Ostrach – Schon eine halbe Stunde, bevor sich die sechs Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am Mittwochabend den Wählern vorstellten, war die Buchbühlhalle rappelvoll.
Markus Bezikofer
Der mit seiner Familie in Königseggwald wohnhafte 46-jährige Maschinenbauingenieur ließ das Publikum etliche Minuten an seinem akademischen und beruflichen Werdegang teilhaben und er strebt eine Wiederlebung von Ostrach als Regionalzentrum an. „Die Menschen sind mir wichtig“, verwies der dreifache Familienvater auf seine aktive Zeit als Feuerwehrmann. Als „leibhaftige Demokratie“ bezeichnete er seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied eines großen Industrieunternehmens. Ob er noch weitere Themen für Ostrach habe?, wollte Roland Reich in der Fragestunde wissen. „Das Ortszentrum ist mir wichtig“, antwortete Bezikofer, ebenso die Feuerwehr, die für ihren Dienst mit dem besten Equipment ausgestattet werden sollte. Bei den Baggerseen könne er sich eine Strandpromenade vorstellen, mitsamt Eisdiele.
David Gürtner
Leger und mit Hut präsentierte sich der 29-jährige Ostracher, der aktuell eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik absolviert, dem Publikum. Auf ein Redemanuskript hatte er verzichtet, dafür einen Spickzettel parat, auf dem er seine Ideen skizziert hatte. Er monierte, dass es in Ostrach keinen Jugendgemeinderat gibt und den stockenden Verkehr auf der Hauptstraße. An Bürgermeister Christoph Schulz direkt gerichtet stellte er die Frage, ob der einst geplante Güterbahnhof eine „Witzidee“ war. Für Tierbesitzer will Gürtner einen Park einrichten, damit die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner nicht auf der Straße landen. Bei der Vergabe von Gewerbeflächen sollen auch kleinere Betriebe zum Zuge kommen und bei Photovoltaik müsse man mehr machen. „Windräder brauchen wir nicht“, gab es zudem eine klare Ansage. „So. Jetzt bin ich fertig“, nutzte Gürtner seine 15-minütige Redezeit nicht aus und da es keine Publikumsfrage gab, verließ er die Bühne.
Heike Sonntag
Die 44-jährige Heike Sonntag ist seit 8,5 Jahren Kämmerin in Meersburg und dort auch Geschäftsführerin des Gemeindeverwaltungsverbandes. „Meine Erfahrungen sind vielseitig und sehr gut vernetzt“, versicherte die in Pfullendorf wohnhafte Sonntag, dass sie sich mit „vollem Einsatz und Leidenschaft“ für Ostrach und seine Menschen einbringen werde. Sie sei ein Zahlenmensch, definierte sie ihren Arbeits- und Führungsstil als kreativ, effizient und ergebnisorientiert, und sie wisse, wie man alles finanziere. Heike Sonntag will einen jährlichen Austausch mit Vereinen und Ortschaftsräten und Bürgermeisterinnensprechstunden in den Teilorten sowie ein Jugendforum einrichten. Mit anderen Gemeinden soll die medizinische Versorgung gesichert werden und in Ergänzung um Bürgerbus könnte ein sozialer Fahrdienst eingerichtet werden, wobei sie als Stichwort autonomes Fahren nannte. Baulücken und aufgegebene Hofstellen sollten für die Schaffung von Wohnraum genutzt werden. „In fünf Jahren soll jeder Haushalt einen Glasfaseranschluss haben“, steht schnelles Internet ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Die Verwaltung soll digitalisiert und die Kommune in Richtung Klimaneutralität entwickelt werden.
