Herr Keller, die finanzielle Lage der Kommunen in Baden-Württemberg ist angespannt. Städte und Gemeinden klagen immer wieder, dass sie von der Politik zunehmend weitere Aufgaben übernehmen müssten, ohne dafür die nötigen Finanzmittel zu erhalten. Wie sieht es in Blumberg aus?
Markus Keller: Wir stehen unter dem gleichen Druck wie viele andere Kommunen: Die Pflichtaufgaben steigen, die finanziellen Mittel reichen oft nicht aus. Trotzdem kann ich mit Überzeugung sagen: Blumberg steht im landesweiten Vergleich finanziell noch recht gut da. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer klaren, vorausschauenden Haushaltspolitik. Wir setzen seit vielen Jahren auf Konsolidierung, langfristige Planung und gezielte Investitionen. Das verschafft uns heute die nötige Handlungsfähigkeit, um auch unter schwierigen Rahmenbedingungen unsere Aufgaben zu erfüllen.
Sie sind seit 2010 Bürgermeister der Stadt Blumberg, wie war die finanzielle Lage bei Ihrem Amtsantritt?
Markus Keller: Als ich das Amt angetreten habe, war die finanzielle Lage angespannt. Der Schuldenstand im Kernhaushalt – also in der Hoheitsverwaltung – betrug rund fünf Millionen Euro. Die Eigenbetriebe waren ebenfalls hoch verschuldet: In der Stadtentwässerung lagen die Verbindlichkeiten bei 16,5 Millionen Euro, bei den Stadtwerken bei 2,4 Millionen Euro. Mein Ziel war von Anfang an: Entschuldung, ohne die Zukunftsfähigkeit aufs Spiel zu setzen. Dieser Kurs war nicht immer einfach, aber er hat sich bewährt.
Wie ist die Lage heute, gibt es überhaupt noch einen Haushalt ohne
Neuverschuldung?
Markus Keller: Noch ja – Blumberg hat aktuell einen nahezu schuldenfreien Kernhaushalt. Zum Stand Ende 2024 liegt die Verschuldung dort bei nur noch rund 200.000 Euro. Das bedeutet eine Reduktion von mehr als 96 Prozent seit 2010 – ohne neue Kredite im Verwaltungshaushalt. Auch bei den Eigenbetrieben haben wir große Fortschritte gemacht: Die Schulden der Stadtentwässerung wurden von 16,5 Millionen Euro auf 13,2 Millionen Euro gesenkt – trotz Investitionen in die Infrastruktur. Bei den Stadtwerken ging die Verschuldung von 2,4 Millionen Euro auf 1,85 Millionen Euro zurück. Das zeigt: Wir investieren dort, wo es notwendig ist – und bauen gleichzeitig Schulden ab.
Wie oft und in welcher Höhe musste
die Stadt in den vergangenen Jahren Kredite aufnehmen?
Markus Keller: Seit dem Jahr 2022 haben wir nur in den Eigenbetrieben – im Abwasserbereich – neue Kredite aufgenommen, um gezielt in die Infrastruktur zu investieren. Im Jahr 2022 waren es drei Millionen Euro, 2024 dann 0,5¦Millionen Euro für weitere Infrastrukturmaßnahmen. Für die Blumberger Stadtwerke haben wir seit Jahren keine neuen Kredite aufgenommen, im Gegenteil: Dort wurde der Schuldenstand kontinuierlich abgebaut.
Weniger Einnahmen und steigende Ausgaben: Welche Änderungen wirken sich am gravierendsten aus?
Markus Keller: Die stärkste Belastung entsteht durch die Kombination aus steigenden Kosten und fehlender Gegenfinanzierung. Das betrifft vor allem die Pflichtaufgaben, die uns vom Land übertragen werden – zum Beispiel im Bereich der Kinderbetreuung, Flüchtlingsunterbringung und bald auch der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung. Gleichzeitig steigen die Personalkosten, die Baupreise, die Energiekosten und viele weitere Faktoren, die den städtischen Haushalt belasten. Bei den Einnahmen stagnieren dagegen die Schlüsselzuweisungen und Steuern, oder sie gehen zurück.
