Wer in der Linzgaustadt in den 1950-er und 1960-er-Jahren die Volksschule am Härle besucht hat, der erinnert sich bestimmt an den „Schuler-Pape“. Der hoch gewachsene, schlanke Mann war damals der Hausmeister und wohnte sogar an seinem Arbeitsplatz.

Er sorgte nicht nur dafür, dass die – zugegeben damals noch nichts so ausgedehnte – Haustechnik funktionierte, sondern auch für die Sauberkeit und die Ordnung auf dem Schulhof. Und er tröstete auch ab und zu mal einen Schüler, wenn er den auf Geheiß des Lehrers in den „Karzer“ sperren musste. Das war ein dunkler Raum mit vergittertem Fenster im Keller.
Schuler-Pape war auch für das Wannenbad zuständig
Heute würde man so etwas „Schülergefängnis“ nennen und ruckzuck wäre die Schulaufsicht da, um diesen Verstoß gegen das Kindeswohl abzustellen. Der Mann, den alle nur „Schuler-Pape“ nannten, hatte natürlich auch einen richtigen Namen: Otto Grathwohl.
Und er hatte noch einen Zusatzjob: Er war für das städtische Wannenbad zuständig, das sich im Keller der Härle-Schule befand. Dort konnte man für wenig Geld seinem Sauberkeitsgefühl nachkommen, denn ein Badezimmer hatte längst nicht jede Wohnung. Grathwohl war aber auch ein begeisterter Schneller. Wenn er an der Fasnet mit Fuhrmannskittel und den Stiefeln unterwegs war, dann wirkte er noch größer.

Deutlich kleiner gewachsen war Josef Lorenz. In der Stadt nannte man ihn nur den „Kisten-Sepp“. Der Name war Programm. Denn der Sepp zog mit seinem Fahrrad und seiner Habe durch Deutschland, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Dort hatte er besonders viele Freunde und so dürfte ihn das von den französischen Behörden verhängte Einreiseverbot hart getroffen haben. Die drohten ihm sogar an, dass er ins Gefängnis komme, sollte er noch einmal die Grenze überqueren.

Warum, das bleibt wohl ein Geheimnis der Vergangenheit. Der „Clochard aus dem Linzgau“, wie er oft genannt wurde, war ein liebenswerter, wenn auch etwas skurriler Menschen. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch den Verkauf von Kurzwaren, die er auf seinem Fahrrad mit sich führte, oder durch kleine Reparaturarbeiten bei den Bauern. Er soll sehr begabt gewesen sein, wenn es darum ging, Flechtarbeiten an den in den 1950-er und 1960-er-Jahren beliebten Korbstühlen zu erledigen.
Bildhübsche Ehefrau wurde vom Blitz erschlagen
Ein schwerer Schicksalsschlag hatte den Sepp so hart getroffen, dass er sein normales Leben aufgab. Auf dem Nachhauseweg von Aftholderberg waren seine Ehefrau und er von einem Unwetter überrascht worden. Seine bildhübsche Frau wurde tragischerweise von einem Blitz erschlagen. Für Josef Lorenz war das ein Drama, das ihn buchstäblich aus der Bahn warf. Also zog er durch die Lande mit seinem Fahrrad und seiner Habe, die zwei Zentner gewogen haben soll.
Letzte Ruhe im Armengrab auf der Reichenau
Eine gewisse Zeit wohnte er dann in der Steingrube. Sein Lebensende verbrachte er in der Psychiatrie auf der Insel Reichenau. Und wenn er mal Besuch aus der Heimat bekam, dann gab es Most aus dem Linzgau und eine Zigarre. Das waren Dinge, die der Sepp sehr schätzte. Seine letzte Ruhe fand er zu Beginn der 1980er-Jahre in einem Armengrab auf der Bodenseeinsel.

Eine vornehme Wohnung dagegen hatte Antonia Probst. Sie wohnte im Bindhaus, das jetzt seit vielen Jahren das Heimatmuseum beherbergt. Sie kam dort 1893 als Tochter von Rudolf Ferdinand Probst zur Welt. Dieser war ein sehr erfolgreicher Kaufmann. Sein Vater, der ebenfalls die Vornamen Rudolph und Ferdinand trug, hatte das Haus 1860 gekauft und die mittlere Etage zu einer großzügigen Wohnung ausgebaut, wie sie sich die reichen Bürger leisten konnten. Die Wohnung ist bestens erhalten und Antonia hat dort bis zu ihrem Tod im Jahr im 1978 gewohnt.

Das Bindhaus hatten sie und ihre Schwester Martha bereits 1969 an die Stadt verkauft. Währen Martha geheiratet hatte (sie starb 1973), blieb Antonia ledig. In der Stadt nannte man sie nur „Zopftante“. Der Name kam von einem riesigen und kunstvoll geflochtenen Zopf, der mit Schleifchen geziert war. Der Zopf reichte bis weit unters Knie. Wenn Antonia Probst durch die Stadt ging, dann flüsterten die Mütter ihren Kindern zu: „Guck, da kommt die Zopftante!“. Und es dürfte unbestritten sein, dass so manche kleine Pfullendorferin sich auch so eine phänomenale Haarpracht gewünscht hat.