Die Entscheidung steht fest: Ab dem 1. Januar 2021 hat der Blumberger Notarztdienst seinen Standort nicht länger in der Kernstadt, also dort, wo Notarzt Rainer Holzke seine Hausarzt-Praxis betreibt. Der Bereichsausschuss hat vielmehr festgelegt, die Einsatzzentrale des Rettungsdienstes für die Südbaar und damit für die Raumschaften Blumberg und Geisingen ans Längehaus bei Riedöschingen zu verlegen. Holzke und seine beiden Kollegen Martin Humbach und Christoph Damm seien laut Peter Metzger, Geschäftsstellenleiter des Bereichsausschusses und hauptberuflich Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Villingen-Schwenningen, aufgefordert worden, sich in dieses Modell einzubringen. Bislang, so Metzger, hätten sich die Mediziner ihm gegenüber dazu noch nicht geäußert.
Holzke kündigt seinen Widerstand gegen neues Notfallrettungssystem an
Holzke sagte dem SÜDKURIER, dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Im Gegenteil: Er kündigt an, auf Bestandsschutz zu klagen. Da von den am neuen Standort eingeteilten Notärzten erwartet werde, körperlich dort anwesend zu sein, könnten er und seine Kollegen ja gar nicht mitmachen – weil sie ja eigene Praxen haben.

In dieser Woche hatte Metzger zu einem runden Tisch in Sachen Notarztversorgung der Südbaar in den Städtlesaal des Blumberger Feuerwehrhauses eingeladen. An dem Gespräch nahmen neben ihm selbst und Bürgermeister Markus Keller die drei Blumberger Notärzte teil sowie Vertreter der Krankenkassen, des Schwarzwald-Baar-Klinikums und des Malteser-Hilfsdienstes. Die Malteser werden nämlich Träger des Notarztstandortes am Längehaus sein, sie werden auch den Notfallsanitäter stellen. Die Malteser haben bei einer Ausschreibung des Landes den Zuschlag erhalten und setzten sich damit unter anderem gegen das Rote Kreuz durch. Die Ärzte, die mit den Rettungssanitätern ein Team bilden werden, kommen über das Zentralklinikum. Das habe einen großen Pool an Ärzten, betont Metzger auf Nachfrage, so werde eine hohe Versorgungssicherheit garantiert. Er berichtet, dass Blumberg in diesem Jahr mehrere Tage ohne Notfallarzt auskommen musste. So etwas werde sich in Zukunft nicht wiederholen.
30 Jahre lang ist Holzke schon als allein fahrender Notarzt unterwegs
In diesem Zusammenhang stellt Holzke klar, dass er zusammen mit seinen beiden Blumberger Arztkollegen, fast 30 Jahre lang den Standort lückenlos bedient habe. Er teilte dieser Zeitung mit, dass er sich im vergangen Jahr einer kleinen OP habe unterziehen müssen. Nur an einem von zehn Tagen sei der Notarztdienst nicht besetzt gewesen. Dass ihm das zum Vorwurf gemacht werde, sei für ihn „unerhört“, zumal er 30 Jahre lang auf Urlaub und Feiertage verzichtet habe.
Bürgermeister sieht seine Stadt für die Zukunft gut versorgt
Bürgermeister Markus Keller sieht unterm Strich keine Verschlechterung für die Blumberger. Im Gegenteil, denn wenn in Zukunft dem Notarzt immer ein Notfallsanitäter zur Seite stünde, dann sei das bei Unfällen mit mehr als einem Verletzten von großem Vorteil. Und dann biete die neue Lösung auch Planungssicherheit für die Zukunft, denn Holzke will 2023 in den Ruhestand gehen. Und er übernimmt bislang rund 90 Prozent der Notarzt-Einsätze.