Wie wirkt sich die verschärfte Finanzlage auf die freiwilligen Leistungen aus, etwa auf die Schulsozialarbeit und Ganztagsbetreuung?
Markus Keller: Trotz aller finanziellen Herausforderungen ist es uns bisher gelungen, alle freiwilligen Leistungen aufrechtzuerhalten. Dazu gehören etwa die Schulsozialarbeit, die Ganztagsbetreuung, die Bibliothek, das Panoramabad, die Vereinsförderung oder kulturelle Angebote wie das Street-Art-Festival und Blumberg on Ice. Für mich sind das Investitionen in den sozialen Zusammenhalt und in die Lebensqualität vor Ort. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir starke Strukturen.
Sie sind auch Kreisrat: Wie ist die Lage anderer Gemeinden im Landkreis Schwarzwald-Baar?
Markus Keller: Viele Kommunen sind finanziell am Limit und darüber hinaus. Fehlende Rücklagen, steigende Kreisumlagen und hohe Investitionsstaus belasten die Haushalte stark. Die strukturellen Probleme betreffen uns alle. Deshalb braucht es nicht nur individuelle Lösungen vor Ort, sondern auch einen politischen Kurswechsel auf Landesebene und im Bund.
Das Land hat angekündigt, die Kommunen mit drei Milliarden Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich zu unterstützen. Reicht dies aus?
Markus Keller: Die angekündigte Unterstützung ist ein Schritt in die richtige Richtung und wir sind dankbar, aber sie reicht bei Weitem nicht aus. Es handelt sich größtenteils um Einmalzahlungen – was fehlt, ist eine strukturelle, dauerhafte Stärkung der kommunalen Finanzen. Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung der Pflichtaufgaben, mehr Planungssicherheit und eine klare Aufgabenkritik, sprich eine regelmäßige Überprüfung, welche Aufgaben wirklich nötig sind und ob sie sogar gesetzlich abgeschafft werden können. Es kann nicht sein, dass den Kommunen immer mehr aufgebürdet wird, ohne dass das Land entsprechend finanzielle Verantwortung übernimmt.
Was bedeutet dies für die Stadt Blumberg, was für die Nachbarkommunen wie Hüfingen oder Bräunlingen?
Markus Keller: Für Blumberg bedeutet es: Wir können trotz schwieriger Bedingungen im Augenblick noch weiter gestalten – weil wir rechtzeitig strukturell vorgesorgt haben. Andere Kommunen im Umland, wie etwa Hüfingen oder Bräunlingen, stehen ähnlich gut da. Entscheidend ist, dass wir regional zusammenstehen und gegenüber der Landesregierung deutlich machen: Die Kommunen brauchen für ihre zusätzlichen Aufgaben auch die nötigen Mittel. Nur so bleibt kommunale Selbstverwaltung mehr als ein Schlagwort und Lippenbekenntnis.
Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, um die Finanzsituation der Kommunen spürbar und nachhaltig zu verbessern?
Markus Keller: Wir brauchen aus meiner Sicht vier Dinge: Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die sich am tatsächlichen Bedarf und an der Struktur der Gemeinden orientiert. Eine verlässliche Finanzierung der Pflichtaufgaben, insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich. Kein kommunales Geld für Aufgaben, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Wer bestellt, sollte auch bezahlen. Mehr Gestaltungsspielraum für die Kommunen, zum Beispiel durch Bürokratieabbau. Und ganz grundsätzlich: Ein klares Bekenntnis mit Taten zur kommunalen Selbstverwaltung – mit echter finanzieller Handlungsfähigkeit. Wenn diese Punkte umgesetzt werden, können Städte wie Blumberg auch künftig ihre Aufgaben erfüllen – verantwortungsvoll, bürgernah und zukunftsgerichtet.
Fragen: Bernhard Lutz