Und plötzlich entdeckt man das eigene Haus mit Preisschild versehen auf einem Stadtplan. Eine solche Begegnung bei zufälliger oder neugieriger Internetrecherche löst wohl kaum Begeisterung aus: vor allem, wenn die Veräußerung der Immobilie gar kein Thema ist. Empörung, Rufe nach Daten und Verbraucherschutz, die Frage ob das rechtens sei: Der Wirbel ist groß um den „Vormarkt für Immobilien“.

So nennt sich die Plattform Scoperty. Das Startup-Unternehmen agiert seit Ende 2020 von München aus und überzieht das ganze Land mit ungewollter Datentransparenz. In Dörfern und Städten sind nahezu flächig Häuser mit Schildchen und einem Schätzpreis versehen: mit je nach einzelnem Gebäude oder Mehrfamilienwohnhaus unterschiedlichen Symbolen.

Das Angebot des selbst ernannten Vormarkt für Immobilien für die Donaueschinger Innenstadt
Das Angebot des selbst ernannten Vormarkt für Immobilien für die Donaueschinger Innenstadt | Bild: Screenshot - www.scoperty.de

Auch in Donaueschingen ist kein Stadtteil und kein Straßenzug ausgenommen. Nur für Gewerbeflächen, etwa an der Dürrheimer oder der Bahnhofstraße interessiert sich Scoperty nicht.

Im zulässigen Rechtsrahmen

Dieser Auftritt sei nervig, aber nicht verboten, sagt Matthias Bauer. Er ist bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg für die Bereiche Bauen, Wohnen, Energie zuständig. Eine reine Grundwertschätzung sei erlaubt, „Scoperty handelt im zulässigen Rechtsrahmen.“ Offenbar habe die Firma aus den Protesten gelernt, die vor Jahren aufkamen, als für Google Earth Karten erstellt wurden. Scoperty verwende keine persönlichen Daten und biete eine Widerspruchslösung.

Zwar gebe es Beschwerden über die Plattform an sich, aber zu der Widerspruchsmöglichkeit hätten die Verbraucherschützer noch keine Klagen gehört. Allerdings, so Bauers Rat, sollten Verbraucher dort nichts eintragen. Selbst wenn man dort nur seine E-Mail-Adresse angebe, gebe man persönliche Daten preis.

Kein Mehrwert für Verbraucher

Für Verbraucher biete die Plattform keinen Mehrwert. Die angegebenen Immobilienwerte wiesen Spreizungen von mehreren 100.000 Euro auf und seien, wenn man die Wertigkeit persönlich bekannter Häuser mit den Angaben auf scoperty.de vergleicht, oft weit entfernt von der Realität. Wertsteigernde Faktoren sind nicht abgebildet, wie etwa Alter des Hauses, Heizung, Ausstattung oder Barrierefreiheit. „Man sieht eben nicht rein“, so der Verbraucherschützer.

Nur ein „verschwommener“ Anhaltspunkt

Sucht man nach einem Nutzen für Mieter, könne man dem Portal zugute halten, dass man nach längerer Laufzeit in bestimmten Quartieren die Entwicklung von Mietpreisen beobachten könnte. Allenfalls für ein Bau- oder Wohngebiet, nicht aber für eine Parzelle könnte man das Scopery-Raster anlegen. Es biete einen „verschwommenen“ Anhaltspunkt für Mieter, Vermieter und Interessenten. Das Startup gerate so zu einer Suchmöglichkeit von vielen.

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Auch die Polizei hat sich ein Bild zu dieser Plattform gemacht. „Die dargestellten Preise auf einem virtuellen Stadtplan stellen keinen strafrechtsrelevanten, eher einen zivilrechtlichen Tatbestand dar“ sagte auf Anfrage Dieter Popp, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz. Allenfalls könnte diese Online-Präsentation einen Vorgang im Sinne des Wettbewerbs zwischen Immobilienmarklern beziehungsweise im Gewerberecht darstellen.

Keine Einladung zu Einbruch

Auch eine Anleitung, sich bei den eingepreisten Anwesen Zutritt zu verschaffen, biete Scoperty seiner Ansicht nach nicht. Die „Wertigkeit“ von Gebäuden lasse sich auch über andere Portale feststellen. Im Zweifelsfall entschieden Kriminelle mit der puren Außenansicht des Objektes, ob es für einen Einbruch infrage kommt.