Rettungsarzt und Rettungssanitäter bilden ein Team
Metzger erklärt, dass der alleinfahrende Notarzt – so wie Holzke einer ist – ein Auslaufmodell sei. Notarzt samt Notfallsanitäter seien dagegen ein „vollwertiges Rettungsmittel“. Und diesem „vollwertigen Rettungsmittel“ lägen die Hilfsfristen zugrunde, die bis zum Erreichen des Unfallortes nicht überschritten werden dürfen. Dazu schreibt Holzke: „Wenn der allein fahrende Notarzt nach zwei Minuten am Unfallort ankommt und bereits versorgt, dann zählt das nicht als erreichte Hilfsfrist. Es wird erst die Zeit gerechnet, ab dem Zeitpunkt, wo der Rettungswagen eintrifft.“ Das könne 30 Minuten dauern, wenn viel los sei. Habe der Notarzt aber einen Rettungssanitäter dabei, dann zähle die Zeit ab Eintreffen. Holzke unterstreicht, häufig schon alleine mit der kompletten Patientenversorgung fertig gewesen zu sein, als der Rettungswagen eintraf. Statistisch sei er aber noch gar nicht da gewesen. So habe man bei dem Runden-Tisch-Treffen die schlechte statistische Hilfsfristen-Erreichung des allein fahrenden Notarztes begründet.
Rettungskonzept für die Südbaar, nicht nur für Blumberg
Der Standort des neuen Notarztdienstes (im Fachjargon wird von einer NEF-, Notfall-Einsatz-Fahrzeug-Wache gesprochen) beim Längehaus geht auf eine Studie zurück, die ein renommierter Gutachter erstellt habe, sagt Metzger. Dessen Empfehlung liege kein Kirchturmdenken zugrunde, das nur die Interessen einer Kommune berücksichtige, er habe sich vielmehr daran orientiert, was für die gesamte Südbaar am Besten sei. Und wie beurteilt Metzger den Vorstoß von Holzke, die Blumberger über den Notarztstandort abstimmen zu lassen? Das hält er für keine gute Idee, weil das Ergebnis keinerlei Relevanz hätte.
Holzke spricht von einem Schildbürgerstreich
Rainer Holzke, dessen bisherige Verdienste um die Notfallversorgung Metzger viel Respekt abverlangen, beurteilt die Situation anders. Da das Längehaus rund sechs Kilometer von Blumberg entfert ist, seien alle Einsatzorte westlich der Kernstadt viel schlechter zu erreichen. Und ob der anvisierte Neubau der Malteser bis zum 1.1.2021 realisiert werde, das wisse heute niemand. Für Holzke wird ein funktionierendes System eingedampft und womöglich stehe Blumberg ab dem 1.1.2021 ohne Notarztversorgung da. Für ihn ist der Beschluss des Bereichsausschusses ein Schildbürgerstreich.
Bereichsausschuss
Baden-Württemberg ist in 35 Rettungsdienstbereiche unterteilt, deren Grenzen sich grundsätzlich an denen der jeweiligen Landkreise orientieren. In jedem Rettungsdienstbereich wird ein Bereichsausschuss für den Rettungsdienst gebildet. Ihm gehören eine gleiche Zahl von stimmberechtigten Vertretern der Leistungsträger und der Kostenträger im Rettungsdienstbereich, höchstens je sieben Vertreter, an. Darüber hinaus sollen ihm mit beratender Stimme je ein Vertreter des Landkreises und der Feuerwehr sowie ein Leitender Notarzt des Rettungsdienstbereiches, ein Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung sowie Vertreter der Krankenhäuser angehören.
Der Bereichsausschuss beobachtet, regelt und berät den Rettungsdienst mit Ausnahme der Luftrettung. Dazu gehören – wie jetzt im Fall Blumberg/Geisingen – unter anderem die Festlegung die planerische Sicherstellung der notärztlichen Versorgung einschließlich der Gewinnung von Ärzten und die Bestimmung des organisatorischen Leiters Rettungsdienst. Sitzungen des Bereichsausschusses sollten mindestens zweimal jährlich stattfinden (Quelle: Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherstellung im Rettungsdienst Baden-Württemberg).