Fasnet ist für viele eine der wichtigsten Zeiten im Jahr. Die bunten Umzüge, die kreativen Häser und die tief verwurzelten Traditionen sind ein Kernbestandteil der schwäbisch-alemannischen Kultur. Einer, der diese Kultur maßgeblich mitgeprägt hat, ist Wolfgang Reiter. In Donaueschingen ist er bekannt als der Betreiber des gleichnamigen Cafés in unmittelbarer Nähe von Stadtkirche, Schloss und Donauquelle.
In der Narrenzunft Frohsinn hat er schon in jungen Jahren eine wichtige Rolle gespielt. 28 Jahre lang war er Oberhansel der Narrenzunft Frohsinn 1853, eine Aufgabe, die weit über das Tragen eines Narrenkleids hinausging.

Reiter beschreibt sich im Rückblick selbst als einen, der die Narrenzunft durch viele Höhen und Tiefen geführt hat. „Wenn man das mit der Politik vergleichen möchte, war ich alles in einem: Fraktionsvorsitzender, Oppositionsführer, Kanzler und Präsident zugleich“, sagt er lachend.
Keine Fastnacht ohne Ordnung
Besonders wichtig ist und war ihm die Bewahrung der Fastnachtstraditionen. „Es gibt keine Fastnacht ohne Ordnung, auch wenn es nach außen chaotisch wirken mag. Wir achten darauf, dass alles seinen Regeln folgt.“
Ein zentraler Punkt der Donaueschinger Fastnacht sind die Narrenfiguren, allen voran der Hansel und sein Gretle. Gemeinsam dominieren sie neben dem Narrenrat, Ignaz und Severin, der Bolizei und dem Kuhseckel das fastnächtliche Bild auf den Straßen und in den Lokalen der Donaustadt.
Plääri steht für den Abschied
Mit dabei ist aber auch der Plääri, eine Figur, die jedes Jahr am Fastnachtsdienstag das Ende der feierlichen Zeit verkündet. „Wir sind nur sieben und gehen von Lokal zu Lokal, um den Leuten zu sagen: Jetzt ist es vorbei“, erklärt Reiter. Dabei sei der Plääri mehr als nur eine Maske – er ist ein Symbol für den Abschied von der unbeschwerten Zeit der Fastnacht und den Beginn der Fastenzeit. Und der Narr im Plääri-Häs ist ein wahrer Ordnungshüter.
Buttons finanzieren Umzüge mit
Die Narrenfiguren gibt es als Buttons für Sammler auch zu kaufen, sie leisten dadurch einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der Umzüge, die ohne diese Einnahmen und die der Sponsoren inzwischen gar nicht mehr stattfinden könnten – allein die Versicherungen verschlingen einen vierstelligen Eurobetrag.
Doch nicht jedes Jahr verlief für die Narren nach Plan. Die Corona-Pandemie traf die Fastnachtswelt hart. „Das war eine schwierige Zeit. Wir konnten nichts veranstalten, mussten die Umzüge absagen“, erinnert sich Reiter.
Plääri bekommt besondere Bedeutung
Doch es gab eine besondere Wendung: Die Figur des Plääri, die ja sonst nur das Ende einleitet, passte auf einmal perfekt in diese Zeit. „Wir haben eine weinende Maske, die ohnehin für den Abschied von der Fastnacht steht. In der Corona-Zeit wurde sie zu einem Symbol des allgemeinen Abschieds, der Trauer darüber, dass die Traditionen ruhen mussten.“
Neben seiner Arbeit in der Zunft engagiert sich Reiter auch in der Vermittlung von Brauchtum. „Seit 1978 gehe ich in Schulen und Kindergärten, um den Kindern die Fastnacht näherzubringen.“ Besonders am Herzen liegt ihm dabei, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund einen Zugang zur Fastnacht finden. „Viele können ihre Eltern oder Großeltern nicht fragen, weil sie aus anderen Kulturen kommen. Umso wichtiger ist es, dass sie lernen, was Fastnacht bedeutet.“
Hansel 1783 erstmals erwähnt
Die Fastnacht in Donaueschingen ist ein fest verankertes Kulturgut. Die Narrenfiguren wie Hansel und Gretle, der Kuhseckel oder der Zeremonienmeister haben eine lange Geschichte. „Unser Narrenzunft existiert seit 1853, aber Fastnacht gab es hier schon vorher. Der Donaueschinger Hansel, erste Erwähnung 1783, zählt zu den Baaremer Weißnarren.“
Hoftrauer knipst die Fasnet aus
„Bedingt durch Einflüsse des höfischen Bereichs gab es in der Geschichte verschieden bemalte Hanselhäser, die aber trotzdem alle typische Narrensymbole aufweisen. Und 1784 hat das Haus Fürstenberg Fastnacht verboten, weil es Hoftrauer gab. Das ist in den Archiven belegt.“
Auch wenn Wolfgang Reiter heute nicht mehr Oberhansel ist, bleibt er der Fastnacht treu. „Einmal Narr, immer Narr“, sagt er schmunzelnd. Und so ist es wohl auch: Wenn der Plääri am Dienstagabend wieder durch die Lokale zieht, wird auch Wolfgang Reiter dabei sein, mit einem lachenden und einem weinenden Auge.