Mehr als 200 Besucher drängten sich am Mittwochabend im Stadtforum bei der ersten Informationsveranstaltung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben (RVBO) über die Ausweisung von Flächen für Windräder und Freiflächenphotovoltaikanlagen. „Wir wollen Transparenz schaffen und ich möchte, dass wir fair und sachlich miteinander umgehen“, erklärte Verbandsvorsitzender Thomas Kugler den Sinn von insgesamt drei Info-Veranstaltungen in der RVBO-Region, zu der die Landkreise Sigmaringen, Ravensburg und Bodenseekreis gehören. Adrian Schiefer, Umweltdezernent im Landratsamt, ergänzte, dass die Behörden einen gesetzlichen Auftrag erfüllten und mit den RVBO-Plänen Ordnung und Struktur in den Bau von Windrädern und Freiflächen-PV-Anlagen bringe.

Kriterienkatalog für Windräder mit mehr als 160 Punkten

Nach seinen Angaben sind im Kreis Sigmaringen auf 60 Hektar PV-Anlagen errichtet beziehungsweise wurden genehmigt. Mit klaren Worten erläuterte RVBO-Geschäftsführer Wolfgang Heine die Vorgehensweise bei der Ausweisung von Flächen, wobei bei Windrädern mehr als 160 Kriterien zugrunde gelegt wurden. Die mehrheitlich gewählten Politiker hätten Grundsatzentscheidungen getroffen, wie bis 2035 einen jährlichen Zuwachs an Windenergie von 8,4 Megawatt, sodass man täglich fünf Windräder bauen müsste. Konkret müssen in der RVBO-Region mindestens 1,8 Prozent der Fläche für Windräder und 0,2 Prozent für Freiflächen-PV-Anlagen ausgewiesen werden, und zwar bis September 2025. Wobei für Heine etwas anderes entscheidend ist: „Die Energiewende entscheidet sich bei Leitungsausbau und Speichertechnologie.“ Wenn hier keine Quantensprünge gelängen, sei die Flächenausweisung im Prinzip eine Trockenübung.

80 Prozent der Flächen liegen in den Wäldern

In mehreren Schritten wurde das Verbandsgebiet untersucht, und letztlich bleibt eine Flächenkulisse von 2,5 Prozent, wobei die nördliche Alb, die Regionen Ostrach und Leibertingen absolute Schwerpunkte bilden.

Nach den Vorträgen stehen die Experten am „Marktplatz“ an acht Stationen den Besuchern Rede und Antwort zu verschiedenen Themen.
Nach den Vorträgen stehen die Experten am „Marktplatz“ an acht Stationen den Besuchern Rede und Antwort zu verschiedenen Themen. | Bild: Volk, Siegfried

Aus diesen Gemeinden stammte auch die Mehrzahl der Besucher, die vor allem die „ungerechte“ Lastenverteilung kritisierten. Im Kreis Sigmaringen liegen 59 Prozent der geeigneten Flächen für Windräder, davon 80 Prozent im Wald. Der Flächenanteil des Kreises Ravensburg beträgt 37 Prozent und im Bodenseekreis vier Prozent. Auch bei den Freiflächen-PV-Anlagen würde der Kreis Sigmaringen mit 49 Prozent die Hauptlast tragen, der Kreis Ravensburg 32 Prozent und der Bodenseekreis 18 Prozent, wie Nadine Kießling, stellvertretende RVBO-Geschäftsführerin ergänzte.

Bürger von Kettenacker mit heftigem Widerstand

„Es ist keine bessere Verteilung möglich, denn die Konflikte und Eignungen sind nicht gleich verteilt“, antwortete Wolfgang Heine, als es um eine mögliche Veränderung der Flächenkulisse ging.

Heftiger Widerstand regt sich bei vielen Bewohnern des Albdorf sKettenacker, das an drei Regionalverbände angrenzt und fürchtet, von ...
Heftiger Widerstand regt sich bei vielen Bewohnern des Albdorf sKettenacker, das an drei Regionalverbände angrenzt und fürchtet, von Windrädern umzingelt zu werden. | Bild: Volk, Siegfried

Er forderte die Besucher auf, das Beteiligungsverfahren zu nutzen, um dem RVBO Hinweise zu geben, um beispielsweise das Umzingeln von Ortschaften durch Windräder zu verhindern. Dies befürchten die Bürger des Albdorfes Kettenacker, das im Grenzbereich von drei Regionalverbänden liegt, die allesamt Windradbaupläne hegen. Hans Steinhart, Ortsvorsteher des Nachbarortes Feldhausen, sprach von bis zu 100 Windrädern, die auf der Alb gebaut werden könnten.

Größte Windräder in Deutschland sollen in Magenbuch gebaut werden

Hubert Frank, Ortsvorsteher von Magenbuch, prangerte die ungerechte Verteilung an, denn auf der Gemarkung des Ostracher Teilortes sollen sechs der größten Windräder Deutschlands gebaut werden. Einige Redner merkten an, dass die Daten des Windatlas des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft bis zu 30 Prozent überhöht seien.

Ganz genau betrachtet sich Hans-Peter Sigmund aus Hosskirch die ausgehängten Karten.
Ganz genau betrachtet sich Hans-Peter Sigmund aus Hosskirch die ausgehängten Karten. | Bild: Volk, Siegfried

Dafür gebe es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, erwiderte der RVBO-Geschäftsführer und Dezernent Schiefer ergänzte, dass die Investoren letztlich entscheiden, ob sie ein Projekt umsetzen oder nicht. Und er scheute sich nicht, dem Publikum eine Botschaft zu vermitteln: „Wir haben viele Eigentümer, die ihre Flächen vergolden wollen.“ Mit Beifall wurde der Vorschlag von Katja Krane aus Magenbuch bedacht, die den RVBO aufforderte seine Parameter für die Kulissensuche zu ändern, denn dann würde sich auch die Verteilung von Windrädern und PV-Anlagen ändern.

Verband richtet Online-Beteiligungsportal ein

Ab dem 29. Januar bis Ende März läuft die sogenannte öffentliche Anhörung der vorgelegten Pläne und jeder kann eine Stellungnahme abgeben. Sämtliche Pläne, interaktive Karten und die Vorträge sind unter www.rvbo-energie.einsehbar. Der Regionalverband hat ein Online-Beteiligungsportal eingerichtet, und Bürger können ihre Stellungnahme dort abgeben, ebenso weiter per Fax und in Schriftform an den Regionalverband.

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Bis September 2025 muss ein verbindlicher Beschluss gefasst werden, wonach mindestens 1,8 Prozent der Fläche des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben, der die Landkreise Sigmaringen, Ravensburg und Bodenseekreis umfasst, für Windräder ausweist und 0,2 Prozent der Fläche für die Erstellung von Freiflächenphotovoltaikanlagen. Sollte kein Beschluss zustande kommen, greift die so genannte „Super-Privilegierung“. Konkret könnten dann überall PV-Anlagen oder Windräder errichtet werden, wobei nur wenige Kriterien wie Emissionsschutz, Abstandsregelung oder Artenschutz eingehalten werden müssten. Der RVBO hat bei seiner Suche nach Angaben von Geschäftsführer Heine mehr als 160 Kriterien berücksichtigt. (siv)