15 Uhr in Allmendshofen: Erik Pauly geht von Briefkasten zu Briefkasten. Der Oberbürgermeister hat sich für seinen Urlaub einiges vorgenommen. Jeder Haushalt soll eine Wahlkampfbroschüre von ihm erhalten. So lernt er seine Stadt richtig gut kennen. Straße für Straße, Briefkasten von Briefkasten, von Heidenhofen bis nach Huberthofen. Doch ohne Plan geht gar nichts.

Bild 1: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

„Das muss man strukturiert machen“, erklärt Pauly. Hat er eine Straße, dann wird sie markiert. „Man darf nie sagen: ‚Ach, die paar Häuser nehme ich noch mit“, sonst wird es ein Chaos.“ Am Besten sind Rundkurse, die er im Zick-Zack-Kurs bewältigt. Stichstraßen geht es die eine Seite entlang und die andere Seite zurück. Doch weit kommt der OB an diesem Tag nicht. Schon beim zweiten Haus im Quellenweg erklingt eine Rufen aus dem Garten: „Die Klingel ist kaputt. Aber komm doch kurz in den Garten.“ Es ist GUB-Stadtrat Franz Wild.

Bild 2: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

Zu sehen gibt es im Garten nicht nur eine neue Terrasse, die der OB bestaunt, sondern auch die Spielecke der Enkelkinder. Das alte Holz der Terrasse hat der Wild-Nachwuchs nämlich kreativ wiederverwendet und Opa musste versprechen, dass das kleine Kinderparadies bis zum Ende der Ferien stehen bleibt. Übrigens hat man vom Garten auch einen schönen Blick aufs Storchennest, das sich auf dem Allmendshofer Rathaus befindet. Gitta Wild kennt sich mit den Vögeln bestens aus, schließlich ruft jeder in Allmendshofen bei ihr an, wenn was mit den Störchen ist.

Bild 3: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

Doch nicht nur um Tiere geht es, sondern auch um die Allmendshofer Verkehrsproblematik. Wenn am Rathaus nämlich viele parken, dann kommt man kaum aus dem Quellenweg heraus. Und wenn dann noch Gegenverkehr kommt, dann müsste man auf den Gehweg ausweichen. Nicht ganz ungefährlich. Pauly zückt schon den Stift, um sich Notizen zu machen.

„Ich glaube, das Rathaus-Team findet meine Aktion nicht so lustig.“
Erik Pauly

Von jeder Tour bringe er etwas mit, das er an die entsprechenden Kollegen im Rathaus weitergibt. Wie beispielsweise die Straßenlaterne 102 in Pfohren, die immer zu früh ausgegangen ist. Nun leuchtet sie die ganz Nacht. Franz Wild winkt ab. Das mit dem Parken wüsste der Ordnungsamtsleiter Andreas Dereck längst. „Bei der nächsten Verkehrsschau ist das mit dabei“, sagt Wild und blättert in der Wahlkampfbroschüre.

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Bild: Jakober, Stephanie

Groß ist das Entzücken: „Da ist ja auch die Allmendshofer Brücke drin“, freut sich Wild. Oh ja. Damals haben die Allmendshofer gezeigt, wie man Protest organisiert, als plötzlich nur noch die Fußgänger und Radfahrer die Breg überqueren sollten. So lange haben sie gekämpft, bis sie eine Brücke bekamen, die auch für Traktoren geeignet war. Doch das ist eine andere Geschichte. „Hast du mir noch eine Broschüre für die Tochter, die wohnt auch hier und ist politisch sehr interessiert“, fragt Franz Wild zum Abschied. Klar, Broschüren gibt es genug und viele müssen noch verteilt werden. Weit kommt Pauly allerdings nicht. Die Nachbarn sind auch im Garten.

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Bild: Jakober, Stephanie

Die Freude ist groß: Besonders beim Vierbeiner Ypse, der sofort Streicheleinheiten bekommt. Doch auch Günter, Helga und Helene Walz sind erfreut, dass plötzlich der OB im Garten steht. Das Gesprächsthema: wie schön doch Allmendshofen ist. Man kann einkaufen gehen, ist mit ein paar Schritten im Park. Und auch der Donauzusammenfluss werde bald ein Schmuckstück.

„Eschingen ist doch so schön, dass man sich noch einmal aufstellen lassen kann“, sagt Helga Walz und lacht. Der Meinung scheint auch OB Pauly, sonst würde er ja keine Wahlkampfbroschüren verteilen. Irgendwann fällt noch der Hinweis, dass der nächste Nachbar Wolfgang Gut ist. Den kennt nicht nur der OB, sondern fast jeder Eschinger – auch wenn der eine oder andere den Dedel außerhalb der Fasnet vielleicht nicht unverkleidet erkennen würde.

