Video-Sprechstunden, Überweisungen und Rezepte per E-Mail, intelligente Telefonanlagen oder Terminvergabe direkt auf der Homepage: Die schöne neue Digitalwelt umschmeichelt niedergelassene Ärzte mit allerlei Hilfestellungen im Praxisalltag. Doch was ist nützlich, was ist umsetzbar, wo stellen sich Faktoren in den Weg, die von den Medizinern nicht beeinflussbar sind?
Daten müssen schnell zu finden sein
Auf einem guten Weg bei der Digitalisierung seiner Praxis sieht sich Markus Lutz. Insbesondere durch den elektronischen, nicht mehr papiergebundenen Arztbrief und die elektronische Patientenakte erhofft sich der Donaueschinger Internist Vereinfachungen: wenn die Daten sinnvoll sortiert vorliegen. Was das heißt? „Sie müssen rasch auffindbar sein, sonst lassen sie sich in einer Konsultation von ein paar Minuten gar nicht nutzen“, sagt der 51-Jährige, der seine Praxis im 12. Jahr betreibt.
Allerdings werde es mühsam werden, die Daten für den erstmaligen Gebrauch zu erheben und einzuspeichern: „Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.“ Der Gesetzgeber habe diesen Aspekt ungenügend bedacht. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Praxen zu viel mit Verwaltung und Bürotätigkeit beschäftigt seien. Überlegungen zur Entlastung bei patientenfernen Tätigkeiten seien komplex und führten auf ein hochpolitisches Feld.
Deutlich mehr telefonische Konsultationen
Die Digitalisierung habe prinzipiell Zukunft und werde viele Dinge bringen, die weiterhelfen: mit klaren Lösungen, die datenschutzkonform sind. Welche Komponenten sinnvoll sind, müsse jede Praxis selbst entscheiden. Videosprechstunden bietet Markus Lutz noch nicht an, aber mehr Telefonkonsultationen. „Das merken wir deutlich“, sagt er, nennt aber auch einen höheren Beratungsaufwand am Telefon.
Fürs Einpflegen des Datengrundstocks gäbe es zwar Schulungen, doch letztlich bliebe dieser mühsame Prozess in der Hand der Ärzte, weiß die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Swantje Middeldorff. Und viele Ärzte fänden das „auch gar nicht toll“.
Jede vierte Praxis kann Videosprechstunde nutzen
Die Corona-Krise und einige rechtliche Klärungen hätten der Videotelefonie schon in diesem Jahr einen enormen Schub gegeben. „Vor Corona nutzten in Baden-Württemberg acht bis neun Praxen diese Möglichkeit. Jetzt haben 4000, ein Viertel aller Praxen, die technischen Möglichkeiten“, sagt Middeldorff. Wie häufig die Videosprechstunde genutzt wird, werde sich anhand der Abrechnungen weisen.

Für den Orthopäden Dietmar Göbel ist die Web-Sprechstunde keine Option. „Im orthopädischen Bereich muss ich die Bewegungsmuskeln sehen und wie jemand läuft“, sagt der 55-jährige Facharzt. Diese Diagnose kann er nur im Behandlungsraum erstellen.
Datenschutzproblem dürfte bleiben
Die Digitalisierung sieht er mit Hoffnung und Skepsis. Im Medi-Verbund, einem separaten Ärzeverband kann er schon Rezepte und Arztbriefe sicher elektonisch verschicken. In anderen Austauschnetzen stehen Arztausweise, also elektronische Signaturen auf modernen Chipkarten, noch gar nicht zur Verfügung. Langfristig dürfte sich das Datenschutzproblem trotz aller Sicherheitssoftware nicht ändern: Die sensible Korrespondenz werde potenziell immer hackbar bleiben.
Solange die Technik funktioniert, helfe die Digitalierung. Aber nicht auf allen Feldern: „Wir haben uns in der Praxis gegen eine Online-Terminvereinbarung ausgesprochen“, sagt Göbel. Diese Neuerung in der von ihm seit 2003 geführten Praxis mache die Terminvergabe nicht schneller und binde zusätzlich Personal.
Krankmeldungen werden digital verschickt
„Wir versuchen, Papier zu vermeiden“, stellt die Internistin Susanne Gretzinger einen Teilaspekt der Digitalstrategie ihrer Praxis vor. Ein Langzeit-EKG wird digital gespeichert, ausgelesen und ein Befund als Datensatz erstellt, Bestellungen auf dem Anrufbeantworter wandeln sich in E-Mails und Rezepte, Krankmeldungen werden digital an die AOK geschickt. Auf Anfrage bietet die 52-jährige Ärztin, die seit knapp fünf Jahren in Donaueschingen praktiziert, eine Videosprechstunde an.
Ihre Computersoftware nimmt sie mit zu Hausbesuchen. Mit ihrem Smartphone kann sie Bilder machen, von einer Wunde etwa, den Befund diktieren und direkt ein Rezept veranlassen. Toll eigentlich, gäbe es nicht etliche alte Zöpfe: Arztbriefe zum Beispiel. Ob vorläufig, vom Assistenz-, Ober- oder Chefarzt – jeweils muss sie jede Version mit der Vorversion abgleichen. Da wünscht sich die Medizinerin auch eine Vereinfachung der Dokumentationspflicht, aber auch eine Harmonisierung der Systeme. „Wenn dann ein Patient mit einem Medikamentenplan kommt, den ich nicht auslesen kann“, sei das nervig.
Updates können lästig sein
Und natürlich ergäben sich manchmal strukturbedingte Hindernisse: Als das Internet etwa jüngst zweieinhalb Stunden ausfiel oder als 2019 das Glasfaser verlegt wurde. Auch nach manchen Updates müssen Fehler behoben werden. „Das ist lästig“, so die Ärztin.