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Volker Sülzle, dem Vorsitzenden von Haus und Grund Donaueschingen ist Scopery vor ein paar Wochen mit einer breit angelegten PR-Aktion aufgefallen. Auch der Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht hebt die große Spanne der angegebenen Schätzwerte hervor. Sie basierten oft nur auf den öffentlich zugänglichen Daten aus dem regionalen Wohnungsmarkt. Dazu bekämen die Besitzer die Möglichkeit, die Daten zu vervollständigen. Wohnfläche, Zimmer und Ausstattungsmerkmale wie Baujahr, Keller, Garage, Barrierefreiheit und Garten können dem Datenpool angefügt werden, der laut Scoperty fast 18 Millionen Hausnummern und über 35 Millionen Immobilien umfasst.

Die Preisentwicklung bei Wohnbesitz

Hier rät Sülzle Eigentümern: „Keine Eingaben der Immobiliendaten“. Denn das eigentliche Ziel des Anbieters sei nicht, einen Schätzwert anzubieten. Mit den Daten der Immobilieneigentümer steigere das Unternehmen seinen Wert. Es werde interessant für Werbepartner und Analysedienstleister. Auch auf den Widerspruch gegen die Preisschilder sollte man verzichten: die Widerspruchsmöglichkeit diene in Kombination mit der E-Mail-Adresse und der eingetragenen Eigentümer-Eigenschaft dazu, den wertvollen Kontakt zu den Eigentümern herzustellen. Wer tatsächlich verkaufen wolle, sollte sich die Expertise eines Fachmanns einholen: samt Besichtigung der Immobilie vor Ort.

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Für Daniel Giusa von Reichmann Immobilien ist Scoperty ein weiterer so genannter „Lead Generator“ für Immobilenmakler. Leads werden im Marketing Kontakte zu einem Kunden genannt, der sich für ein Produkt interessiert. Diese Leads werden von Immobilien-Bewertungsportalen generiert, von denen seit einem Digitalisierungsschub in der Branche vor zwei, drei Jahren, eine ganze Menge im Internet unterwegs sind. Diese Leads werden Immobilienbüros fast tagtäglich Büros angeboten. Werden sie gekauft und genutzt, würden sie sich mit mühseliger Telefonakquise mit genervten Zielpersonen und geringen Erfolgsaussichten verbinden so Giusa. . Er selbst habe noch keine gekauft.

Auch die meisten Häuser in der Kronenstraße finden sich auf der Internetkarte von Scoperty.
Auch die meisten Häuser in der Kronenstraße finden sich auf der Internetkarte von Scoperty. | Bild: Wursthorn, Jens

Er könne schon verstehen, dass der Schrecken groß sei, plötzlich das eigene Haus eingepreist zu sehen. Und das angesichts eines wachsenden Datenschutz-Bewusstseins. Scoperty nütze nur den Betreibern der Plattform und den Maklern, die die Leads kaufen, ist der 51-jährige Firmenchef überzeugt.

Das sagt der Scoperty-Geschäftsführer

Und was sagt Scoperty? Geschäftsführer Michael Kasch konnte auf Anfrage weder Nutzer- noch Widerspruchs-Zahlen nennen. Derzeit seien aber viele, die im ersten Reflex widersprochen haben, auch wieder zurückkommen und wollten die Plattform nutzen. „Wir sind mit der Entwicklung generell zufrieden“, führte er weiter aus.

Schlichtweg nicht richtig sei die Behauptung, Scoperty verkaufe Adressdaten weiter. Die für die Firma zuständige bayerische Landesdatenschutzbehörde habe zuletzt keinen Anlass gesehen, weitere aufsichtsbezogene Schritte zu ergreifen. Die vom Kunden anvertraute Daten würden nur gemäß der Datenschutzgrundverordnung verarbeitet. „Wenn ein Kunde seine Daten löschen lassen will, tun wir dies“, so Kasch. Mit einer verbesserten Wertermittlung werde der gesamte Markt transparenter gemacht. Davon profitierten am Ende vor allem die Verbraucher.