Bild 6: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

Wolfgang Gut ist aber nicht zu Hause. Doch einfach nur eine Broschüre einschmeißen, ist Pauly zu wenig. Er zückt den Kugelschreiber und schreibt eine Widmung. „Das ist nichts Tiefgreifendes. Aber vielleicht freut er sich ja“, sagt er und weiter geht es. Manchmal muss man auch gar nicht erst zum Briefkasten laufen. Denn Jutta Sowieja sitzt bereits vor dem Haus. Mit Blick auf den Sportplatz.

Bild 7: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

„Sie haben es hier ja schön. Sie können ja jedes Spiel anschauen“, sagt der OB. Ja, seit sie hier wohne, sei sie der DJK verbunden. Und wenn die Fußballer mal etwas brauchen würden, helfe sie gerne aus. Mal mit einer Schubkarre, mal mit einem Spaten. Weiter geht‘s zum nächsten Briefkasten.

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Bild: Jakober, Stephanie

Doch wo ist der Briefkasten. Zielstrebig läuft Pauly darauf hinzu. „Noch vor ein paar Tagen hätte ich da ewig gesucht“, blickt er zurück. Denn oft ist es nicht einfach, den Briefkasten zu finden. Mal an der Haustüre, mal hinterm Haus, mal am Grünstück.

Briefkasten unter dem Eimer

Irgendwann stand er einmal suchend rum. Der Nachbar rief vom Balkon, ob er denn den Briefkasten suche. Ja. „Der ist unter dem Eimer“, erklärt der Nachbar. Pauly hat sich sogar schon Tipps von einem Profi geholt. Als er beim Autohaus Erndle die Wahlkampfbroschüre verteilte, gab es einen Kaffee. Für den OB und auch für den kurz danach eintreffenden Briefträger. Und so tauschten die beiden die Erfahrungen aus. Ein paar Häuser weiter kommt jemanden heraus. „Ich habe schon eine Broschüre“, sagt Norbert Iwangoff.

Bild 9: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
Bild: Jakober, Stephanie

Kurz ist der OB irritiert. In der Straße hat er doch noch nicht verteilt. Wie kann das passieren? Dann erkennt er den Mann. Es ist der Briefträger vom Morgen. Die Beiden kommen erneut ins Gespräch. Irgendwann wird ausgemacht, dass Pauly Iwangoff einmal bei der Arbeit begleitet. Doch während Iwangoff bereits Feierabend hat, warten auf Pauly noch einige Briefkästen. Beispielsweise der wohl schönste Briefkasten von Allmendshofen.

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Die Runde ist fest zu Ende. 1,73 Kilometer waren es. Viele Briefkästen, etliche Treppen. Zwei Stunden – wobei das nicht am langsamen Laufen liegt, sondern an den vielen Gesprächen. „Manchmal trifft man auch zwei Stunden gar niemand.“

Die Aufzeichnungen einer Handy-App zeigen auf einem Satellitenbild von Allmendshofen die Wege auf, die OB Pauly bei seinem Rundgang ...
Die Aufzeichnungen einer Handy-App zeigen auf einem Satellitenbild von Allmendshofen die Wege auf, die OB Pauly bei seinem Rundgang durch den Ort zurückgelegt hat. | Bild: Jakober, Stephanie

Doch Moment, hat Franz Wild nicht erzählt, dass hier Melanie Meder wohnt? Die Allmendshoferin hatte am Montag Geburtstag. 98 Jahre ist sie geworden und heute ist die Nachbarschaft zu Gast. Da könnte man doch kurz klingeln und nachträglich gratulieren. Doch es öffnet niemand. Vielleicht im Garten?

Bild 12: Wenn der Oberbürgermeister zum Briefträger wird und jede Menge Spaß dabei hat
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Im Garten trifft Pauly nicht nur Franz und Gitta Wild, sondern auch etliche andere bekannte Allmendshofer. Und Melanie Meder. Die ist ziemlich erstaunt, dass plötzlich der Oberbürgermeister vor ihr steht und auch noch weiß, dass sie Geburtstag hatte. Viel Besuch gibt es in dieser Woche. „Wir feiern eigentlich jeden Tag“, sagt die Tochter Helga Remlinger. „Aber mit so hohem Besuch haben wir nicht gerechnet.“ Gerne hätte man den Gast gleich noch zum Essen eingeladen, doch es warten noch viele Briefkästen. „Es können wohl wenige Menschen von sich sagen, dass sie jeden Briefkasten in Donaueschingen besucht haben“, sagt Pauly, nimmt sich einen Stapel Broschüren und geht zur nächsten Straße.

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