Wenn die Gerüchteküche brodelt, wird die Neugier so richtig angestachelt. Im Alltag ist Vorsicht angebracht, wenn Gespräche mit „Du, ich hab gehört...“ oder „Mir ist da zu Ohren gekommen...“ beginnen. In Blumberg haben diese Satzeinstiege gerade Hochkonjunktur. „Du, ich habe gehört, dass die Teilnehmer einer Skiausfahrt nach Ischgl das Coronavirus nach Blumberg gebracht haben.“ Bei solchen und ähnlichen Aussagen schwingt immer mit, dass die rund 60 teilnehmenden Skifahrer höchst leichtsinnig gehandelt hätten. Und auch der Organisator des Tagesausflugs wird an den Pranger gestellt. Heute weiß jeder, dass Ischgl ein Hotspot für die Verbreitung von Coronaviren in Europa war. Doch wie war das am Samstag, 7. März, dem Tag, an dem sich ein Bus aus Blumberg für einen privat organisierten Tagesausflug auf den Weg nach Ischgl machte?
Ein Blick zurück zeigt: Zwei Tage vor der Skitour, also am 5. März, klassifizierten die isländischen Gesundheitsbehörden Ischgl als Risikogebiet. Auf dieser „schwarzen Liste“ befanden sich unter anderem auch die chinesische Provinz Wuhan und der Iran. Island war aber das einzige Land, dass zu diesem Zeitpunkt so hart gegen Ischgl vorging. In den deutschen Medien stieß der Vorstoß der Regierung in Reykjavik auf wenig Resonanz. Damals wehrte die Tiroler Sanitätsdirektion noch ab: Die Ansteckung am Urlaubsort sei unwahrscheinlich gewesen. Vermutlich hätten sich die Isländer auf dem Heimweg von München nach Reykjavik angesteckt, hieß es. Heute wissen es auch die Österreicher besser.

Am 7. März und den Tagen zuvor stand Ischgl also noch nicht im Mittelpunkt der medialen Coronavirus-Berichterstattung. Der Fokus lag auf Südtirol, das das Robert-Koch-Institut am Donnerstag, 5. März, um 21 Uhr auf seiner Homepage als Risikogebiet, in dem eine Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus besonders hoch ist, deklarierte. Der SÜDKURIER hinterfragte in seiner Ausgabe am 7. März, weshalb die Alarmglocken erst so spät in Südtirol geläutet haben. Gleichzeitig gab diese Zeitung Tipps, wie sich Südtirol-Urlauber nach ihrer Heimkehr zu verhalten haben. Dass das Coronavirus damals aber noch nicht das alles dominierende Nachrichtenthema war, spiegelt die Titelseite der SÜDKURIER-Ausgabe von diesem Tag wider: Aufmacher war eine Geschichte über die Fernsehserie „Lindenstraße„, von der bekannt geworden war, dass sie nach 34 Jahren endet.

Den ersten offiziellen Coronafall meldete Ischgl am 7. März. Betroffen war eine Servicekraft der Après-Ski Bar „Kitzloch“. „Aus medizinischer Sicht ist es wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist.“ Das sagte am 8. März Franz Katzgraber, der Landessanitätsdirektor von Tirol. Am 9. März erfährt dann die Öffentlichkeit, dass der „Kitzloch“-Kellner 15 Menschen in seinem direkten Umfeld angesteckt hat. Daraufhin schließt Tirol am 10. März das „Kitzloch“ und alle anderen Lokale in Ischgl. Eine Quarantäne für das Skidorf wird aber nicht angeordnet, noch laufen die Lifte.
Dieser Schritt folgt erst 13. März. An diesem Freitag erklärte die österreichische Bundesregierung Ischgl und das Paznauntal zum Risikogebiet. Deutschland greift das auf und stuft Tirol ebenfalls als Risikogebiet ein – also sechs Tage nach dem Tagesausflug der Blumberger.
Als der Organisator der Ischgl-Fahrt am Freitagabend in den Nachrichten von der Risikogebiet-Meldung erfährt, greift er – so seine Schilderung gegenüber dieser Zeitung – sofort zum Telefon, um das Gesundheitsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises zu informieren. Das ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besetzt. Doch am Samstagvormittag findet er einen Ansprechpartner in der Behörde und gibt die Namen der Ausfahrtsteilnehmer weiter. Daraufhin habe das Gesundheitsamt umgehend telefonisch und schriftlich Kontakt mit den Skisportlern aufgenommen, sie auf das Coronavirus hin untersucht und ihnen eine 14-tägige Quarantäne verordnet, berichtet der Organisator. Die Tests zeigten: Einige Ausfahrtsteilnehmer hatten sich das Virus eingefangen. Landratsamtssprecherin Heike Frank bestätigt auf Nachfrage diese Version und stellt klar: Der Organisator habe sich korrekt und kooperativ verhalten.
War es nun aber nicht zumindest leichtsinnig, am 7. März das Pistenvergnügen in Ischgl gesucht zu haben? Die Chronologie zeigt eindeutig: Nein. Wer etwas anderes behauptet, kennt die Fakten nicht. Und er muss damit rechnen, dass der Organisator des Skiausflugs Gerüchte nicht einfach so stehen lässt. Einer Person hat er seiner Schilderung nach schon mit einer Anzeige wegen Rufmords gedroht.