Das lang erwartete medizinische Zukunftskonzept für die SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH hat für die Standorte Pfullendorf und Bad Saulgau die befürchtete Konsequenz – beide Häuser sollen geschlossen werden. Die Geschäftsführung hat den Gesellschaftern SRH Holding, Landkreis Sigmaringen und Spitalfonds Pfullendorf die Bündelung der stationären Patientenversorgung am Standort Sigmaringen empfohlen. Der Mehrheitsgesellschafter SRH Kliniken GmbH spricht sich eindeutig für diesen Plan aus, der eine Reduzierung der Bettenzahl auf 330 stationäre Krankenhausbetten sowie 102 Betten für die Psychiatrie vorsieht.

Medizinische Versorgung des Landkreises Sigmaringen wird zentralisiert

Aktuell sind für Sigmaringen 302 Planbetten, für Pfullendorf 48 Planbetten und für Bad Saulgau 71 Planbetten vorgesehen. Dazu kommen noch die Plätze in der Psychiatrie, sodass die Gesamtbettenzahl für die drei Standorte 523 beträgt. Coronabedingt sind derzeit allerdings nur 338 Betten in Sigmaringen, Pfullendorf und Bad Saulgau belegt, wobei die Fallzahlen seit 2017 stagnieren beziehungsweise rückläufig sind. Durch die Bündelung auf Sigmaringen rechnen die SRH-Vertreter mit einem weiteren Rückgang der Fallzahlen auf rund 18 000 pro Jahr. Die Transferquote, also die Patienten, die statt nach Pfullendorf und Bad Saulgau, künftig nach Sigmaringen gehen werden, wird auf 75 Prozent taxiert.

Unternehmensberatung entwickelt drei Szenarien

Drei Szenarien haben die SRH-Geschäftsführung sowie die Unternehmensberatung Curacon GmbH im Auftrag des Aufsichtsrates für die Zukunft der Kliniken entwickelt, das SRH-Manager Jan-Ove Faust und Professor Christoph Gries, Senior Manager von Curacon, bei einer Pressekonferenz im Krankenhaus Sigmaringen vorstellten. Dieselbe Präsentation hatten bereits die Kreisräte sowie die Mitglieder des Spitalfonds Pfullendorf am Wochenende in einer nicht öffentlichen Klausurtagung erhalten. Die 1400-köpfige Belegschaft war gleichfalls am Montag informiert worden.

„Weiter so wie bisher“ geht gar nicht

Das erste Planspiel unter dem Motto „Weiter wie bisher“ wurde aus medizinischer, finanzieller und personeller Sicht verworfen. Wobei die Kliniken GmbH seit 2019 ein negatives Ergebnis aufweist. Ein weiteres Szenario, das den Erhalt aller drei Standorte vorsah, wurde gleichfalls als nicht realisierbar eingestuft. Dabei sollten in Pfullendorf ein Notarztstützpunkt sowie eine KV-Notfallpraxis verbleiben. In einer Praxisklinik sollten zudem Sprechstunden und Ambulanzen stattfinden, dazu ein Angebot für Physiotherapie. In einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) sollten Augenheilkunde, Gynäkologie, Chirurgie, Allgemeinmedizin, Neurologie und Schlaflabor untergebracht werden. Dazu sollte ein OP-Saal verbleiben.

Auch der zweite kleinere Krankenhausstandort der SRH Kliniken GmbH in Bad Saulgau soll geschlossen werden.
Auch der zweite kleinere Krankenhausstandort der SRH Kliniken GmbH in Bad Saulgau soll geschlossen werden. | Bild: Volk, Siegfried

Eine ähnliche Struktur mit Praxisklinik, MVZ und OP-Betrieb war für Bad Saulgau vorgesehen. Auch dieses Modell wurde als nicht umsetzbar deklariert, sodass die Gesellschafter der Geschäftsführung und der Unternehmensberatung den Auftrag erteilten, eine andere Variante detailliert zu untersuchen, die die Schließung der beiden kleinen Standorte vorsieht.

Gründe für die Konzentration auf das Krankenhaus Sigmaringen

Der akut-stationäre Versorgungsbedarf wird im Landkreis Sigmaringen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, zunehmender Ambulantisierung und der anhaltenden Corona-Pandemie weiterhin sinken, heißt es in der Vorlage der Beraterfirma. Der Fachkräftemangel werde sich im Landkreis, entsprechend dem bundesweiten Trend, weiter verschärfen, sodass zukünftig nicht mehr alle drei Standorte ausreichend mit Personal versorgt werden könnten und somit der größere Standort zur Sicherstellung der Versorgung Priorität haben müsse, lautet der Befund des Gutachtens.

300 Mitarbeiter sind betroffen

Auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte Geschäftsführer Jan-Ove Faust, dass bei den Informationsveranstaltungen an den drei Klinikstandorten, die am Montag stattgefunden haben, vielfach die Frage im Raum stand, was aus den 300 Beschäftigten an den Standorten Pfullendorf und Bad Saulgau wird. „Nicht alle werden diesen Weg mitgehen“, verhehlte Faust nicht, dass man Personal verlieren wird.

