Mehr als eine halbe Million der mittelständischen Unternehmen in Deutschland strebt bis Ende des Jahres 2026 eine Betriebsnachfolge an. Das geht aus Daten hervor, welche die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) Ende März veröffentlicht hat.

Die Forschungsgruppe der KFW geht davon aus, dass rund 160.000 davon ohne einen Nachfolger enden, denn die Suche gestaltet sich oft schwierig, heißt es in dem Bericht der KFW. Rund ein Drittel der deutschen Unternehmer sei 60 Jahre alt oder älter. Bernhard Muffler aus Stockach ist einer davon.

140 Jahre Familiengeschichte im Rücken

Die Frage, wie es einmal weiter gehen soll mit dem Familienbetrieb, stellte sich vor einiger Zeit auch Bernhard Muffler. In vierter Generation leitet der 61-Jährige die Geschicke der Seilerei Muffler, die seit mehr als 140 Jahren in Stockach produziert und damit zugleich ein selten gewordenes Handwerk am Leben hält.

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Lange war es fraglich, ob irgendwann die fünfte Generation der Familie das Ruder übernehmen wird. Denn „wir wollten unseren Kindern in dieser Hinsicht nie Druck machen“, sagt Bernhard Muffler. Umso größer ist für ihn deshalb die Freude darüber, dass nun gleich zwei Töchter in das Unternehmen einsteigen wollen.

Was für eine gelungene Übergabe wichtig ist

Dass eine solche Übergabe gelingen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Dennis Schäuble, Leiter des Fachbereichs Unternehmensservice bei der Handwerkskammer Konstanz im Gespräch mit dem SÜDKURIER erklärt.

„Der Übergabeprozess muss nicht schwierig sein.“ Dennis Schäuble, Leiter des Fachbereichs Unternehmensservice bei der ...
„Der Übergabeprozess muss nicht schwierig sein.“ Dennis Schäuble, Leiter des Fachbereichs Unternehmensservice bei der Handwerkskammer Konstanz | Bild: Handwerkskammer Konstanz

„Der Übergabeprozess muss nicht schwierig sein“, so Schäuble. Ein wichtiger Faktor sei dabei, wie offen der Übergeber für diesen Prozess ist. „Hat der Übergeber detaillierte Vorstellungen und Leitlinien, wie dieser Prozess auszusehen hat, ist es schwieriger, einen geeigneten Übernehmer zu finden, der all diese Vorgaben und Wünsche umsetzt“, erklärt er.

Gleich zwei Nachfolgerinnen bereit

Im Umkehrschluss bedeute dies: „Je offener ein Übergeber ist, desto einfacher ist es, einen passenden Nachfolger zu finden.“ Immerhin, diesen Schritt haben die Mufflers schon mal erfolgreich hinter sich gebracht.

Bernhard Mufflers Töchter Helena (28), studierte Wirtschaftsingenieurin, und Seilergesellin Sophie (23) stehen bereits in den Startlöchern für die Übergabe des Betriebs. Beide arbeiten bereits im Familienunternehmen. Bis zur endgültigen Übergabe dauert es aber noch eine Weile.

Für Helena Muffler stehen noch anderthalb Jahre Weltreise an, bevor sie endgültig in den heimischen Betrieb einsteigt. Ob sie nach so viel Abstand vom Unternehmen überhaupt sicher sein kann, wieder zurückkommen zu wollen? „Ja. Ich denke nicht, dass ich es mir in dieser Zeit nochmal anders überlege. Auch wenn man natürlich nicht in die Zukunft schauen kann“, sagt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Bernhard Muffler und Sophie Muffler vor vier Jahren mit ihren Karbatschen in der Stockacher Oberstadt.
Bernhard Muffler und Sophie Muffler vor vier Jahren mit ihren Karbatschen in der Stockacher Oberstadt. | Bild: Marinovic, Laura

Ihre Schwester Sophie wird die Zeit nutzen, um sich den Meistertitel im Seilerhandwerk zu erarbeiten. Wenn Schwester Helena wieder zurück ist, steht dann Stück für Stück der Übergang an.

Bei ihr sei schon während dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Reutlingen das Bewusstsein gewachsen, dass es etwas Besonderes ist, was ihr Vater macht. „Ich hätte es auch schade gefunden, wenn diese Familientradition mit unserer Generation endet“, sagt Helena.

Zuerst war nur eine interessiert

Zuerst sei der Plan gewesen, dass Helena das Unternehmen alleine weiter führt. Der Gedanke, dass Schwester Sophie mit einsteigen könnte, kam erst auf, als diese nach einer Ausbildung zur Konditorin eine Lehre zur Seilergesellin machte. „Ich bin sehr dankbar, dass wir es jetzt zu zweit machen“, so Helena Muffler.

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Geschwisterlichen Zwist befürchten die beiden nicht. „Das harmoniert gut mit uns“, sagt Sophie Muffler. Seit November ist ihre Schwester mit im Betrieb. „Das hat unsere Pläne auch nochmal gefestigt. Die Zusammenarbeit macht Spaß“, betont Sophie Muffler.

Zukunftsworkshop lässt die Idee reifen

In einem gemeinsamen Zukunftsworkshop, den eine Cousine von Helena und Sophie angeleitet hat, haben die drei Mufflers erarbeitet, wie der Übergang des Familienunternehmens zur nächsten Generation gelingen kann.

„Wir haben uns dabei Gedanken darüber gemacht, wer in welchen Bereichen seine Stärken hat“, sagt Helena Muffler und ergänzt: „Dadurch sind die ganzen Überlegungen, die es dazu schon länger gab, nochmal sehr viel greifbarer geworden.“ So ist auch klar: Sophie kümmert sich um den handwerklichen Teil, Helena um betriebswirtschaftliche Fragen.

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Und wie fühlt es sich für Bernhard Muffler an, dass die nächste Generation bereit steht, um den Familienbetrieb zu übernehmen? „Es ist ein großartiges Gefühl zu wissen, dass es einen fließenden Übergang geben wird“, sagt er.

Für ihn sei nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Thema Betriebsübergabe anzugehen. Natürlich sei das ein Thema, das die ganze Familie betreffe. Auch dass im Hinblick auf Nachlass-Fragen alles gut geregelt ist mit den anderen drei Kindern, sei hierbei ein Aspekt.

Man muss auch loslassen können

Ab 2027 soll der Betrieb dann unter Führung der fünften Muffler-Generation laufen. Doch wie schwer fällt es dem Seniorchef, der den Betrieb 1989 von seinem Vater übernommen hat, nach dann fast 40 Jahren loszulassen?

„Wie die beiden weitermachen, ist ihre Sache“, sagt er. „Auch ich habe damals den Betrieb komplett umgekrempelt und stärker auf industrielle Produktion gesetzt. Von daher bin ich für alles offen, was kommt und man muss auch einfach mal loslassen können“, so Muffler.

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