„Bitte nehmen Sie mich unverzüglich aus Ihrem Verteiler“: Diese Botschaft hat Frank Jäger im Anschluss an seine Rundmail zuhauf erhalten. Darin hatte der Leiter des Fitnessstudios Rückgrat in Donaueschingen zu werktäglichen Kundgebungen vor dem Hanselbrunnen aufgerufen, um gegen die Corona-Politik zu protestieren. An über 240 Empfänger ging sein elektronischer Brief. Diese reagierten stellenweise überrascht und verärgert.
Zu denjenigen, die sich unverzüglich von Jägers Einladung distanzierten und dafür ebenfalls den großen Mail-Verteiler nutzten, gehört Peter Nottebohm. „Seine Meinung kann man ihm nicht verbieten, aber ich finde das Vorgehen mit Blick auf den Datenschutz ungeheuerlich“, sagt er. Als Mitglied im Fitnessstudio sei Nottebohm mit einer anderen Mailadresse registriert, die Verwendung der genutzten Adresse habe er Jäger nicht gestattet. „Mir stellt sich die Frage, woher Sie die ganzen Geschäftsadressen haben, die man für alle erkennbar im Verteiler sehen kann“, antwortete er in einer Mail in Richtung des Rückgrat-Studioleiters. Nottebohm fährt fort: „Was würde wohl passieren, wenn man zum Beispiel den Landesbeauftragten für Datenschutz von dieser ungeheuerlichen Vorgehensweise in Kenntnis setzt?“
Kündigung der Mitgliedschaft erwägt
Über die Haltung Frank Jägers zur Corona-Thematik wolle er sich nicht näher auslassen. Viele Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung teile Peter Nottebohm nicht, „aber ein solcher Weg und eine solche Haltung ist für mich nicht der Weg“. Nun überlegt er laut eigener Aussage ernsthaft, seine Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio zu kündigen.

Genauso wenig begeistert ist Friedrich Hucke. In seiner Mail habe Frank Jäger alle angeschriebenen Adressen öffentlich und unverschlüsselt preisgegeben – ein absolutes No-Go, findet der bildende Künstler: „Ich weiß nicht, woher er meine Mailadresse hat und frage mich, ob er sich damit vielleicht sogar strafbar gemacht hat.“ Er sei sicher, dass „unzählige andere Menschen, die Sie wahrscheinlich ebenfalls ungefragt angeschrieben haben“, ähnlich überrascht gewesen sind. In einer Antwortmail an Jäger und alle anderen im Verteiler verweist Hucke auf den Datenschutz: „Es ist eine Unverschämtheit, alle Adressen offen anzuzeigen.“ Er teile die Meinung nicht und wolle „weder mit dieser Art von Querdenkern, noch mit rechtslastigen und esoterisch verwirrten Spinnern wie Ihnen zu tun haben und auch nicht in einen Topf geworfen werden“.
Ein Besuch auf Jägers Facebook-Seite habe den 68-Jährigen schaudern lassen, Hucke bezeichnet Jäger als „typischen Querdenker mit esoterisch rechtsradikaler Tendenz, dem wohl irgendwann in seinem Fitnessstudio mal eine Hantel auf den Kopf gefallen sein muss“. Jäger bediene sich teils höchst fragwürdiger Quellen, mit der Antwort per Mail habe der Künstler klarmachen wollen, dass er eine andere Meinung vertrete und offen „gegen solche Spinner“ dagegenhalten möchte. Von Frank Jäger habe Hucke als Rückmeldung eine Entschuldigung erhalten. Dennoch habe der Künstler in dieser Sache Kontakt mit dem Büro des Oberbürgermeisters aufgenommen.
Woher stammt der XXL-Verteiler?
Zunächst wurde vermutet, dass Frank Jäger den großen Verteiler durch den Gewerbeverein erhalten hat. Das stellte sich aber als nicht richtig heraus. Stattdessen teilt Beatrix Grüninger, Pressesprecherin der Stadt Donaueschingen, auf Nachfrage mit: „Die Stadtverwaltung distanziert sich von der missbräuchlichen Nutzung eines Verteilers, der über das City Management leider versehentlich einem größeren Personenkreis öffentlich zugänglich gemacht wurde.“ City Managerin Christine Neu nutzt derweil dieselben Worte, als sie sagt: „Wir distanzieren uns von der missbräuchlichen Nutzung des Verteilers.“ Man habe die Angelegenheit klären können und die nötigen Schritte unternommen, „um weitere Aktionen zu verhindern“, so Neu.
