Kindergärten oder Kindertageseinrichtungen gibt es in der Linzgaustadt mehrere. Wer denkt schon daran, dass man diese Einrichtungen im 19. Jahrhundert als Kleinkinderschulen oder Kinderbewahranstalten bezeichnete? Erst der Pädagoge Friedrich Fröbel prägte den Begriff „Kindergarten“.

Im Jahr 1840 stiftete dieser Mann im thüringischen Bad Blankenburg den ersten „Allgemeinen deutschen Kindergarten“. Bis 1846 existierten erste „wirkliche“ Kindergärten nach Fröbels Gedanken in Annaburg, Lünen, Dresden, Frankfurt am Main, Homburg von der Höhe, Gotha und Quetz.
Vinzentinerinnen betreuten Kinder im Kindergarten am Obertor
Und man wird es kaum glauben: Schon im Jahr 1892 gab es in Pfullendorf den Kindergarten am Obertor. Er nannte sich „Kleinkinderschule“ und wurde von Vinzentinerinnen betreut. Die Ordensschwestern hatten sich schon vorher um kleine Kinder gekümmert. Dafür hatte man im vierten Stock des Krankenhauses Räume zur Verfügung, die aber vor der Jahrhundertwende anderweitig benötigt wurden.

Die Kleinkinderschule bekam ein eigenes Gebäude, das an der gleichen Stelle stand, wie heute der Obertor-Kindergarten. Es stand nahezu alleine auf weiter Flur. Die heutige Wohnbebauung kam erst später. An Gebäude, wie das heutige Ärztehaus, dachte damals noch niemand. Von 4. Mai 1938 bis zum Jahr 1945 hatten die Ordensschwestern die Einrichtung an die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ abgeben müssen.
Mit dem Neubau des Schwesternheims und des heute noch bestehenden Krankenhauses hatte sich das Spital, das damals noch alleiniger Eigentümer vieler Liegenschaften war, finanziell übernommen und so wurde versucht, alles, was nicht für den Krankenhausbetrieb zwingend notwendig war, abzugeben. Dazu gehörte auch der Kindergarten, der nach fast 100 Jahren in Trägerschaft des Spitals im Jahr 1991 an die Stadt abgegeben wurde. Diese hatte damit ihren ersten eigenen Kindergarten. Mittlerweile ist er zum Familienzentrum mit Ganztagesbetrieb erweitert worden und die Erzieherinnen tragen längst Jeans und T-Shirts statt des Habits der Vinzentinerinnen.
Schon im Jahr 1968 gab es einen Betriebskindergarten in Pfullendorf
Auch vom privaten Bereich der Kleinkindbetreuung gibt es Erstaunliches zu berichten. Bereits 1968 gab es in Pfullendorf einen Betriebskindergarten. Den hatte Heinz Haug eingerichtet, um für seine Textilfabrik neben dem heutigen Linzgau-Center Mitarbeiter zu bekommen. Dort wurden vorwiegend Frauen beschäftigt und die waren froh, ihre Kinder unterbringen zu können – und das auch noch im gleichen Gebäude.

Der evangelische Landesverband für Kinderpflege in Stuttgart, das Gesundheitsamt und das Landratsamt in der damaligen Kreisstadt Überlingen, das Rathaus Pfullendorf, das Kreisjugendamt Überlingen, das Gewerbeaufsichtsamt Freiburg, der Landeswohlfahrtverband Baden und die Südwestliche Berufsgenossenschaft mussten ihre Zustimmung erteilen.

Als in der Illustrierten „Stern“ über die Einrichtung berichtet wurde, drohte das Gewerbeaufsichtsamt mit Schließung. Da war eine Fünf-Minuten-Sendung in der „Abendschau“ des ersten Fernsehprogramms hilfreich. Die Behörde machte einen Rückzieher, drohte ein Jahr später aber wieder mit Schließung. Schließlich gelang Haug nach zähen Verhandlungen eine Anerkennung des Betriebskindergartens. Das ZDF berichtete überregional. Als die Stadt den Obertorkindergarten übernahm, hatte man zu wenige Kinder und bat Haug, seinen Kindergarten zu schließen.

Bereits im Jahr 1968 hatte man bei der evangelischen Kirchengemeinde darüber nachgedacht, eine Kindertagesstätte einzurichten. Man machte sich Sorgen um die „Schlüsselkinder“. Diese waren teilweise auf sich alleine gestellt, weil die Öffnungszeiten der Kindergärten nicht den Arbeitszeiten in den Betrieben entsprachen, wo viele Eltern für den Familienunterhalt sorgten. 1972 stellte die Stadt am Jakobsweg ein Grundstück zur Verfügung und Betriebskostenzuschüsse in Aussicht.

1974 konnte das Kindertagheim dann den Betrieb aufnehmen. Das mittlerweile marode Gebäude soll künftig durch einen Neubau ersetzt werden. In 98 Prozent der Familien gehen beide Eltern arbeiten. Fast alle der rund 90 Kinder essen in der Einrichtung, wo das Mittagessen nicht aus einer Großküche angeliefert, sondern täglich frisch gekocht wird. Und das auch mit Gemüse, das die Kinder selbst angebaut haben.
Freie Wähler sprechen sich gegen Zuschuss für Kindertagheim aus
Noch 1982 hatten die Freien Wähler sich im Gemeinderat gegen einen Betriebskostenzuschuss für das Kindertagheim ausgesprochen. Zwar müsse man „die Tatsache, dass es eine solche Einrichtung gibt, hinnehmen“, aber Geld müsse die Stadt nicht auch noch hinlegen, betonte Fraktionssprecher Löffler bei den Beratungen für den Haushaltsplan im März 1982.

Für ihn sollten Mütter erziehen und nicht arbeiten. Löffler: „Wenn verschiedene Frauen zum Gehalt ihres Mannes noch voll mitverdienen, so ist das deren Sache.“ Da haben sich die Zeiten mittlerweile doch geändert.