nicht verloren
Beate Clot, Schulleiterin des Schulverbunds Nellenburg, ist dankbar, dass die Stadt bei der Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung einspringt. „Wir können alle nicht verstehen, warum sich das Land aus der Finanzierung zurückzieht, weil es ein gutes und erfolgreiches Programm war“, sagt Clot.
Es brauche viel Zeit und Engagement, ein solches Angebot auf die Beine zu stellen und anzuschieben. Deshalb sei es umso frustrierender, wenn Bund und Land die Mittel streichen, sobald es richtig angelaufen ist. „Da fühlen wir uns auch ein Stück weit vor den Kopf gestoßen“, macht Clot deutlich.
Für die betroffenen Schüler, die dadurch eine Begleitung bei der Suche nach einer Ausbildung bekommen können, sei dies immens wichtig. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die betreuten Schüler wirklich eine Ausbildung bekommen haben und nicht verloren gehen“, so Clot.
So begründet die Landesregierung den Rückzug aus der Finanzierung
Die Entscheidung, sich aus der Finanzierung zurückzuziehen, habe verschiedene Gründe, schreibt Benedikt Reinhard, Pressesprecher des Kultusministeriums auf Nachfrage des SÜDKURIER. Durch das Kofinanzierungsmodell finde Berufseinstiegsbegleitung nur dort statt, wo finanzkräftige Dritte, also zum Beispiel Kommunen wie die Stadt Stockach bereit stehen, die sich an der Finanzierung beteiligen können.
Schüler, die nicht in finanzstarken Kommunen leben, könnten nicht von diesem Angebot profitieren, was zu einer Ungleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler führe. „Das Land möchte aber insbesondere Benachteiligungen im Bildungsbereich abbauen und die Bildungsgerechtigkeit stärken und konzentriert seine Maßnahmen deshalb auf Angebote, die allen Schülerinnen und Schülern bzw. benachteiligten Schülerinnen und Schülern zu Gute kommen können“, so Benedikt.
Zuletzt hätten sich an der Ausschreibung 2020 zudem lediglich etwa zehn Prozent der in Frage kommenden Schulen in Baden-Württemberg beteiligt, sodass die Berufseinstiegsbegleitung nur einem Bruchteil der Schüler zu Gute komme. Das Land habe deshalb entschieden, die berufliche Orientierung und den Übergang in eine Ausbildung auf anderen Wegen zu fördern.