Wie soll Medizinisches Versorgungszentrum in Pfullendorf verwirklicht werden?

Das Schließungsszenario sieht für Pfullendorf einen Notarztstützpunkt vor und es soll Gespräche über Nachnutzungskonzepte zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung geben. Vorstellbar ist für Pfullendorf die Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums. Hier könnte sich der Ärztliche Direktor der Kliniken GmbH, Professor Georg von Boyen, vorstellen, dass in Sigmaringen ausgebildete Ärzte wie Kardiologen sich in Pfullendorf betätigen. Werner Stalla sagte die Unterstützung der SRH-Holding bei der Einrichtung eines MVZ zu und Landrätin Bürkle brache die Idee ins Spiel, dass man für diesen Plan bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen Sonderbedarf anmelden könnte.

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Investitionsbedarf ist erheblich

Ein weiterer Grund für die Konzentration auf Sigmaringen ist nach Angaben von Curacon, dass Investitionen an den Standorten Bad Saulgau und Pfullendorf aufgrund nicht zu erwartender Fördermittel und kritisch kleiner Betriebsgrößen künftig nicht mehr refinanziert werden könnten. Auf die SÜDKURIER-Frage, wie hoch denn dieser Investitionsbedarf für Pfullendorf wäre und wie viel Geld in den vergangenen Jahren im Linzgau investiert wurde, gab es keine klare Auskunft. Eingestanden wurde, dass Pläne des medizinischen Konzepts aus dem Jahr 2017, das für Pfullendorf unter anderem die Einrichtung einer Geriatrie vorsahen, gescheitert sind.

Gefäßchirurgie wird von Pfullendorf nach Sigmaringen verlagert

Die Gefäßchirurgie soll entsprechend den Plänen vom Standort Pfullendorf nach Sigmaringen verlagert und das medizinische Angebot in Sigmaringen um eine geriatrische Station erweitert werden. Durch diese Maßnahmen werde im Landkreis eine gute akutstationäre Patientenversorgung nachhaltig gewährleistet, sind Geschäftsführer Jan-Ove Faust und Curacon-Senior-Manager Gries überzeugt. Zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung an den Standorten Pfullendorf und Bad Saulgau seien entsprechende ambulante Strukturen mit den Raumschaften auf- und auszubauen.

SRH will bei Nachnutzungskonzept mitwirken

An der Entwicklung von Nachnutzungskonzepten mit den eigenen MVZ würden die Kliniken mitwirken. Mit dem Zukunftskonzept wird ein nachhaltig positives Jahresergebnis ab 2025 erwartet, mit denen man langfristig den Investitionsbedarf für die SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen finanzieren könne.

Positionen der Gesellschafter

Werner Stalla, Geschäftsführer der SRH Gesundheits GmbH, machte deutlich, dass der Mehrheitsgesellschafter sich eindeutig für die Konzentration in Sigmaringen und die Schließung von Pfullendorf und Bad Saulgau ausspricht.

Landrätin Stefanie Bürkle.
Landrätin Stefanie Bürkle. | Bild: Witt, Jürgen

„Die Empfehlungen sind schmerzhaft“, erklärte Landrätin Stefanie Bürkle für den Landkreis als zweitgrößten Gesellschafter. Man wolle allerdings einen „zweiten Blick auf die Empfehlung“ und deshalb habe sie mit der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft Kontakt aufgenommen, um dort Expertenwissen anzufordern, über deren Beauftragung der Kreistag am 18. beziehungsweise 21. Oktober entscheiden soll. Die Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Kliniken GmbH soll zwischen Dezember 2021 und März 2022 getroffen werden.

Spitalfonds Pfullendorf lehnt aktuelle Empfehlung ab

Bürgermeister Thomas Kugler.
Bürgermeister Thomas Kugler. | Bild: Volk, Siegfried

Er habe als Vertreter des Spitalfonds, mit 12,76 Prozent der kleinste Gesellschafter der SRH Kliniken GmbH, den schwierigsten Part, erklärte Bürgermeister Thomas Kugler. Der derzeitigen Empfehlung könne der Spitalfonds beziehungsweise der Gemeinderat nicht zustimmen, plädierte Kugler auch für eine zweite Meinung. Sollte diese Meinung, die Empfehlung bestätigen, dann werde der Spitalfonds dem Konzept zustimmen, so der Rathauschef. Er wünsche sich eine sachlich-faire Diskussion und eine baldige Entscheidung. Keine Antwort gab es auf die Frage, wie viel Geld der Landkreis und der Spitalfonds in die Hand nehmen müssten, um etwaige Verluste der Klinik auszugleichen. Sollte das von der Geschäftsführung empfohlene Konzept nicht umgesetzt werden, erwartet Geschäftsführer Faust für die nächsten Jahre weitere negative Ergebnisse.