Mit einem Catwalk verbindet man gerne schlanke Beine auf hohen Hacken. Doch über diesen Catwalk laufen Soldatenstiefel, die Kleidung ist weniger bunt und modisch als funktional und tarnfarben. Der Laufsteg befindet sich nicht in einem angesagten Modehaus, sondern in einer früheren Lagerhalle in der Donaueschinger Kaserne. Zudem stehen nicht die Beteiligten auf der metallenen Brücke im Mittelpunkt der Bewertung, sondern jene darunter.
Wohnung ist spärlich eingerichtet
Die Catwalk-Anlage dient Soldaten als Möglichkeit, den Häuserkampf realistischer zu üben. Als Trainingsfeld dient eine ebenerdige, aus doppelbeplankten USB-Platten gebaute Wohnung; elf Räume sind auf einer Grundfläche von zehn mal zwanzig Meter nachgebaut, mit Türen verbunden, und möbliert als Büro, Kinderzimmer, Schlafzimmer oder Wohnzimmer. Die Grobplanung der Anlage stammt von Kasernenfeldwebel Günter Barthel, für die Umsetzung zeichnete sich die Mönchweiler Firma Holzbau Müller verantwortlich. Barthel wiederum selbst hat die Einrichtung zusammengesammelt.
Den großen Vorteil des Laufstegs, der sich zwischen zwei Treppen über die wie eine große Schachtel wirkende Anlage spannt, erklärt Samir Barth. Der Hauptfeldwebel ist Zugführer des FA-Zuges. Hier wird der Feldwebel-Nachwuchs des Jägerbataillons 292 ausgebildet. „Man steht sich nicht gegenseitig im Weg und sieht von dieser Perspektive einfach mehr“, sieht Barth als Vorteil.
Das gilt für Ausbilder, die das Geschehen wahlweise von oben oder in den Räumen analysieren, aber auch für Soldaten in der Übungspause. Mit Helm, Maske, Kampfanzug und Sturmgewehr G 36 an der Seite beobachten sie, wie sich die Kameraden bei der nächsten Aufgabe anstellen. Über der Wohnung ohne Dach ist es schwül-warm. Das Hallendach ist nahe.
An der Hausecke stellt sich ein vierköpfiger Trupp auf. Ein weiterer hält sich im Hintergrund. Die Catwalk-Anlage ist erst im Juni in Betrieb gegangen, bisher noch ohne Kamera-System, das die Durchgänge aufnimmt, aber demnächst die Analyse technisch verfeinern dürfte.
Die Übungsteilnehmer stehen noch am Anfang ihrer Ausbildung. Sie trainieren ohne Übungsmunition, zu der auch Übungshandgranaten gehören. „Einundzwanzig, zweiundzwanzig“, wird gezählt, dann stürmen die vier in das Haus. Das Zählen macht Sinn. Es ist der Zeitraum, in dem mit Querschlägern zu rechnen wäre.

Die Lage, also die Ausgangssituation, wird flexibel ausgelegt. Nur Feind? Auch Zivilpersonen? Schießt der Trupp systematisch von sich aus, reagiert er dynamisch erst auf eine Bedrohung? Häuserkampf gehört zur Ausbildung der Jäger, einer Infanterie-Kampftruppe. Hauptmann Thomas Bschorr, Chef der 2. Kompanie, spricht hier von einer Spezialisierung der Jäger. Die müssten überall dort ran, wo es eng und unübersichtlich wird. „Da müssen die Abläufe sitzen.“

Etwa beim Türöffnen. Als Übungseinheit ein Füllhorn an Möglichkeiten. Ist die Tür angelehnt, geschlossen, verriegelt oder gesichert? Theoretisch könnte sich hier ein Viertrupp den ganzen Tag verausgaben, sagt Hauptfeldwebel Barth. Nur würde das keine Tür auf Dauer aushalten. Deshalb bietet das mit Eingängen und mit Fensterläden bewehrte Schachtelhaus noch ein besonderes Trainingsfeld.
Knapp 7000 Euro kostete eine Stahltür, an der sich verschiedene Widerstände simulieren lassen. Ihr Metallrahmen wegen der brachial wirkenden Kräfte nicht mit der Holzkonstruktion verbunden. Mit einfachen Holzsplints kann die Tür innen verstärkt werden, Metallbolzen können im Türrahmen versenkt werden. Je nach Aufgabenstellung variiert der Aufwand dann zwischen kräftigen Fußtritten und dem Einsatz einer Ramme.
Heute steht das „Vorgehen von einem Raum in den nächsten und das Nehmen eines Raums“ auf dem Stundenplan, informiert Barth. Hinein geht es durch einen Vorhang, die Fallstricke der Mission stecken im Detail.
Mal geht der Weg eines Übenden nicht zielgerichtet in Richtung der nächsten offenen Tür (die potenzielle Bedrohung überhaupt), mal schaut ein Soldat nicht unters Bett (wo sich ein Feind verstecken könnte), mal misst ein anderer dem Winkel zwischen Tür und Schrank kein Gefahrenpotenzial zu, mal wird ein Verwundeter nicht sofort gemeldet.
Warum aber wurde diese Trainingsarena gebaut? Die Ortskampf-Situation habe nicht unbedingt zugenommen, sagt Barth. Das gelte weder für das Szenario Verteidigungsfall noch für die Stabilisierungseinsätze im Ausland. Entstanden sei eine Übungsmöglichkeit, die von einer ähnlichen Anlage in der Schule in Pfullendorf abgesehen, in Baden-Württemberg ziemlich einzigartig und für die Soldaten vor Ort statt der bisher „attackierten“ Hütte auf dem Standortübungsplatz eine deutliche Verbesserung darstellt.
Der Bau der neuen Anlage hat sich auch bei anderen uniformierten Berufsständen herumgesprochen. „Wir haben schon Anfragen von Polizei und Feuerwehr. Die möchten hier auch üben“, sagt nicht ohne Stolz der Kasernenfeldwebel. Zwar habe die Bundeswehr Vorrang, aber warum nicht. „Schließlich können wir alle voneinander lernen“, so Günter Barthel.