Was sagt Frank Jäger?
Frank Jäger hatte in der Vergangenheit bei den von ihm organisierten Kundgebungen stets betont, dass sein privates und geschäftliches Wirken strikt voneinander zu trennen seien. Im Fitnessstudio habe er sich an die Vorgaben gehalten, die sich aus der Corona-Verordnung ergeben, und die Hygieneregeln umgesetzt. Nun nutzte er allerdings seine geschäftliche Mailadresse, um auf private Meinungsäußerung aufmerksam zu machen und zu den Kundgebungen auf dem Hengstlerplatz einzuladen. Spätestens dadurch ist sein privater Antrieb mit der geschäftlichen Ebene verschmolzen. Dass er für seinen Aufruf nicht die private Mailadresse verwendet hat, sei ein unüberlegter Zufall gewesen.

Sein Gewissen sei rein, sagt Frank Jäger im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Gleichzeitig gibt er aber zu, dass er den Fehler gemacht habe, bei seiner Mail nicht mit einer Blindkopie (Bcc) zu arbeiten. Den Verteiler des City Managements habe er aus Versehen gewählt, ohne bösen Hintergedanken, wie er versichert: „Über Wochen und Monate habe ich zwecks Vernetzung meinen eigenen Verteiler mit weit über 100 Adressen von Donaueschinger Firmen erstellt und als Datei abgespeichert. Das ist ganz einfach, da jedes Unternehmen seine Mailadresse auf der Internetseite veröffentlicht hat, man möchte ja schließlich von Kunden kontaktiert werden“, erklärt Jäger, der verspricht, dass so ein Fauxpas nicht mehr passieren wird. Er bedaure es sehr, dass City Managerin Christine Neu „jetzt das Ziel auch unsachlicher Kritik geworden ist“. Per Mail habe sich Jäger bei ihr entschuldigt und erklärt, er habe erst später festgestellt, dass er bedauerlicherweise den falschen Verteiler gewählt hat.
Trotz seines Schuldeingeständnisses könne er die Aufregung kaum verstehen: „Meinen Text sehe ich nicht dramatisch, genauso hielt ich die Adressen für unproblematisch. Aber meine Person scheint nun mal zu polarisieren.“ Diejenigen, die auf Jägers Mail geantwortet haben und dazu ebenfalls auf den XXL-Verteiler zurückgegriffen haben, sieht der Fitnessstudioleiter genauso in der Verantwortung. „Sie haben denselben Mailverteiler benutzt wie ich und durch diese beschleunigte Dynamik das Ganze hochgeschaukelt.“ Zu einer Welle der Empörung sei es erst gekommen, als mehrere Antwortmails auf diese Weise verschickt worden seien: „Als sich darin über die Missachtung der Datenschutzrichtlinien aufgeregt wurde, um dann selbst den Verteiler offen zu verwenden, erst da kam der Stein ins Rollen. Das hat einen Dominoeffekt ausgelöst.“ Zunächst hätten ihn „nur einige wenige Betriebe auf den Fehler hingewiesen“, woraufhin er den Verteiler bereits gelöscht habe.
Was sagt sein Vorgesetzter?
Lutz Kruger ist der Geschäftsführer des Rückgrat-Fitnessstudios und damit direkter Vorgesetzter von Frank Jäger. Ob es Konsequenzen hat, dass dieser für seinen Kundgebungs-Aufruf die geschäftliche Mailadresse verwendet hat, und wie Kruger die Sache einschätzt, war bislang nicht zu erfahren. Telefonisch hat der SÜDKURIER ihn nicht erreicht. Frank Jäger teilt diesbezüglich mit, dass die Kundgebungen am Hengstlerplatz seine private Initiative sei: „Lutz Kruger und andere Rückgrat-Mitarbeiter haben die Veranstaltung nicht besucht.“
Hat sich Frank Jäger strafbar gemacht?
Mit dieser Frage hat sich der SÜDKURIER an einen Anwalt aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis gewandt. Dieser möchte die Sache in den kommenden Tagen prüfen, wir werden im Anschluss darüber berichten. Es rieche nach einem Datenschutz-Verstoß, der jedoch in der Verantwortung auf das City Management als Auslöser zurückgehe und im Allgemeinen ein Bußgeld nach sich ziehen könne.