Das Nasenschleifen, das 1972 in das Ritual des Zunftballs in Meßkirch aufgenommen wurde, entstammt einer deutlich älteren Tradition. Dass diese entdeckt wurde, ist dem aus Göggingen stammenden Pfarrkurat Wilhelm Burth in Rauental bei Rastatt zu verdanken. Er stieß im Generallandesarchiv in Karlsruhe in alten Gerichtsprotokollen des fürstlich-fürstenbergischen Amtes Mößkirch aus dem Jahr 1659 auf den Meßkircher Fasnachtsbrauch des „Nasenschleifens“. Der Brauch habe darin bestanden, wie im Archiv zu lesen ist, einem straffällig gewordenen Missachter der fasnächtlichen Rechte durch vermummte Narren die Nase zu schwärzen. Es sei dann auch eine „Badung“ im Stadtbrunnen, sogar außerhalb der Fasnachtszeit, vorgenommen worden.
Katzenrat Charly Sauter schuf die Figuren
Der damalige Katzenrat Charly Sauter schuf auf der Basis des Brauchs, der auf die Zimmerische Chronik zurückgeht, die Figuren der heutigen Nasenschleifer. Die ersten, die im Jahr 1972 hinter den Masken steckten, waren: Hansi Burth als Loschore, Otto Sattek als Glotzer, Oskar Häuptle als Triele und Franz Frick als Koinzig. Ihren ersten Auftritt hatten die vier Figuren auf einer Versammlung der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (VSAN) in Mühlheim. Erstaunlicherweise kamen die Meßkircher Nasenschleifer beim Gremium nicht gut an. Wilhelm Kutter, Journalist beim Süddeutschen Rundfunk und Fasnachtsforscher, nannte die Nasenschleifer „Comicstripfiguren“. Der eigentliche Grund habe wohl darin bestanden, berichtet Franz Frick, dass die Holzmasken in der Schnitzerei Schlosser in Eigeltingen gefertigt worden seien – und Eigeltingen gehört eben zur Vereinigung Hegau-Bodensee. Doch erst zehn Jahre später wurden sie durch neue ersetzt. „Die ursprünglichen Masken hängen noch in der Zunftstube über der Türe“, berichtet Franz Frick.
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Unsere Serie
In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 70er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Alle Folgen der Serie im Internet: www.suedkurier.de/geschichte
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Delinquenten zu finden war früher einfacher
Anfangs sei es noch leichter gefallen, Delinquenten für das Prozedere zu finden. „Da gab es noch genügend Meßkircher Fasnachtsoriginale wie beispielsweise die Scherer Agnes und die Bühler Rosl“, erzählt Frick. Eine ganze große Bedeutung für die Meßkircher Fasnacht habe Charly Sauter, unterstreicht der Fasnachtskenner Franz Frick. Er sei der Urheber vieler Fasnachtssprüche, so auch derjenigen der Nasenschleifer. „Für mich war er ein wichtiger Motor der Fasnet“, erklärt Frick. Charly Sauter habe beispielsweise darauf gedrängt, dass mit den Delinquenten vorab die Anklage und die Gegenklage besprochen wurden.

Irgendetwas läuft stets nicht nach Plan
Viele Prominente mussten sich über die fast fünf Jahrzehnte hinweg dem Narrengericht der Nasenschleifer in Meßkirch stellen. Dazu gehörten Narrenpräsidenten, lokale Größen sowie Vertreter aus der Politik wie Winfried Kretschmann oder der Konstanzer Künstler Hans Sauerbruch. „Pfarrer Eichkorn hat sich damals hingestellt und toll gesungen“, erinnert sich Franz Frick. Doch es gebe viele, die einer Erwähnung wert seien. „Improvisieren mussten wir immer“, meint Frick schmunzelnd, denn irgendetwas sei stets nicht nach Plan verlaufen.
Aloysia Herrmann erinnert sich an die Zeit als Narrenmutter
Aufregend geht es jedes Jahr auch bei der neu gewählten Narrenmutter zu. „Für mich war es erst einmal ein großer Schreck, als mich Herbert Schühle gefragt hat, ob ich Narrenmutter werden möchte“, erinnert sich Aloysia Herrmann. In ihrer Rede beschreibt sie das so: „Hei, isch dees mir i mei Seel neigfahre – mei Erschts war: Der hält de für de Narre.“ Doch als sie die Entscheidung getroffen hatte, habe sie sich unwahrscheinlich gefreut. Das Geheimhalten sei eine große Herausforderung gewesen. „Ich habe gedacht, alle Welt sähe es mir sofort an“, beschreibt sie die Tage vor dem Schmotzige Dunschdig.

„Die Narrenmuttersuche ist doch das Schönste an der Fasnacht“
Als dann die Narrenmuttersuche am Schmotzige Dunschdig näher gerückt sei, hätten ihre Kinder Johannes und Verena geweint, weil sie unbedingt bei der Suche dabei sein wollten. „Die Narrenmuttersuche ist doch das Schönste an der Fasnacht“, hätten sie gejammert und die Mutter damit überzeugt, sie mitgehen zu lassen. Ihr damals vierjähriger Sohn Benedikt, der Masern hatte, habe beim Anblick des Narrenvaters gejammert: „Aber mir hond doch en Papa.“ Er ließ sich aber beruhigen, als sie ihm erklärte, dass das alles nur ein Theaterspiel sei.
„Unser Haus glich einem Bienenstock“, beschreibt Aloysia Herrmann die fröhliche Ankunft der Narren. Bis sie mit der Kutsche an der Stadthalle angekommen sei, war die Aufregung verflogen. „Ich fühlte mich getragen durch den Applaus und den Jubel der Narren“, schildert Herrmann den Einzug in die Halle. Die Fotos zeigen das prächtige rosafarbene Kleid, das ihr Bruder mit Ornamenten und der Katzenfigur bemalt hatte. Den Zunftball musste sie jedoch früher verlassen, da ihre Tochter Viola, die als Hemdglonker auf der Bühne gestanden hatte, an diesem Abend ebenfalls die Masern bekam.

Der Schmotzige Dunschdig als Highlight
Für den Rosenmontag hatte sich Aloysia Herrmann etwas Besonderes ausgedacht. „Für mich ist die Narrenmutter vor allem für den Narrensamen da“, erklärt sie. Zusammen mit ihrer Schwester bastelte sie deshalb kleine Stoffclowns, die sie den Kindern aus der Kutsche zuwarf. Passend zum Rosenmontag verteilte sie auf dem Umzug Rosen. Für Ilona Boos, die amtierende Narrenmutter, war der Schmotzige Dunschdig bisher das Highlight. „Als ich von Weitem schon die Musik hörte, stieg die Anspannung“, blickt sie auf den Tag ihrer Einsetzung zurück. „Das war Gänsehaut-Feeling pur“, beschreibt sie das Erlebnis. „Narrenmutter zu sein ist eines der schönsten Ämter, wenn man Närrin ist“, versichert sie.