Lena Burth
Emotional startete die 26-jährige Betriebswirtin ihre Vorstellung: „Ich bin hier verwurzelt.“ Für die gebürtige Ostracherin wäre das Bürgermeisterinnenamt eine „Traumaufgabe“, für die sie das Handwerkszeug mitbringe, verwies sie auf ihre Arbeit als Betriebsprüferin, durch die sie Einblicke in Unternehmen und Unternehmen habe. „Ich kenne die Gemeinde ein Leben lang“, verwies sie auf ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement. Sie will ein Jugendforum gründen, ebenso einen Ortsseniorenrat. Gemeinsam mit der Bürgerschaft soll ein Energie- und Klimakonzept erarbeitet werden, um eine klimaneutrale Gemeinde zu entwickeln. Dazu gehörten Photovoltaik, die Ausweisung von Freiflächen-PV-Anlagen und Windenergie auf geeigneten Flächen. Man müsse sich auf das konzentrieren, was wichtig sei, will sie als Rathauschefin deshalb Projekte priorisieren. Entscheidend für deren Umsetzung sei ein stabiler Haushalt und es gelte, Fördermittel für Vorhaben zu akquirieren, und prinzipiell gelte es, die Weichen zu stellen. Der Erhalt der Landwirtschaft sei wichtig, denn diese versorge den Ort und die Region mit tollen Produkten und deshalb sollten die Menschen ihr Geld für Nahrungsmittel vor Ort ausgeben. Die Frage des evangelischen Pfarrers Michael Jung, ob sie über Personalführungserfahrung verfüge, wurde von Burth bejaht, wobei sie in ihrer derzeitigen Prüfungstätigkeit bewusst „draußen unterwegs“ sei, denn sie suche das Gespräch mit den Menschen.
Nicole Baur
Beim Turnerball vor 20 Jahren sei sie letztmals auf der Bühne der Buchbühlhalle gestanden, bekannte die 40-jährige Finanzwirtin, die in Wangen aufgewachsen ist. Wichtig seien ihr Gemeinschaft und Geselligkeit und deshalb werde sie das Vereinsleben fördern und weitere Treffpunkte für Begegnungen einrichten. So könnte die Nutzung der Dorfgemeinschaftshäuser durch Vermietungen ausgeweitet werden. Sie wolle Ostrach lebens- und liebenswerter gestalten, verwies Baur auf ihre vielfältigen Verwaltungserfahrungen. Derzeit unterrichtet sie an der Zollschule Sigmaringen. Die Kinderbetreuung in der Gemeinde sei richtig klasse, für Jugendliche gebe es vornehmlich im Hauptort zu wenige Betätigungsmöglichkeiten. Für Senioren gebe es mit dem St. Elisabethen-Heim ein Wohnangebot, kann sich Baur auch die Einrichtung von Mehrgenerationen-Wohngemeinschaften vorstellen. Sie habe ihre Ziele aus den Gesprächen und Begegnungen mit den Bürgern entwickelt, listete sie die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, den Ausbau des Verkehrsnetzes, Digitalisierung, passgenaue Bebauungspläne auf und die Wirtschaftsförderung sollte einen höheren Stellenwert erhalten. Als Bürgermeisterin werde sie „ein neutrales und offenes Ohr“ für alle Bürger haben.
Ina Schultz
Gespannt warteten die Besucher auf Ina Schultz, die als Erste ihre Bewerbung abgegeben hatte und dank des Losentscheids sich nun als sechste Kandidatin auf der Bühne präsentierte. Die 44-jährige Betriebswirtin und Wirtschafts- und Verwaltungsrechtlerin möchte nicht als Verwalterin, sondern als Gestalterin agieren. Durch ihre Tätigkeit als Referentin für eine Landtagsabgeordnete verfüge sie über ein gutes Netzwerk auf allen politischen Ebenen, das hilfreich sei, „wenn es darum geht, wie sich Ostrach Gehör verschaffen kann.“ Ausbaupotential sieht Schultz bei den Busverbindungen, um die Teilorte besser anzubinden. Obwohl die Kommune in vielen Bereichen gut aufgestellt sei, müssten einige Themen sofort in Angriff genommen werden, listete sie unter anderem die Sicherung der medizinischen Versorgung, Ausbau des schnellen Internets, Schaffung von generationengerechtem Wohnraum und Sanierung der Ortsdurchfahrt auf. Es gelte, eine Lösung für das Feuerwehr Ostrach zu finden und die Sportanlagen zu sanieren. Bei der Ausweisung des Biosphärengebiets müsse mit allen Landnutzern ein gangbarer Weg gefunden werden. Schultz sprach sich bei der Windkraftnutzung für eine intensive Bürgerbeteiligung aus und der Ausbau erneuerbarer Energien müsse in einem regional ausgewogenen Maß und transparent bleiben.