Wegen der Coronavirus-Pandemie hat Europas Autobranche zu einer beispiellose Vollbremsung angesetzt, nahezu alle Werke wurden dichtgemacht. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis dem Ventilwerk in Blumberg-Zollhaus die Aufträge wegbrechen. Jetzt ist es soweit. Tenneco hat ab dem 1. April Kurzarbeit auf unbeschränkte Zeit für seine Niederlassung auf der Baar beantragt, in der rund 720 Mitarbeiter beschäftigt sind.

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So soll das Produktionsvolumen der reduzierten Kundennachfrage angepasst werden, erklärt ein Sprecher der Tenneco-Zentrale in Wiesbaden. Und weiter: „Unsere Zeitpläne werden generell durch die Lieferabrufe unserer Kunden bestimmt. Derzeit lassen viele unserer Kunden in dieser schwierigen Lage ihre Produktion ruhen. Darauf reagieren wir nachfrageabhängig in enger Abstimmung mit unserem Betriebsrat im Rahmen der vom Gesetzgeber bereitgestellten Möglichkeiten.“

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Der schlechten Kurzarbeit-Nachricht steht eine gute gegenüber: Solange die Kurzarbeit andauert, gebe es für die Belegschaft eine Beschäftigungsgarantie, Entlassungen seien nicht möglich. Das sagt Gewerkschaftssekretär Oliver Böhme von der IG Metall. Das Abkommen gelte für die Mitarbeiter in der Produktion und in der Verwaltung. Gleichzeitig ist vereinbart: Bevor jemand in Kurzarbeit geschickt wird, richtet die Personalabteilung zunächst ihren Blick auf das Überstundenkonto. Es muss reduziert werden, ehe Kurzarbeit angeordnet werden kann. Die Überstundenkonten sind bei zahlreichen Ventilbauern gut gefüllt. Bis Frühjahr vergangenen Jahres wurde in der Blumberger Niederlassung auch an Samstagen und Sonntagen gearbeitet, so gut war die Auftragslage.

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Der Tarifvertrag Beschäftigungssicherung bietet generell die Möglichkeit einer vorübergehenden Absenkung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 30 Stunden. Die Beschäftigungsgarantie bietet auch Tenneco Vorteile: Der US-amerikanische Autozulieferer kann auf die schwache Auftragslage mit entsprechend niedrigerem Arbeitseinsatz reagieren und spart sich die Lohnkosten für die abgesenkte Arbeitszeit. Zu diesen Einsparungen gehört auch der Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben. Gleichzeitig bewahrt der Arbeitgeber seine personellen Kapazitäten. Er verliert nicht das Know-how entlassener Beschäftigter und muss später nicht mühevoll nach neuem Personal suchen, wenn es wieder aufwärts geht. Die Beschäftigungsgarantie habe sich bereits in der Finanz-und Wirtschaftskrise 2008/2009 bewährt, urteilt Gewerkschaftsfunktionär Böhme.

Wer in welchem Umfang bei Tenneco in Kurzarbeit geht, wird durch die Vorgesetzten in den jeweiligen Bereichen gesteuert – die Rahmenbedingungen hierfür hat eine paritätische Kommission aus Betriebsrat und Arbeitgeber festgelegt. Das gesetzliche Kurzarbeitergeld, 60 Prozent des Nettolohns/67 Prozent mit Kindern, wird dank der Betriebsvereinbarung und der guten tariflichen Aufzahlungsregeln des normalen Nettoeinkommens in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie aufgestockt und somit die Einkommensverluste abgemildert. Zudem können die Beschäftigten in der Kurzarbeitsphase Urlaub einbringen. Außerdem ist geregelt, dass sich die Einkommenseinbußen weder auf Urlaubsgeld, Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge oder tarifliche Jahresleistungen auswirken.

IG Metall wertet Staatshilfen als ungerecht

Die IG Metall fordert nun, dass die für die Arbeitnehmer vergleichsweise guten Vereinbarungen zwischen der Gewerkschaft und Tenneco auch von Unternehmen übernommen werden sollten, die nicht tarifgebunden sind. Grundsätzlich begrüßt die Gewerkschaft die wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung, im Rettungspaket stecke leider auch eine gehörige Portion Ungerechtigkeit. Der Staat helfe den Unternehmen mit sehr viel Geld, sogar die Beiträge zur Sozialversicherung erstatte er den Arbeitgebern zurück – nicht nur die Arbeitgeberanteile, sondern auch den Anteil der Beschäftigten. Das sei nicht gerecht. Denn Unternehmen bestünden nicht nur aus ihren Eigentümern, sondern auch aus ihren Beschäftigten. Und viele von ihnen müssten aufgrund von Kurzarbeit Einkommenseinbußen hinnehmen. Warum könne die Unterstützung durch den Staat nicht zur Hälfte – und damit in Höhe des Arbeitnehmeranteils – an die Beschäftigten weitergegeben werden?, fragt die IG Metall.