Lazar Knežević freut sich schon auf Oktober, dann wird es für ihn ein Wiedersehen geben mit Lady Washington und Mascha. Es handelt sich hier um zwei Braunbären, die Predrag Tubic einst als Bärenwaise aufgefunden und in seine Obhut genommen hat. Tubic hält sie in einer Tierstation im Paragliding Club “ParaGhost“ bei Doboj, einer Gemeinde im Nordosten von Bosnien. In dieser Gegend, besonders im Nationalpark Paklenica, gibt es Braunbären.
Nachdem Knežević im Fernsehen eine Doku über ParaGhost gesehen hatte, nahm er mit Tubic Kontakt auf, weil ihn die Geschichte sehr berührt hat. „Lady Washingtons Mutter wurde von Wilderern brutal ermordet, man fand sie als Bärenwelpen neben dem Körper ihrer toten Mutter. Verstörend kam hinzu, dass Kopf und Pfoten der Bärin abgehackt worden waren“, erzählt der 27-Jährige. Die verlassene Mascha, inzwischen acht Jahre alt, hatte Tubic beim Paragliding aus der Luft entdeckt.
Auch Backen ist sein großes Hobby
Knežević wohnt bei seinen Eltern in Meßkirch, sein Vater ist Geschäftsführer des Meßkircher Transportunternehmens Knežević. Sein Bruder hat in Meßkirch eine Reifenwerkstatt. „Meine Mutter hatte früher den Imbiss Truckstop. Ich habe ihr gerne beim Pizzabacken geholfen. Noch heute ist Backen ein großes Hobby von mir.“
Cornflakes zum Bären-Frühstück
Im Oktober vor einem Jahr reiste der junge Mann also erstmals nach Gornja Paklenica und Doboj. „Ich habe zwei Wochen mit Mascha und Lady Washington verbracht, es war die schönste Zeit meines Lebens. Am liebsten wäre ich dort geblieben.“ Er berichtet, wie für ihn ein typischer Tag mit den zahmen Bären ablief: Nach dem Aufstehen um vier Uhr durfte er die Tiere füttern, sie lieben Cornflakes mit Milch. Dann wurde gespielt, zum Beispiel Ball apportieren. Danach war Hygiene mit Duschen und Kämmen angesagt. „Wenn die Bären draußen im Gehege waren, habe ich die Höhle geputzt.“
Man müsse hinzufügen: an sich sind Bären keine verschmusten Streichelzoo-Tiere. Doch Mascha und Lady Washington sind sozialisierte Bären und von klein auf an den Menschen gewöhnt. „Es klingt verrückt, aber sie haben ein großes Herz für Kinder.“ Zum ersten Mal das extrem flauschige Fell zu streicheln, war für den Bären-Fan ein tolles, nicht mit Gold aufzuwiegendes Erlebnis. „Lady Washington mag Bellyrubs, also am Bauch gestreichelt zu werden. Ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen.“ Was den 27-Jährigen besonders anrührte: die Umarmung der Bärin. „Ich trug einen Hundetraineranzug“, sagt er und fügt hinzu: „Bärenkrallen sind so lang wie unsere Finger und eine Bowlingkugel kann ein Bär wie ein Bonbon zerbeißen.“
Bären auch in Europa
Würde er einem Bären in freier Natur begegnen, beherzige er eine der drei Regeln, versichert Knežević: „If it‘s black, fight back, if it‘s brown, get down, ift it‘s white, good night.“ Vor einem Braunbären wegrennen zu wollen, mache gar keinen Sinn. Besser sei der langsame Rückzug. „Sonst weckt man nur deren Jagdinstinkt.“ Auch in Europa, vor allem in Russland, leben Bären in freier Wildbahn, im Trentino, in den Pyrenäen und Abruzzen, in der Slowakei und Ukraine, in Polen, Rumänien, Schweden und Norwegen.
„Der Mann in den Bergen“
Die Bärenliebe hat ein schmerzhaften Hintergrund, erzählt der 27-Jährige. „Meine Großmutter wurde im November 2019 von einem Geistesgestörten mit dem Messer bedroht und vergewaltigt, sie verstarb an den Folgen der Vergewaltigung. Ich war traumatisiert und in meinem Herz war eine große Leere.“ 2020 – als sich das Verbrechen jährte – habe ihn eine tiefe Traurigkeit befallen. „Ich hing sehr an meiner Großmutter, wir hatten ein enges Verhältnis.“
Ablenkung suchte und fand er beim Fernsehschauen. Dabei stieß er auf die Fernsehserie „Der Mann in den Bergen“, im Original „The Life and Times of Grizzly Adams“, und war sofort gefesselt. Während Corona habe er dann alle Episoden in sich aufgesaugt. Dann begann er, sich Wissen rund um Bären anzueignen. Er las die Biographien von James Capen Adams und von Spikehorn Meyers. Meyers, erzählt der Meßkircher, war ein Holzfäller aus Michigan, der ein verlassenes Schwarzbär-Baby aufgezogen hat.
Nun zählt der 27-Jährige die Tage bis zu seiner Abreise im Oktober. Sollte bis dahin die Sehnsucht nach Bären zu groß sein, besucht er Agonis und Franka im Wolf- und Bärenpark in Bad Rippoldsau im Schwarzwald. Oder er fährt nach Allensbach am Bodensee in den Wild- und Freizeitpark, wo Bellisarius und Justinia leben.